Editorial: Bye bye Sekundentakt

Die Nachricht kam plötzlich und überraschend: 3U schafft den Sekundentakt ab. Damit verbleibt nur ein Anbieter im offenen Call by Call, der nur die tatsächlich vertelefonierte Zeit abrechnet, nämlich 01063. Alle anderen runden die Gesprächszeit auf volle Minuten auf, oder gar ein Vielfaches davon.

Man stelle sich vor, im Werbeprospekt des lokalen Supermarktes steht: "1 kg Schweinehack 2,99 €". Geht man in den Laden, und lässt sich ein halbes Kilogramm abwiegen, dann erwartet man, dass dieses 1,50 € kostet. Würde der Metzger trotzdem 2,99 € draufschreiben und argumentieren, dass Fleisch nur in "Kilo-Einheiten" verkauft wird, der Ärger aller Kunden wäre ihm sicher.

Gut, faktisch ist der Metzger in den meisten Supermärkten zwischenzeitlich wegrationalisiert worden, und man bekommt Fleisch nur noch abgepackt. Der Versuch, 300 Gramm Gehacktes zu erwerben, dürfte damit enden, dass man eine Packung mit 500 Gramm kauft. Doch hat der Kunde dann immerhin die Möglichkeit, 300 Gramm für das gewünschte Gericht zu entnehmen, und die verbleibenden 200 Gramm im (Tief)kühlschrank aufzuheben, bis auch diese benötigt werden. Unbenutzte halbe Gesprächsminuten am Gesprächsende hebt hingegen kein Telefonkonzern zu Gunsten des Kunden auf - nicht einmal dann, wenn er gleich nochmal dieselbe Nummer wählt.

Nun ist es bei Festnetzverbindungen angesichts des inzwischen erreichten niedrigen Preisniveaus zu verschmerzen, dass am Ende des Telefonats in der Regel eine halbe Minute zu viel bezahlt wird. Das entspricht etwa einem Cent. Anders bei Telefonaten zum Handy, wo dank höherem Minutenpreis auch der "Verschnitt" entsprechend mehr kostet. Besonders krass wird das Verhältnis aus abgerechneter und tatsächlich genutzter Leistung, wenn die Mailbox rangeht und man gleich wieder auflegt. Für 3 bis 6 real genutzte Sekunden zahlt man dann 60 - ein Faktor 10 bis 20 zugunsten des Anbieters!

Was den Kunden bleibt, ist die Nutzung der Marktkräfte von Angebot und Nachfrage. Nach 3Us Umstellung auf den Minutentakt sind die 22,4 Cent für Verbindungen zum Handy gänzlich uninteressant - andere berechnen nur knapp mehr als die Hälfte dieses Preises. Wenn nun genügend Kunden andere Anbieter wählen, überlegt sich 3U die Umstellung vielleicht nochmal.