Strategie

AOL mit neuem Gesicht

Hamburger Anbieter befindet sich im Wandel
Von Björn Brodersen

AOL befindet sich im Wandel: So zieht der Internetdienstleister nicht nur vom Hamburger Millerntor innerhalb der Stadt in das moderne Berliner Tor Center um, er will sich auch ein ganz neues Gesicht verleihen. Der erste Schritt wurde mit der Markteinführung eines VoIP-Angebots vor Monaten gemacht, in der vergangenen Woche setzte das Unternehmen den nächsten Paukenschlag: Künftig bietet es eigene DSL-Anschlüsse an. Dazu vertreibt AOL als so genannter Reseller einerseits DSL-Anschlüsse unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung, andererseits setzt er in Kooperation mit Telefónica auf das Line-Sharing-Verfahren. Dabei werden die Internetdaten in dem von dem Kooperationsaprtner angemieteten hochfrequenten Leitungsbereich übertragen.

Anlass zu diesem Schritt war die Senkung der Einmal- und Migrationsentgelte für das Vorleistungsprodukt der Deutschen Telekom, die die Bundesnetzagentur angeordnet hatte. Bis Ende des Jahres will AOL in zehn deutschen Städten wie zuvor schon testweise in München und Bremen eigene DSL-Anschlüsse per Line-Sharing anbieten, in den restlichen für T-DSL erschlossenen Gebieten werden Resale-DSL-Anschlüsse angeboten. Für den Kunden macht es zumindest momentan keinen Unterschied, über welchen Weg er seinen DSL-Anschluss mit 1 MBit/s, 2 MBit/s oder 6 MBit/s im Downstream geschaltet bekommt: Voraussetzung für AOL DSL ist in beiden Fällen immer noch ein Telefonanschluss der T-Com, die monatlichen Grundpreise sind die selben.

Dumping-Preise sind von AOL nicht zu erwarten

Brancheninsider hatten damit gerechnet, dass durch diesen Schritt von AOL der Preiskampf auf dem deutschen DSL-Markt erneut angeheizt wird. Diese Hoffnungen wurden in der vergangenen Woche erst einmal enttäuscht: Zwar bieten die Hamburger eine DSL-Flatrate jetzt auch für alle Anschluss-Bandbreiten für 9,99 Euro im Monat sowie mit den so genannten Flatpacks Einstiegsangebote mit kostenloser Hardware an, doch allein über aggressive Preise wollen sie neue Kunden nicht gewinnen. "Dumping-Preise wird es von AOL nicht geben", sagte AOL-Pressesprecher Tobias Riepe gegenüber der teltarif-Redaktion. Schließlich biete der Provider mehr als den reinen Internetzugang. Das AOL-Geschäft werde weiterhin auf den drei Säulen Kommunikation, Entertainment und Sicherheit ruhen.

Inzwischen nähert sich der Deutschland-Ableger von American Online der Millionen-Marke bei der Zahl der DSL-Kunden. Diese erhalten neben dem unbegrenzten Internetzugang und Content, einen VoIP-Anschluss, Zugriff auf Chat und Instant Messaging, einen SMS-Service, eine E-Mailbox, einen Fotoservice sowie in umfangreicher Sicherheitspaket mit Spam-Schutz. Dazu stehen den Nutzern AOL-eigene Hotspots sowie die des Roaming-Partners 802:wlan [Link entfernt] zur Verfügung, insgesamt über dreihundert. Zudem hat AOL einen Sicherheitsrat gegründet mit dem Ziel, den Missbrauch im Internet zu bekämpfen.

Dazu seien auch Mitglieder aus den Reihen der AOL-Kritiker rekrutiert worden, so Riepe. Dem Gremium, das Vorbild-Charakter für andere Unternehmen haben soll, gehören unter anderem der Direktor des Bredow-Institituts für Medienforschung Wolfgang Schulz und der Zeit-Herausgeber Michael Naumann an. Dennoch erntete der Provider für diesen Schritt, den manche als "Alleingang" kritisieren, nicht nur Lob aus der Branche.

Führungswechsel bei Deutschland-Ableger

Im Bereich des Internet-Telefonie-Angebots liegt der Anbieter bei der Zahl der Kunden nach Angaben des Pressesprechers 100 Prozent über Plan, genaue Zahlen will er aber nicht verraten. Anfängliche Schwierigkeiten bei Neuschaltungen, weil die Plattform zunächst mit den vielen Neukunden nicht zurecht kam, sollen inzwischen ausgeräumt sein. Auch hier braucht sich der Anbieter bei der Ausstattung seines VoIP-Angebots hinter der Konkurrenz nicht zu verstecken, wie unser aktueller Vergleich zeigt.

Neue Adresse, neue Dienste und das Image als innovativer Anbieter im Breitbandbereich - die Liste der Neuerungen ist damit nicht abgeschlossen. Demnächst wird AOL Deutschland-Chef Stan Laurent in die Europazentrale von AOL wechseln, sein Nachfolger wird zum Jahresende der derzeitige Global Director Technology Development von Vodafone, Charles Fränkl, werden.