Versammlung

Telekom-Chef Ron Sommer im Fadenkreuz der Aktionäre

Doch Sommer will sich das Büßerhemd nicht überstreifen
Von dpa / Marc Baumann

Für Ron Sommer wird die Hauptversammlung der Deutschen Telekom am morgigen Dienstag zu einem Gang nach Canossa. Tiefrote Zahlen und der Absturz der T-Aktie, Kürzung der Dividende sowie eine satte Aufstockung der Vorstandsgehälter werden für Zündstoff auf dem Jahrestreffen in Köln sorgen. Hinzu kommen angebliche Abrechnungspannen bei Telefonrechnungen, über die am Wochendende berichtet wurde. Der Vorstandschef hat den frustrieren T- Aktionären einiges zu erklären.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und die Schutzvereinigung der Kleinaktionäre (SdK) kündigten bereits vor Wochen an, Vorstand und Aufsichtsrat wegen der Pannenserie die Entlastung zu verweigern. Eine Kursschwankung zwischen 100 und 10 Euro werde einem DAX-Unternehmen nicht gerecht, rügt DSW-Sprecherin Petra Krüll. Im Frühjahr 2000 hatte die einst begehrte Volksaktie mit 104 Euro ihren bislang absoluten Höchststand erreicht und fiel mit Ernüchterung in der Branche über die künftigen Ertragsaussichten ins Bodenlose. Spötter sprechen bereits von der ersten Penny-Aktie im Aktienindex DAX.

In der vergangenen Woche sank das Papier erstmals unter die Marke von zwölf Euro und war damit rund 18 Prozent billiger als beim Börsengang 1996. Bei der Hauptversammlung vor einem Jahr notierte die T-Aktie noch bei 25,55 Euro. Schon damals wurde der Vorstand wegen des niedrigen Kurses von seinen Aktionären heftig gescholten. Doch nicht einmal die größten Skeptiker hätten ein weitere Halbierung des Kurses für möglich gehalten.

"Wir vermissen eine ausreichend gewinnorientierte Strategie des Managements", ist einer der Kritikpunkte der Union Investment Gruppe. Das Unternehmen hält über 40 Millionen T-Aktien oder ein knappes Prozent des gezeichneten Grundkapitales. Auch wenn die gesamte Branche von der schlechten Stimmung betroffen sei, beim Bonner Riesen gebe es auch hausgemachte Probleme, meint Fondsmanager Jürgen Drees.

Aktien großer Konkurrenten wie Vodafone und Téléfonica hätten zwar auch Federn gelassen, seien aber längst nicht so stark eingebrochen wie der graue Riese aus Bonn. "Die schwache Kursentwicklung muss sich das Top-Management zurechnen lassen", betont Drees. Wegen der ungenügenden Ertragskraft werde sich der Investmentfonds beim Tagesordnungspunkt Entlastung der Stimme enthalten.

Doch Sommer will sich das Büßerhemd nicht überstreifen. Der Kurs spiegle in keiner Weise den wahren Wert des Konzerns wieder, sagt der Manager bei fast jeder sich bietenden Gelegenheit gebetsmühlenartig. Und sein oberster Chef, der Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Dietrich Winkaus, stärkt ihm den Rücken: "Er ist der richtige Mann an der Spitze des Konzerns".

Und Sommer tritt die Flucht nach vorne an: So nannte er in einem Zeitungsinterview die T-Aktie unlängst ein "Schnäppchen". Die Telekom sei gut aufgestellt, das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) zeige nach oben. Den umstrittenen Zukauf des US-Mobilfunkbetreibers VoiceStream sieht der Vorstand inzwischen als eine Perle des Konzern. In der T-Mobile-Gruppe wächst die US-Tochter derzeit am stärksten.

Doch zunächst zählt nur, was unter dem Strich steht: So erwirtschaftete die Telekom 2001 mit 3,5 Milliarden Euro erstmals tiefrote Zahlen. Für das laufende Geschäftsjahr malt Finanzchef Karl-Gerhard Eick ein noch düsteres Bild an die Wand: Auf 5,5 Milliarden Euro sollen sich die Verluste bis zum Jahresende auftürmen. Abschreibungen auf Firmenwerte und UMTS-Lizenzen und Zinsen fressen einen großen Teil der Ergebnisse.

Und so hat der Abbau der Schulden (67 Milliarden Euro) oberste Priorität. Allein für Zinsen musste der Konzern im vergangenen Jahr 4,7 Milliarden Euro berappen. Unter anderem durch den Verkauf von Immobilien, der restlichen TV-Kabelgesellschaften und den Börsengang von T-Mobile will das Team um Sommer die Mittel erlösen, um die drückende Schuldenlast zu reduzieren. Auf 50 Milliarden Euro sollen die Verbindlichkeiten bis Ende 2003 fallen. Aber sowohl der Zeitpunkt des Börsengangs wie auch die Abgabe des Kabelnetzes sind derzeit ungewiss.

Nicht ausgeschlossen, dass Sommer bald wieder eine Erfolgsmeldung verbuchen kann: Angeblich verhandelt das Unternehmen für Rechte an Spielen der Fußball-Bundesliga. Noch äußert sich die Telekom zu diesem Thema nicht. Vorsorglich sollen die Anteilseigner auf der Hauptversammlung aber schon einmal die Ausweitung des Geschäftszwecks absegnen, nämlich ein stärkeres Engagement der Telekom im Bereich Internet, Unterhaltung und Multimedia.