vergünstigt

Editorial: Wackelt das Roaming-Kartell?

Erste echte Alternativen für Kunden
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Lange ist es her, da waren Fernreisen ein Privileg für Begüterte. Während Goethe bis nach Italien kam, betrug der maximale Aktionsradius seiner Zeitgenossen einen halben Tagesmarsch bzw. -ritt: Schließlich wollte man bei Einbruch der Dunkelheit wieder zu Hause sein. Dank Auto, Bahn, Bus und Flugzeug sowie Hotels am Zielort sind wir heute um ein Vielfaches mobiler. Wer bezüglich Reisezeit und/oder Zielort flexibel ist, kann im Reisebüro seiner Wahl oder zunehmend auch im Internet echte Reiseschnäppchen ergattern. Schließlich bringt ein verramschter Sitzplatz im Flugzeug immer noch mehr Umsatz als ein leerer.

Die Nachricht, dass nicht nur Krösus auf Reisen geht, ist aber bei den Mobilfunk-Netzbetreibern noch nicht angekommen. Schaltet man am Zielort das Handy ein und nutzt es auch noch ausgiebig, kann das schnell teurer werden als die eigentlichen Reisekosten wie Anfahrt, Hotel und Verpflegung vor Ort. So bietet l'tur 14 Tage in Alanya (Flughafen Antalya, Türkei) "all inclusive" ab 332 Euro pro Person. Telefoniert man, dort angekommen, täglich (also auch am An- und Abreisetag) 15 Minuten mit seinen Lieben zu Hause, kostet das mit einer Vertragskarte bis zu 420,75 Euro. Zuhause kosten Telefonate dieser Dauer bei vielen Verträgen (mobile Flatrate, Discounter, mobile City-Option, Heimatbereich etc.) nicht einmal ein Zehntel dieses Betrags!

Endlich günstiger

Insofern ist es ein echter Lichtblick, dass mit sunsim nun der erste Roaming-Discounter in Deutschland startet. Die 15 mal 15 Minuten aus der Türkei kosten mit diesem Anbieter 90,60 bis 153,00 Euro, je nachdem, ob man Fest- oder Mobilnetze anruft, und auf wie viele verschiedene Telefonate sich die täglichen 15 Minuten verteilen. Das ist zwar weiterhin nicht wirklich billig, im Vergleich zu den gut 400 Euro für normales Roaming dennoch eine dicke Ersparnis.

Zwar gibt es schon seit einiger Zeit günstige Roaming-SIMs von ausländischen Anbietern. Von denen bekommt man aber auch eine "ausländische" Nummer zugeteilt, und damit sind Anrufe von den meisten deutschen Handys zu den bisherigen Roaming-SIMs sehr teuer. Zudem sind die Rufnummerngassen mancher Roaming-Discounter aufgrund im Branchenvergleich ungewöhnlich hoher IC-Entgelte für eingehende Gespräche nur schlecht erreichbar.

Sunsim vermeidet beide Nachteile. Insbesondere geht der Anbieter den vernünftigen Weg, nur normale Terminierungsentgelte für Anrufe von außen zu berechnen. Dadurch sollten die Sunsim-Rufnummern, die über den im E-Plus-Netz operierenden virtuellen Netzbetreiber vistream geschaltet sind, gut erreichbar sein. Im Gegenzug ist die Gesprächsannahme im Ausland nicht komplett kostenlos; in vielen Ländern werden aber lediglich sehr faire 9 Cent pro Minute berechnet.

Leider nur mit Umweg

Nachteil des Angebots von Sunsim ist, dass die günstigen Tarife nur per Callback-Verfahren erreichbar sind. Der Verbindungsaufbau ist damit deutlich langsamer als bei der üblichen direkten Wahl. Auch nimmt die Zahl der vergeblichen Verbindungsversuche zu, etwa, wenn der Rückruf nicht wie erwartet kommt.

Auch ist der Mindest-Minutenpreis von sunsim mit 39 Cent (ins Festnetz) bzw. 49 Cent (in Mobilnetze) zu hoch angesetzt. Nationale Gespräche von Handy zu Handy kosten bei den Inlands-Discountern weniger als ein Drittel. Telefonate vom Handy im Inland ins Ausland gibt es bei blauworld ebenfalls für ein Bruchteil dessen, was Sunsim verrechnet.

Am Schluss braucht der vielreisende Geschäftsmann drei bis fünf SIMs: Eine für günstige nationale Telefonate, eine für günstige Gepräche ins Ausland und eine für bezahlbares Roaming. SIM Nummer vier und fünf dienen gegebenenfalls für bezahlbare Datenzugänge im In- und Ausland. Kein Wunder, dass es inzwischen mehr Mobilfunkverträge als Einwohner gibt.

Druck auf andere Marktteilnehmer

Es bleibt abzuwarten, ob das Angebot von Sunsim auch einwandfrei funktioniert. Gute Werte "auf dem Papier" nutzen dem Kunden wenig, wenn die SIMs sich nicht richtig einbuchen oder Gesprächsverbindungen abreißen. Ebenso ist natürlich zu hoffen, dass bald weitere Anbieter folgen. Gibt es hier genügend attraktive Angebote, sind am Schluss die Netzbetreiber gezwungen, auch ihre normalen Roaming-Tarife anzupassen.