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Editorial: Verbraucherschutz bei 0190 mangelhaft

Wie lange darf noch abgezockt werden?
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Die Nutzung von 0190-Nummern wird immer vielfältiger. Neben Auskunftsdiensten (Wetter, Nachrichten, Bundesliga, Lottozahlen etc.), Gewinnspielen ("Wer wird Millionär" etc.) oder den berüchtigten Erotik-Lines, gibt es zunehmend sinnvolle Anwendungen wie Ortsgespräche oder den Bezug von Calling-Cards. Weitere, denkbare Anwendungen sind der Kauf von Software per Dialer, die Bezahlung von Versandhausbestellungen mit dem Anruf bei der Bestell-Hotline, und vieles mehr.

Mit der Entwicklung der technischen Möglichkeiten nicht Schritt gehalten hat aber die rechtliche Entwicklung. 0190-Nummern werden nach wie vor nach dem Prinzip abgerechnet: "Hat es eine Verbindung gegeben, dann muss auch bezahlt werden". Das ist bei Tk-Dienstleistungen grundsätzlich in Ordnung, bei Service-Nummern muss aber zusätzlich gefragt werden: "Ist der Service auch erbracht worden?"

Wenn man sich einen Erotik-Dialer fängt, und diesen anschließend auch zum "normalen" surfen im Internet verwendet, kann man schnell mit einer Rechnung von 10 000 Euro konfrontiert werden, die nach derzeitiger Rechtslage auch bezahlt werden muss. Dabei wird der Service in solchen Fällen nicht oder nur in geringem Umfang benutzt.

Eine Regelung, nach der ein Kunde, der acht Stunden lang im Kaufhaus stöbert, und dann nur eine Kleinigkeit kauft, dennoch 1000 Euro Zeitgebühr bezahlen muss, fände jeder zurecht widersinnig. Bei Sex-Dialern, die über 01908-XY einwählen, ist es aber im Moment die gängige Praxis: Alle Artikel im Kaufhaus sind sogar "kostenlos", aber der Zugang zum Kaufhaus kostet um so mehr Geld, je länger man sich darin aufhält.

Da man negative Presse und zahlungsunfähige Kunden nicht mag, greift die Deutsche Telekom unseren Erfahrungen nach teilweise zur Selbsthilfe: Kunden berichten, dass sie von einem Telekom-Mitarbeiter angerufen wurden, der nachfragte, ob die stundenlange Verbindung mit 01908 wirklich gewünscht war. Doch ist das Kind in den Brunnen gefallen, und gab es stundenlange Verbindungen, schickt die Telekom auch gnadenlos die Rechnung.

Je innovativer der Dienst, desto komplizierter die Rechtslage. Wer Software per Dialer kauft, und dann feststellt, dass die Software nicht wie versprochen funktioniert, hat das Recht auf Rückabwicklung des Kaufs. Dumm nur, wenn auf den Widerspruch gegen den entsprechenden Posten der Telefonrechnung die Telekom oder ein anderes Tk-Unternehmen erstmal mit Abschaltung des Anschlusses droht. Das schüchtert viele Kunden ein, die dann doch zahlen.

Kommt es zum Prozess, ist der Gegner das vermittelnde Tk-Unternehmen, nicht der Anbieter des Service. Folglich ist für den Ausgang entscheidend, ob die Tk-Verbindung korrekt zustande gekommen ist, nicht, ob die bezogene Ware oder der bezogene Dienst korrekt funktionierte.

Zwar kann man auch versuchen, gegen den eigentlichen Inhalteanbieter zu klagen, doch fällt dieses angesichts der Praxis der Weiter- und Untervermietung von 0190-Nummern sehr schwer. In der Kette der Anbieter (Telekom - privates Tk-Unternehmen - Service-Provider - Reseller 1 - Subseller 2 - Reseller 3 ... Endanbieter) tauchen oft auch zweifelhafte Unternehmen mit Sitz im Ausland auf. Den Endanbieter zu recherchieren, ist dann fast unmöglich. Das öffnet dem Missbrauch Tür und Tor.

Dringend notwendig ist daher eine Gesetzesänderung, dass bei Streits über die Korrektheit von 0190-Abrechnungen nicht die Tk-Unternehmen, sondern die eigentlichen Endanbieter vor Gericht erscheinen müssen. Verweigert ein Endanbieter sein Erscheinen, oder ist er nicht ermittelbar, dürfen keine Kosten oder allenfalls die Kosten eines normalen Telefongesprächs in Rechnung gestellt werden.

Eine solche Gesetzesänderung verpflichtet die Tk-Unternehmen am Anfang der Kette zu einer genaueren Abrechnung. Sie können die mit Service-Nummern vertelefonierten Minuten nicht mehr einfach an die Endanbieter auszahlen, sondern müssen feststellen, welche Services wirklich bezahlt worden sind und welche nicht. Um sich Arbeit zu sparen, haben die Anbieter am Anfang der Kette dabei ein großes Interesse, solche Endanbieter abzuklemmen, bei denen es eine hohe Storno-Quote gibt. Das würde so manchem schwarzen Schaf den Garaus machen.

Es sind zwar bereits Gesetzesänderungen in der Vorbereitung, doch sind diese noch nicht weitgehend genug. Die Vorschrift, dass der jeweilige Anbieter in der Telefonrechnung genannt werden muss, bewirkt wahrscheinlich nur, dass man einen der Namen aus der langen Kette der Reseller erfährt. Der künftig vorgeschriebene Hinweis, dass man einzelnen Punkten der Rechnung widersprechen kann, kann zudem Verbraucher in Kostenfallen führen, solange die Rechtslage weiterhin so stark zum Verbrauchernachteil ist.