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Editorial: Seltsame Urlaubsgrüße vom Provider

Debitels Postkarten-Tarif-Aktion
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Pacta sunt servanda sagten schon die alten Römer: "Verträge sind einzuhalten". Doch anscheinend ist dieses eherne Rechtsprinzip den Managern bei Debitel ein Dorn im Auge. Und so sendeten sie einem Teil ihrer Kunden kurzerhand eine bunte Postkarte, mit dem Hinweis, dass der Kunde demnächst "viel bequemer" im neuen Tarif Vodafone 50 mobil Telefonieren könne. Wenn er das nicht wolle, könne er ja widersprechen.

Dieses Verfahren ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Verträge - und dazu gehören auch Vertragsänderungen - kommen nunmal durch Angebot und Annahme zustande. Die Annahme des Vertrags oder der Änderung kann im Regelfall nicht einfach dadurch erfolgen, dass der Kunde sich nicht meldet und weitertelefoniert. Vielmehr benötigt eine rechtlich wirksame Annahme eines Vertrags(änderungs)angebots ein aktives Verhalten des Kunden: Rücksendung einer unterschriebenen Annahmeerklärung, Anruf bei der Hotline, Ausfüllen eines Online-Formulars oder dergleichen mehr. Von einer solchen Bestätigung durch den Kunden kann hier jedoch keine Rede sein.

Debitels Fall kann auch nicht dadurch gerettet werden, dass das Unternehmen sich in Ziffer 1.5 der AGB [Link entfernt] vorbehält, die Preise einseitig zu ändern. Zwar ist dieser Vorbehalt grundsätzlich gesetzlich zulässig, wenn der Kunde rechtzeitig über die geplante Änderung informiert wird, und ihm Zeit für eine "ausdrückliche Erklärung" (also Annahme oder Ablehnung der Änderung) gewährt wird. Doch bezieht sich Debitels AGB-Regelung auf eine "Änderung der Preisliste", nicht auf einen "Wechsel des Tarifs". Von einer allgemein gültigen Änderung der Preisliste kann aber mit Sicherheit dann nicht ausgegangen werden, wenn Neukunden weiterhin die Konditionen angeboten werden, von denen die Altkunden weggewechselt werden.

Aus ähnlichen Gründen musste Debitel vor wenigen Wochen eine Aktion zurücknehmen, bei der den Kunden ebenfalls per Postkartenhinweis ein spezielles zusätzliches Servicepaket angedient worden war. Unverständlich, warum man es auf anderem Gebiet weiterhin auf diese Methode probiert.

Selektion und Zugangsnachweis

Zusätzlich stellt sich die Frage, welchen Kunden Debitel die einschlägigen Postkarten schickt. Wählt Debitel diejenigen Kunden aus, die von den 50 Freiminuten intensiv profitieren würden? Oder stellt Debitel vor allem Wenig-Telefonierer um, in der Hoffnung, künftig höhere Grundgebühren zu verdienen? Das Feedback an die Redaktion suggeriert letzteres: Mehrere Kunden beschwerten sich bei der Redaktion darüber, dass die monatlichen Kosten durch die Umstellung um 50 bis 100% gestiegen seien. Debitels Konten freuen sich darüber sicher, die der Kunden sicher weniger.

Noch unangenehmer wird die Situation dadurch, dass anscheinend nicht alle Postkarten ihre Empfänger auch erreichen. Ob das daran liegt, dass die EDV-Systeme bei Debitel ein paar Macken haben, oder dass die Briefträger unzuverlässig arbeiten, oder schlicht die Empfängeradresse falsch ist, sei dahingestellt. Jedenfalls berichten mehrere Leser, von der Tarifänderung erst auf der ersten Rechnung nach der Umstellung erfahren zu haben, nicht per Karte.

Klar, dass auch diese Leser Rückstellung zu den alten Konditionen begehrten. In einem Fall weigerte sich Debitel jedoch nach Angaben des Kunden, mit Verweis auf die abgelaufene Vier-Wochen-Frist. Das ist für den Kunden, der die Karte nicht erhielt, natürlich nicht einsehbar, denn er konnte von der laufenden Frist ja gar nichts wissen. In einem anderen Fall wurde dem Rückstell-Anliegen des Kunden zwar Gehör geschenkt, doch berechnete Debitel nun eine Vertragswechselgebühr. Auch erfolgte keine Erstattung des Mehrbetrages für den zum teuren Tarif abgerechneten Monat.

Mit beiden Verhaltensweisen begibt sich Debitel auf rechtlich äußerst dünnes Eis, denn eine "Fiktion des Zugangs" eines Schreibens oder gar einer Postkarte ist laut Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen. Debitels Einlassung, dass die fragliche Postkarte nicht als unzustellbar zurück kam, heißt noch lange nicht, dass sie korrekt zugestellt wurde.

Fraglich ist, was die Kunden tun sollten, die wegen einer nie erhaltenen Postkarte nun zusätzliche Entgelte bezahlen sollen. Eine Klage gegen Debitel wäre sicherlich angebracht, ist aber mit zusätzlichem Ärger verbunden, und birgt das Risiko, am Schluss sogar zu verlieren, weil der Richter die Sache nicht kapiert oder man sich im Termin verplappert. So dürfte die Mehrzahl der übervorteilten Kunden zur "Abstimmung mit den Füßen" schreiten: Den eigenen Vertrag kündigen, und die negativen Erlebnisse weitererzählen, damit auch andere Kunden diesem Schritt folgen.