Pulverfass

Patent-Streit um Open-Source-Software

235 Microsoft-Patente sollen durch Open Source verletzt werden
Von Christian Horn

Microsoft versucht schon seit längerem, Nutzer vom Gebrauch von Open-Source-Produkten abzuschrecken. Ein Argument, das hierbei immer wieder auftaucht, ist der Vorwurf, Open Source verletzte Software-Patente und bringe damit eine mögliche Rechtsunsicherheit für die Nutzer solcher Produkte mit sich. Microsoft-Produkte dagegen würden umfassende Rechtssicherheit bieten und so mögliche Geschäftsrisiken vermeiden.

Nun hat der Software-Hersteller die Patent-Frage mit konkreten Zahlen erneut auf den Tisch gebracht. In einem Interview mit dem US-Magazin Fortune erklärten Microsoft-Jurist Brad Smith und Lizenz-Chef Horacio Gutierrez, Open-Source-Produkte würden 235 Microsoft-Patente verletzen. So soll der Linux-Kernel 42 Microsoft-Patente verletzen, bei Nutzer-Interfaces und anderen Design-Elementen seien es 65 Patent-Verletzungen. OpenOffice soll für weitere 45 Patent-Verletzungen verantwortlich sein und in verschiedenen anderen Open-Source-Produkten seien 83 weitere Patent-Verletzungen enthalten.

Noch keine konkreten rechtlichen Schritte angekündigt

Microsoft hat noch keine konkreten rechtlichen Schritte angekündigt, um seine potenziellen Rechtsansprüche durchzusetzen. Es wird deshalb spekuliert, was wohl der Hintergrund der neuerlichen Drohgebärde der Redmonder ist und welche Strategie das Unternehmen hinsichtlich der Open-Source-Patentrechtsfragen verfolgt. So wird unter anderem gemutmaßt, Microsoft wolle den Druck auf Linux-Distributoren erhöhen, Lizenz-Abkommen mit Microsoft einzugehen. Im vergangenen November hatte Novell ein entsprechendes Lizenz-Abkommen mit Microsoft geschlossen, andere Linux-Distributoren wie Red Hat waren jedoch nicht gefolgt. Zudem wird vermutet, Microsoft wolle seine Office-Produktfamilie schützen, die durch kostenfreie oder kostengünstige Alternativen wie OpenOffice oder Web-basierte Online-Office-Lösungen, beispielsweise von Google oder 1&1, bedroht wird.

Fortune erklärt jedoch, die Open-Source-Bewegung habe auch machtvolle Unterstützer, wie IBM, Sony oder Red Hat, die ihrerseits über einen umfangreichen Pool von Patenten verfügten. Würde also Microsoft verschärft gegen Open Source vorgehen, könne damit gerechnet werden, das diese Unternehmen dann im Gegenzug Patent-Klagen gegen Microsoft anstrengen würden. Eine Art kalter Krieg, in dem nur die Furcht vor einer nicht endenden Welle von Klagen und Gegenklagen, einen labilen Frieden erhält. "Es ist wie ein Pulverfass. Wenn sich die kommerzielle Konfrontation verschärft, wird das Patentrecht das Terrain sein, auf dem ein großer Teil des Krieges ausgefochten wird. Hier irgendwo liegt das Waterloo", beschreibt Rechtsprofessor Eben Moglen die Situation.