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Telco-Propaganda


18.06.2018 09:59 - Gestartet von gs33Z5JOQRCtwMfPGcp2
Eigentlich gewinnen dadurch alle: Die Netzbetreiber können so ihre Restkapazitäten besser nutzen und die Kunden können - wann immer es die Kapazität in einer Zelle gestattet - kostenlos Video schauen, ohne sich Sorgen um ihr Datenvolumen machen zu müssen.

Ernsthaft? Sie durchschauen wirklich überhaupt nicht das Spiel der Telcos, sondern verbreiten hier unreflektiert die Propaganda der Unternehmen?

Der ganze rhetorische Kniff der Telcos ist doch, dass sie eine durchaus nützliche und von Kunden geschätzte Leistung in Form einer Netzneutralitätsverletzung anbieten, um so die positive Reaktion des Publikums auf diese Leistung als positive Reaktion auf die Netzneutralitätsverletzung repräsentieren und so ihre Kunden als Argumentationshebel gegen die Interessen eben dieser Kunden missbrauchen zu können.

Die Propagandalüge an all dem ist die einfach untergeschobene Annahme, diese Leistung wäre nur in Form einer Netzneutralitätsverletzung möglich - was natürlich vollkommener Bullshit ist: Technisch hindert die Telcos nichts daran, genau die gleiche Leistung ohne Netzneutralitätsverletzung bereitzustellen.

Wenn ein Telco seinen Kunden anbieten möchte, Restkapazitäten im Netz ohne Anrechnung auf ein andernfalls beschränktes Datenvolumen, aber halt ohne Bandbreitenzusagen, zu nutzen, dann ist es dazu offensichtlich vollkommen unnötig, dies auf Video- oder Audiostreaming zu beschränken. Umso mehr ist es unnötig, von den Streaming-Quellen bestimmte Übertragungsverfahren oder Encodings zu verlangen. Oder Verträge mit Vertragsstrafen mit den Streaming-Quellen abzuschließen, falls sie andere als die vorgesehenen Inhalte über das Zero-Rating übertragen. Wenn das das ehrliche Ziel des Telcos wäre, dann würde er einfach eine API öffentlich bereitstellen und dokumentieren, über die jeder z.B. dem Telekom-Netz mitteilen kann, von welchen IP-Adressen stammender Traffic als niedrige Priorität mit Zero-Rating transportiert werden soll (bei Kunden, die diese Option eingeschaltet haben).

Die Behandlung verschiedener Datenströme mit verschiedenen Prioritäten im Netz ist ja nicht die Netzneutralitätsverletzung, sondern die Unterscheidung nach Inhalten und Quellen. Das Problem ist nicht, dass der Telco mir anbietet, bestimmte Daten nach meinen Wünschen mit niedrigerer Priorität oder geringerer Bandbreite zu einem günstigeren Preis zu übertragen, sondern dass der Telco Vorgaben dazu macht, welche Inhalte und welche technischen Implementierungen in den Genuss dieser günstigeren Preise kommen. Das Problem ist, dass ich eben nicht mit meinem eigenen Streaming-Server, der bei mit zu Hause steht, und mit dem ich mich unterwegs mit Musik versorge, von dem Zero-Rating profitieren kann. Dass ich, wenn ich solch einen Streaming-Server als Produkt auf den Markt bringen wollte, das Leute sich zu Hause hinstellen können, nicht von dem Zero-Rating profitieren könnte. Dass ich mit einer neuen, innovativen Form von Augmented-Reality Streaming, die neue, innovative Protokolle verwendet, nicht von dem Zero-Rating profitieren könnte.

Die Verknüpfung der für den Kunden nützlichen Leistung mit einer Netzneutralitätsverletzung ist rein willkürlich und dient lediglich dazu, Stimmung gegen Netzneutralität zu machen, indem man die BNetzA als die Bösen hinstellt, die den Telcos vermeintlich die von den Kunden geschätzte Leistung verbietet/unmöglich macht, was aber ja mitnichten der Fall ist: Es wäre trivial möglich, Kunden den gleichen Nutzen ohne Netzneutralitätsverletzung anzubieten, und nur dann wäre es tatsächlich im Interesse der Kunden, da die aktuellen Angebote ja den Schönheitsfehler haben, dass sie hintenrum dem Kunden durch die Behinderung des Marktes das vermeintlich gesparte Geld wieder aus der Tasche ziehen: Von dem günstigen Zero-Rating kann ich ja nur profitieren, wenn ich z.B. spotify Geld in den Rachen werfe, statt meinen eigenen Streaming-Server praktisch kostenfrei (die Hardware läuft aus anderen Gründen sowieso) zu nutzen.

Noch direkter liegt dem ganzen natürlich die Lüge zugrunde, dass ein extrem hoher Preis von Datenverkehr in Mobilfunknetzen irgendwie ein Naturgesetz ist, und die Telcos daher die Helden sind, die den Kunden vor den unvermeidlichen Folgen dieser hohen Preise retten. Tatsächlich ist das Problem, vor dem die Telcos ihre Kunden hier so heldenhaft retten, aber natürlich ein künstliches Problem, das die Telcos im wesentlichen selber erschaffen, und das sie natürlich im Grunde selber als Lüge entlarven: Statt 5 GB für 50 EUR anzubieten und dann heldenhaft den Kunden davor zu retten, dass er nun für seine 30 GB Datenverkehr 300 EUR bezahlen muss, indem man bestimmte Inhalte von bestimmten Anbietern durch Zero-Rating kostenfrei macht, könnte man natürlich auch ehrlich sein und 1 GB für 0,50 EUR anbieten. Offensichtlich schenkt der Telco hier niemandem Traffic im Wert von 250 EUR, sondern der Telco betreibt Infrastruktur, auf der der Transport 0,20 EUR pro GB kostet, und er hat durch Marktforschung ermittelt, dass ein wesentliches Kundensegment bereit ist, für einen Bandbreitenbedarf von 30 GB im Monat 50 EUR zu bezahlen. Und weil man gerne Netzneutrallität untergraben möchte, gestaltet man dann den Tarif für dieses Marktsegment so, dass auf dem Papier 1 GB 10 EUR kostet, um ein Problem zu haben, vor dem man den Kunden mittels einer Lösung retten kann, die die eigene Machtposition stärkt.

deren Verletzung durch Zero Rating aber nicht wirklich beweisen zu können.

Ähh, whut?

Soll das jetzt ein Ausdruck der Inkompetenz der BNetzA sein? Wieviel deutlicher könnte eine Verletzung der Netzneutralität denn noch sein?