Interview

"Kurth muss Internet-Telefonie zur Chef-Sache machen"

Nach Ansicht von freenet-Chef Spoerr bremst die RegTP den VoIP-Markt
Von Björn Brodersen

freenet-Chef Eckhard Spoerr freenet-Chef Eckhard Spoerr hat das an Internet-Telefonie-Anbieter gerichtete Verbot der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), an ihre Kunden ortsnetzfremde Rufnummern zu verteilen, kritisiert. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) erklärte Spoerr, die bis zum 15. Oktober gewährte Frist sei viel zu kurz. Schlimmer sei aber, dass der Regulierer keine Alternative angeboten habe. Auf diese Weise bremse die RegTP den VoIP- und DSL-Markt, die Internet-Telefonie komme in Deutschland nur langsam voran.

freenet-Chef Eckhard Spoerr Der Hamburger Provider gehört zu den fünf Unternehmen, die von der am 6. Oktober erlassenen Verfügung der RegTP betroffen sind. Demnach hätten diese Unternehmen den geographischen Bezug von Ortsnetzrufnummern nicht beachtet. Die Neuzuteilungen von Ortsnetzrufnummern müssen zum 15. Oktober eingestellt werden. Bereits nicht regelkonform zugeteilte Rufnummern sollen allerdings erst zum 1. August 2005 abgeschaltet werden, um den betroffenen Endkunden eine Frist für Übergangsmöglichkeiten zu gewähren. Ähnliche Verfügungen waren zuvor schon gegen sipgate und nikotel erlassen worden.

Zwangsbündelung von Telefon- und DSL-Anschluss hemmt Innovationsbereitschaft

"Seit einem Jahr passiert nichts und sollen wir innerhalb von neun Tagen unser Angebot vom Markt nehmen", klagte der freenet-Chef gegenüber der FAZ. Unternehmen könnten nicht innerhalb einer Woche ihre Angebote vom Markt zurückziehen. Den betroffenen Anbietern habe der Regulierer keine Alternative angeboten, obwohl sich die Behörde schon seit einem Jahr mit diesem Thema beschäftige. Allerdings hatte die RegTP vor einer Woche angekündigt, dass bis zum August kommenden Jahres die Zuteilung von bundesweit einheitlichen Rufnummern als Alternative verfügbar sein wird. Aller Voraussicht nach wird es sich dabei um die Rufnummerngasse 032 handeln.

Spoerr äußerte sich in dem Interview auch zu den möglichen Motiven der RegTP: "Der Regulierer möchte die Deutsche Telekom schützen, da Internet-Telefonie das Telekom-Stammgeschäft, die Festnetztelefonie, kleine Marktanteile kosten kann. Wenn dann noch die Zwangsbündelung des DSL-Anschlusses mit dem Telefonanschluss wegfällt, dann wird die Gefahr für die Festnetztelefonie wachsen." Um die Entwicklung voranzutreiben, müsse RegTP-Vorsteher Matthias Kurth die Internet-Telefonie endlich zur Chefsache erklären.

Wichtigste Voraussetzung, damit die Internet-Telefonie zum Massenmarkt wird, ist nach Ansicht von Spoerr die Entbündelung von Telefon- und DSL-Anschluss. Erst dann können die Kunden auf ihren Festnetzanschluss verzichten und nur noch über das Internet telefonieren. Ein Festhalten an der Zwangsbündelung wirke sich innovationshemmend aus, so Spoerr. So lange die Bündelung bestehe, würden die Netzbetreiber ihre Netze nicht modernisieren und an der alten Technik festhalten. Momentan würde die Internet-Telefonie vorangebracht, weil die Anbieter auf ihre Gewinnmarge verzichteten.

Frühestens zum Ende des kommenden Jahres rechnet Spoerr mit einer Entbündelung. Die Kunden würden dann wohl zwischen 20 und 22 Euro pro Monat für den DSL-Anschluss inklusive der Internet-Telefonie bezahlen. Hinzu kämen durch die Entbündelung neue Produkte wie Videotelefonie oder der Versand von SMS und E-Mails über den DSL-Telefonanschluss.

Jeden Monat 5 000 neue Telefonie-Kunden

Zurzeit entscheidet sich nach Angaben von freenet jeder vierte DSL-Kunde auch für das VoIP-Angebot. Damit kämen jeden Monat 5 000 neue Telefonie-Kunden hinzu. Um die kostenlosen VoIP-Telefonate auszuweiten, verhandle freenet momentan mit web.de über eine Zusammenschaltung der Netze. Mit sipgate besteht bereits eine solche Kooperation. Bis zum Jahresende will freenet insgesamt zwischen 280 000 und 300 000 DSL-Kunden gewonnen haben.

"Man muss DSL als Kerngeschäft betreiben, sonst funktioniert es nicht", äußerte Spoerr gegenüber der FAZ. "Je mehr Anbieter am Markt tätig sind, desto weniger Kunden kann der einzelne Anbieter an sich ziehen." Mit 50 000 oder 100 000 DSL-Kunden könne man kein echtes Geschäft betreiben, da die Kundenakquisitionskosten für die kleinen Anbieter viel zu hoch seien. Viele Anbieter würden deshalb wieder aufhören und am Ende nur vier bis fünf große Anbieter übrig bleiben.