Benutzer Müller2 schrieb:
Wissen Sie, mir ist natürlich klar, daß der Versuch, einen orthodoxen Gläubigen durch Sachargumente in seinem Glauben zu erschüttern von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.
Sie haben recht. Es gehört eine ganze Menge Orthodoxie dazu, den
Kapitalismus in seiner aktuellen Ausprägung weiter zu verteidigen.
Dennoch würde mich ein Punkt noch interessieren. Wenn ich Ihre bisherigen Äußerungen richtig interpretiere, scheinen Sie mit mir ja durchaus in der Beurteilung übereinzustimmen, daß sich die zahlreichen Versuche in der Vergangenheit, die Menschheit durch die Errichtung sozialistischer Systeme zu beglücken, durchweg durch eine - um es freundlich auszudrücken - suboptimale "performance" auszeichneten.
Sofern man nicht außer Acht lässt, dass man die Verpackung so nannte,
ein Blick auf das theoretische Konzept aber sehr leicht erkennen
ließ, dass auch in dieser Verpackung nicht das Versprochene drin
war.
Daher stellt sich mir nun die Frage, was - außer Ihrem sehnlichen Wunsch, daß dem so sein möge - Sie zu der Ansicht verleitet, der 101., der 102. oder der 200. Anlauf könne plötzlich in etwas anderem enden, als wiederum in einem mehr oder weniger katastrophalen und blutigen Desaster.
Nun, ich kann mir einen Gysi schwerlich in der Rolle eines Lenin
oder Stalin vorstellen, wie der die Leute zu bewaffneter Revolution anstachelt oder sich wie einen Gott feiern lässt.
Ebenso hat er wenig von einem kleinen Oberlippenbärtigen, vor dem
bereits (echte) Kommunisten gewarnt haben, als viele meinten, der
wolle bloß spielen und das würde schon alles nicht so schlimm.
Dessen Schlägerbanden haben die Richtung doch klar angezeigt.
Natürlich haben Sie in letzter Konsequenz recht, dass keine Zukunft
vorhersagbar ist. Allerdings ist m.M. die aktuelle Situation so
untragbar geworden, dass ich langsam auf dem Standpunkt stehe,
JEDE Veränderung, die demokratisch motiviert ist, kann nur eine
Verbesserung darstellen. Und auch ohne fertiges Gesellschaftskonzept
mit Glücksgarantie in der Tasche.
Um den Ausgangspunkt aufzugreifen: Es gibt wenige Orthodoxe, die
bestreiten würden, dass unser aktuell entfesseltes System geradewegs
in den Untergang führt - sowohl ökonomisch als auch ökologisch.
Der Unterschied besteht nur darin, ob man eine Reformierbarkeit
glaubt oder nicht.
Sollte all dies nicht der Fall sein, was zum Henker könnte bei einer neuen Runde im endlosen Hamsterrad der vermeintlichen "Weltrevolution" denn plötzlich anders laufen, als in den zahllosen Runden davor?
Was hätten Sie einem französischen Bauern am Vorabend der Französischen Revolution geantwortet, was Kaiser Justinian, als das
Römische Reich in den letzten Zügen lag?
Aber Hamsterrad war ein gutes Stichwort. Haben wir denn nun nicht
genug Runden gedreht, um wenigstens im Rahmen der Reformversuche
mal was anderes zu wagen? Was anderes bringt Ungewissheit, das
Hamsterrad ein Weiter so wie bisher. Und der Deutsche hat bekanntlich
unheimliche Angst vor Veränderungen. Da wählt er lieber das Persil,
das er kennt, auch wenn er damit überhaupt nicht mehr zufrieden ist.
Albert Einstein wird das Zitat zugeschrieben, die Definition von Wahnsinn sei, "immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten." Was soll man noch mehr dazu sagen?
Klasse! Der Satz hätte von mir sein können. Nicht wahr, Sie merken gar nicht mal, wie der wie die Faust aufs Auge passt!