Analyse

Breitband-Internet: Mehr Wettbewerb bringt mehr Wachstum

Studie: Trennung der Kabelnetzebenen ist Hindernis für Breitbandaufschwung
Von Marie-Anne Winter

Breitband bringt Wachstum - und Wettbewerb unter den Breitband-Anbietern bringt noch mehr Wachstum. Eine weitere Studie bestätigt nun diesen Zusammenhang, der nicht nur die Telekommunikationsbranche, sondern die Wirtschaft in Deuschland insgesamt voranbringnen soll. Nach einer Analyse von WIK-Consult könnte der Breitbandwettbewerb bis 2010 ein zusätzliches Potenzial von 46 Milliarden Euro und bis zu 265 000 Arbeitsplätze in Deutschland schaffen.

Allerdings zahle Deutschland einen hohen volkswirtschaftlichen Preis für die Dominanz von DSL bei der Breitbandversorgung. Laut der vom Deutschen Kabelverband in Auftrag gegebenen Studie ist eine der Hauptursachen für den Rückstand Deutschlands bei Breitband-Internetzugängen der im Vergleich zu anderen Industrienationen kaum ausgeprägte Wettbewerb zwischen DSL- und Kabelnetzbetreibern. Während in den USA, Benelux und anderen EU-Staaten der starke Infrastruktur-Wettbewerb zwischen Kabel- und DSL-Betreibern zu einer hohen Marktdurchdringung von Breitband-Zugängen geführt hat, herrsche in Deutschland de fakto ein DSL-Monopol, das die Marktentwicklung lähme. Die Studie weist auf eine Reihe von Nachteilen hin, die sich für den Standort Deutschland aus solch einer Entwicklung ergeben und insbesondere auch auf eine vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) in Auftrag gegebene Untersuchung.

Zersplitterung der Netzebenen

Das Kabel habe durch den schleppenden Verkauf der Netze durch die Deutsche Telekom, die nachfolgende Restrukturierung der Unternehmen und das Ende des Internet-Börsenbooms lange gebraucht, um sich für den Wettbewerb im Breitbandmarkt aufzustellen. Den nach wie vor fehlenden umfassenden Wettbewerb führen die Forscher von WIK-Consult aber auf die Zersplitterung der deutschen Kabelnetze zurück: Durch die weltweit einmalige Aufteilung des deutschen Kabels auf Betreiber von Hausverteilnetzen ("Netzebene 4") und überregionalen Zuführungsnetzen ("Netzebene 3") in den 80er Jahren fehlt den großen Kabelunternehmen der Netzebene 3 heute vielfach der direkte Zugang zum Kunden. Investitionen in Breitband-Internetangebote enden somit oft ungenutzt vor der Haustür des Verbrauchers.

Die Fragmentierung des Kabels führt zudem zu unwirtschaftlich kleinen Einheiten mit hohen Betriebskosten; neue Dienste und Angebote müssen mit einer Vielzahl von Beteiligten verhandelt und koordiniert werden. Breitband in Deutschland wird sich nicht optimal entwickeln, so lange Kabelnetzbetreiber mit ihren Aktivitäten nicht alle Kunden erreichen können, so die Autoren der WIK-Studie, die ihre Thesen mit Fallstudien und internationalen Vergleichen untermauern. So kommentiert J. Scott Marcus, US-Telekommunikationsexperte und Senior Consultant bei WIK-Consult: "Bei genauer Betrachtung des Deutschen Marktes war es selbst für mich sehr überraschend, welche Chancen hier nicht genutzt werden."

So hätte das TV-Kabel bereits Ende 2004 ein echter Wettbewerber für DSL sein können. WIK-Consult hat ermittelt, dass bei Marktstrukturen wie in den Niederlanden oder Österreich etwa 3 Millionen deutsche Verbraucher Breitband-Internet über das Fernsehkabel genutzt hätten. Tatsächlich waren es nur 120 000. Diese Entwicklung wäre auch nicht zwangsläufig zu Lasten der DSL-Anschlüsse gegangen. Die Untersuchung kommt vielmehr zu dem Ergebnis, dass die Gesamtzahl aller Breitbandanschlüsse als Reaktion auf verschärften Wettbewerb zwischen Kabel-Internet und DSL angestiegen wäre.

Kabelbranche braucht mehr Gestaltungsspielraum

Als Handlungsempfehlung kommt die WIK-Studie zu dem Ergebnis, dass die Kabelbranche mehr Gestaltungsspielraum braucht, um sich selbstständig zu effizienteren Strukturen umzuorganisieren. Viele Netzbetreiber hätten einen Anreiz zur Konsolidierung im Sinne einer Effizienzsteigerung, Kostenreduzierung, Ausschöpfung von Größenvorteilen und der Internalisierung der Erträge aus Investitionen.

Rüttger Keienburg, Präsident des Deutschen Kabelverbands, kommentiert: "Die Studie von WIK-Consult zeigt, dass eine zukunftsgerichtete Wettbewerbspolitik in Deutschland stärker die sich rasch veränderten Marktrealitäten berücksichtigen muss. Die Konvergenzentwicklung schafft neue Angebotsformen wie IPTV, Voice-over-IP und Triple Play und verändert fundamental und unwiderruflich den Markt für elektronische Kommunikation. Auf diesem konvergenten Markt ist es dringend erforderlich, dass die Kabelnetze sich zu einem leistungsfähigen Wettbewerber zur Deutschen Telekom entwickeln können. Um gegenüber diesem bundesweit aktiven Marktführer mit enorm hohen Umsätzen konkurrieren zu können, brauchen die Kabelnetzbetreiber mehr Freiheit, sich effizient zu organisieren und zu restrukturieren. Nur der Wettbewerb der Infrastrukturen Kabel und DSL führt zu günstigeren Preisen, besseren Angeboten und somit zum dringend erforderlichen Breitbandaufschwung in Deutschland."