abgewiesen

Bundesgerichtshof stärkt Meinungsfreiheit auf Internet-Foren

Schüler-Portal "spickmich.de" darf Lehrer im Internet benoten
Von AFP / ddp / Marie-Anne Winter

Schüler dürfen ihren Lehrern weiterhin im Internetforum spickmich.de Noten erteilen. Der Bundesgerichtshof (BGH) wies die Revision einer Lehrerin ab, die ihr Persönlichkeitsrecht durch die Schülernoten verletzt sah. Das Recht der Schüler auf Meinungsaustausch und freie Kommunikation überwiege das Recht der Pädagogin auf informationelle Selbstbestimmung, befanden die Bundesrichter. Die Vorsitzende Richterin Gerda Müller sprach allerdings von einer Einzelfallentscheidung, die nicht grundsätzlich auf Bewertungsportale im Internet übertragbar sei.

Der VI. Zivilsenat des BGH entschied, die Bewertungen auf "spickmich.de" stellten "Meinungsäußerungen" dar, welche die berufliche Tätigkeit der Klägerin beträfen. In solchen Fällen habe der Einzelne grundsätzlich nicht den gleichen Schutz wie etwa bei einem Eingriff in die Privatsphäre. Die von den Schülern abgegebenen Bewertungen seien "weder schmähend noch der Form nach beleidigend".

Auf "spickmich.de" können Schüler ihren Lehrern Noten von Eins bis Sechs in verschiedenen Kategorien geben. Die Bewertungen erfolgen in Kriterien wie "cool und witzig", "beliebt", "motiviert", "menschlich", "gelassen" und "guter Unterricht". Aus dem Durchschnitt der von registrierten Schülern anonym abgegebenen Bewertungen wird dann eine Gesamtbewertung errechnet.

Die klagende Pädagogin aus Nordrhein-Westfalen hatte für das Unterrichtsfach Deutsch eine Gesamtnote von 4,3 erhalten. Sie hatte bereits in den Vorinstanzen vergeblich geltend gemacht, die Veröffentlichung ihres Namens und ihrer Unterrichtsfächer in dem Schülerportal sei ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz und verletze ihr Persönlichkeitsrecht.

Auch der BGH erachtete "unter den Umständen des Streitfalls" die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten trotz fehlender Einwilligung der Lehrerin für zulässig. So habe die Klägerin konkrete Beeinträchtigungen nicht geltend gemacht. Die Bewertungen seien auch nicht unzulässig, weil sie anonym abgegeben werden: Das Recht auf Meinungsfreiheit sei nicht an die Zuordnung der Äußerung an ein bestimmtes Individuum gebunden. Die Meinungsfreiheit umfasse grundsätzlich das Recht, das Verbreitungsmedium frei zu bestimmen.

Kritik vom Deutschen Lehrerverband

Der Deutsche Lehrerverband (DL) kritisierte das Urteil. "Es ist nicht nachvollziehbar, dass der BGH die Persönlichkeitsrechte von Lehrern einer aus der Anonymität heraus praktizierten Internet-Beurteilung von Lehrern durch Schüler unterordnet", erklärte DL-Präsident Josef Kraus in Bonn.

Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert hat nach dem "Spick mich"-Urteil des Bundesgerichtshofes gesetzliche Regelungen für andere Bewertungsportale im Internet gefordert. "Der Wildwuchs ist wahnsinnig groß", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. "Bewertungsportale gibt es wahnsinnig viele. Und viele von diesen Bewertungsportalen bewegen sich außerhalb des rechtlich Zulässigen."

Die gesetzlichen Regelungen, die es zum Datenschutz im Internet gebe, seien völlig unzureichend. Diese müssen überarbeitet werden. Zwar sollte der Staat nicht Seiten sperren, müsse aber Kriterien festlegen für die Abwägung von Persönlichkeitsschutz und Informationsfreiheit. "Dazu gehören hinreichende Transparenz, ein Widerspruchsrecht und ein Gegendarstellungsanspruch". Es gebe eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen, die zum Persönlichkeitsschutz möglich sind, ohne dass das Grundgesetz beeinträchtigt würde.