Hintergrund

Datenschützer kritisieren die Datenkraken

Kürzere Speicherfristen der Suchmaschinen-Anbieter seien unzureichend
Von dpa / Björn Brodersen

Fahren die "Datenkraken" ihre Arme ein? In den vergangenen Tagen kündigten alle großen Suchmaschinenbetreiber an, den Datenschutz zu verbessern. Google, Yahoo! und Microsoft speichern Informationen über ihre Nutzer künftig kürzer - ganz verzichten wollen sie auf die wertvollen Informationen aber nicht. Datenschützer halten die Vorschläge für unzureichend und fordern anonyme Suchangebote.

Unbemerkt vom Nutzer protokollieren die Suchmaschinen jede Eingabe. Marktführer Google etwa, der in Deutschland mehr als 90 Prozent aller Anfragen bearbeitet, speichert auf seinen Servern Suchwörter, Uhrzeit und IP-Adresse jene Nummernfolge, die den Rechner jedes Internet-Surfers eindeutig identifiziert. Zudem legt die Suchmaschine auf dem Rechner des Nutzers Cookies ab. Diese Dateien speichern nicht nur das Profil etwa die Sprache -, sie sind auch der Schlüssel zu den Aufzeichnungen auf den Servern der Suchmaschinen.

Google speicherte diese Informationen lange Zeit unbefristet, was ihm den Vorwurf eintrug, eine "Datenkrake" zu sein. Erst nachdem EU-Datenschützer Bedenken äußerten, verringerten die Unternehmen die Aufbewahrungsfristen von Mitschnitten und Cookies. Nun wollen etwa Google und Microsoft die Daten nach 18 Monaten anonymisieren, indem sie die IP-Adressen löschen. Yahoo! will Anfragen 13 Monate speichern.

Datenschützer: Anvisierte Speicherfrist ist noch zu lang

Dennoch bleiben Datenschützer skeptisch. "Die Frist ist immer noch zu lang. Wer anonym surfen will, soll das auch tun können", sagt Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein. Die Aufzeichnungen der Suchmaschinen erlauben es etwa, detaillierte Profile zu erstellen Informationen über Beruf, Freizeit, Religion oder politische Gesinnung inklusive. Und selbst anonymisierte Daten reichen oft, um den Nutzer zurückzuverfolgen dank Suchanfragen zur Familie, dem Arbeitgeber oder Sportverein.

Die Sammelleidenschaft hat vor allem kommerzielle Gründe. "Wir nutzen die Daten in erster Linie, um die Qualität des Service zu verbessern", sagt Stefan Keuchel, Pressesprecher von Google Deutschland. Die Suche soll also präziser werden. "Man kann die gleiche Benutzerfreundlichkeit auch ohne persönliche Daten erreichen", sagt dagegen Hendrik Speck, Professor für Informatik an der FH Kaiserslautern.

Yahoo! und Microsoft nutzen die Profile aber auch, um Werbung an die Nutzerinteressen anzupassen. "Wer sich für Reisen interessiert, bekommt auch Reise-Werbung eingeblendet", sagt Yahoo!-Sprecherin Judith Sterl. Dies geschehe anonymisiert. Die Branche spricht vom "Behavioral Targeting" - die Reklame zielt direkt aufs Surfverhalten ab. Je treffsicherer die Einblendung, desto höher die Erlöse - für eine werbefinanzierte Branche ist das höchst attraktiv. "Ich gehe davon aus, dass alle Suchmaschinen das praktizieren", sagt Weichert.

Nachdenken über anonyme Suche

Die riesigen Datenpools könnten nicht nur kommerziellen Zwecken dienen auch der Staat könnte darin fischen. Hendrik Speck hat dabei vor allem die amerikanischen Strafverfolgungsbehörden im Blick: "Sämtliche Suchmaschinen in den USA müssen seit dem 'Patriot Act' über angefragte Personen Auskunft geben."

User können sich aber selbst schützen indem sie Cookies auf ihrem Computer manuell löschen oder Programme zur Anonymisierung nutzen. Dies passiere jedoch zu selten, bemängelt Speck: "Die Medienkompetenz der Nutzer hinkt hinter dem Bedrohungspotenzial hinterher." Immerhin ist der Markt für Suchmaschinen jetzt in Bewegung geraten: Der US-Anbieter Ask.com will seinen Nutzern "im Laufe des Jahres" eine anonyme Suche anbieten, und auch Microsoft denkt über ein solches Angebot nach.