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Die Gretchenfrage: Privat oder Staat?


12.03.2018 16:51 - Gestartet von janoschka
Erstaunlich ist doch, dass nach Stuttgart21, Elbphilharmonie oder BER alle Welt gegen staatliche Engagements ist. Beim Netzausbau hingegen wird es schon fast als Allheilmittel gepriesen, wenn der Staat möglichst präsent ist: Förderungen aus Frequenzversteigerungen umverteilen, Zuschüsse durch Betreibermodelle oder Lückenschließungsmodelle gewähren, die Technologieneutralität aufgeben und staatlich das Übertragungsmedium diktieren usw. Und das alles ist ja alternativlos, weil das Geschäft für die Privaten so unrentabel ist.

Unter diesen Vorzeichen ist für mich hausgemacht, dass kein Unternehmen ohne weiteres eigenes Geld in die Hand nehmen wird und investiert, wie es in einem (von mir aus auch reguliertem) Wettbewerb sein sollte. Und das Produkt aus allem ist dann die jetzige Situation, die weder Fisch noch Fleisch ist: Der Private baut nur aus, wenn er entweder direkt vom Staat bezuschusst wird oder aber das "Regulierungsumfeld" stimmt. Letzteres fordert dann z.B. ein Ende der physikalischen Entbündeldung im Anschlussnetz, einen Vectoring-Nachbereichsausbau nur bei überwiegenden und nicht-fragmentierten Ausbaubereichen, Glasfaser- und Kabelnetze sollen natürlich nicht reguliert werden, Kartellverbote gelten nicht mehr bei Kooperationsvereinbarungen usw. Und das alles, weil ja in 2025 angeblich flächendeckend symmetrisch 1.000Mbit/s gefragt sein werden, es für Deutschland ein Armutszeugnis ist, wenn es im FTTH-Council hinter Rumänien steht und schon bald irgendwo Wahlkampf ansteht, in dem die sogenannte "Digitalisierung" eine Rolle spielt.

M.E. ist die Zeit gekommen, dass die Politik die Gretchenfrage über die Zukunft der TK-Wirtschaft stellt. Kommt sie zu dem Ergebnis, dass ein Glasfaseranschluss für jedermann so elementar für die Gesellschaft ist, dass man hier keinerlei Abstriche zulässt, dann sollte sie mit Brüssel darüber verhandeln, wie wir wieder zum staatlichen Monopol zurückkehren. Die 20 Jahre Liberalisierung waren dann geschenkt, aber anders kommen wir ja nicht an die zukunftssichere Infrastruktur, von der das Wohl der Nation abhängt.

Wird die Frage aber verneint, sollte man die Rolle des Staates definieren. Das geht nur durch eine Gegenüberstellung von angebotenen und in Anspruch genommenen Bandbreiten. Daraus ließen sich dann Parameter für eine Definition des "Marktversagens" entwickeln. Denn der Knackpunkt scheint doch zu sein, dass heute ganz unterschiedliche Vorstellungen herrschen: Der anwendungsaffine Nutzer kann schon heute über die ("bis zu") 250 Mbit/s über Super-Vectoring nur lachen, während ein anderer zufrieden mit seinen 20 Mbit/s auf youtube oder Netflix unterwegs ist. Diese Definition muss man turnusmäßig prüfen und heraufsetzen, wenn sich Killer-Apps massenmarktfähig durchsetzen. Bis dahin aber hätte man zumindest mal einen Korridor festgelegt, in dem das kleine Einmaleins von Angebot und Nachfrage gilt, bei dem der Staat außen vor bleibt.