Lauschangriff

Zahl der Telefonüberwachungen steigt weiter an

Berlin ist die Hauptstadt der Lauscher
Von Marie-Anne Winter

Die von Datenschützern regelmäßig geäußerte Besorgnis, dass Telefonüberwachungen zunehmend als Standardermittlungsmethode eingesetzt werde, bestätigt sich durch die vorgelegten Zahlen des Bundesministeriums der Justiz [Link entfernt] : Auf Anfrage des FDP-Abgeordneten Jörg van Essen teilte das Ministerium mit, dass im Jahr 2003 4 276 Verfahren Überwachungsmaßnahmen in den Bundesländern und im Geschäftsbereich des Generalbundesanwaltsangeordnet wurden. Das ist gegenüber dem Vorjahr (4 137 Verfahren) zwar ein geringerer Anstieg als in den Jahren zuvor - absolut aber eine erneute Zunahme um 3,3 Prozent. Die größte Verfahrenszunahme verzeichnet dabei das Land Berlin mit einem Plus von 70,2 Prozent (121 Verfahren in 2002 auf 206 Verfahren in 2003), gefolgt von Thüringen mit einer Zunahme um 44,6 Prozent (47 Verfahren in 2002 auf 68 Verfahren in 2003) und Sachsen Anhalt mit einer Zunahme von 33,3 Prozent (177 Verfahren in 2002 auf 236 Verfahren in 2003). In Sachsen-Anhalt nahmen die Verfahren bereits zum Jahr zuvor um 36,2 Prozent von 130 in 2001 auf 177 in 2002 zu. Erfreulicherweise gab es in den Ländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen weniger Verfahren.

Unterschiedliche Entwicklung in den Bundesländern

In einer Pressemitteilung bezeichnet van Essen den Anstieg der Telefonüberwachungen als besorgniserregend. Insbesondere die unterschiedlichen Entwicklungen in den verschiedenen Bundesländern seien erklärungsbedürftig. Er fordert daher die Landtage von Berlin, Thüringen und Sachsen-Anhalt auf, sich mit dieser speziellen Entwicklung in ihren Ländern zu befassen und Folgerungen aus der Entwicklung zu ziehen. Aufgrund der weiter steigenden Telefonüberwachungen halte die FDP eine Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle und der Berichterstattung an den Deutschen Bundestag und an die Landtage für unumgänglich. Einen entsprechenden Antrag habe die FDP bereits im September 2003 in den Bundestag eingebracht, der im Juni dieses Jahres in erster Lesung beraten worden ist.

In den Statistiken des Justizministeriums wird auch die Anzahl der Betroffenen im Sinne des § 100 a Satz 2 StPO, also Beschuldigte, Nachrichtenermittler und Inhaber der vom Beschuldigten genutzten Anschlüsse erfasst, gegen die sich Überwachungsanordnungen richteten. Dies waren im Jahr 2003 insgesamt 10 439 gegenüber 9 918 Betroffenen im Vorjahr. Das bedeutet eine Zunahme von 5,2 Prozent.

Den weitaus größten Anteil der Abhörmaßnahmen betreffen erneut Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz mit insgesamt 2 664 Verfahren ein (2 584 Verfahren im Vorjahr). Die zeitstärkste Straftatengruppe ist nunmehr die des Raubes oder der räuberischen Erpressung mit 343 Verfahren in 2003 gegenüber 256 Verfahren in 2002. Danach kommen Straftaten, die Mord, Totschlag und Völkermord betreffen (262 in 2003 im Vergleich zu 234 in 2002). Die Deliktgruppe nach dem Ausländer- sowie Asylverfahrensgesetz (260 in 2003 im Vergleich zu 297 in 2002) kommen an vierter Stelle.