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Ich kann das Fazit nicht nachvollziehen, ftth Ausbau ist fast tot.


27.02.2023 09:19 - Gestartet von mihim
4x geändert, zuletzt am 27.02.2023 09:36
Gerade wirtschaftswissenschaftlich betrachtet erstaunt die komplette Ausklammerung der Makrotrends. Die Niedrigzinsphase ist vorbei und kommt auch nicht zurück. Bei realen Negativzinsen "lohnt" sich finanzmathematisch fast alles, insbesondere die Anlagevorschriften z. B. für Pensionsfonds bedingten einen Drall zu Immobilien oder auch Investitionen in Infrastruktur. Da diese in Deutschland vergleichsweise wenig privatisiert ist, anders als in anderen Ländern, blieb da nicht soviel anderes übrig als ftth.

Dementsprechend stehen hinter eigenwirtschaftlichen Ausbauern stets große Investmentfonds. Das ist kein komischer Zufall, sondern folgerichtig.

Zugleich hatten wir in den 20 Jahren nach der Jahrtausendwende einen Arbeitskräfteüberhang in Europa, die erheblichen Lohnkosten für Tiefbauarbeiten konnten so niedrig gehalten werden. Die Demografie dreht sich gerade um, das haben nur noch nicht alle realisiert weil die Verwerfungen am Arbeitsmarkt derzeit noch gerne auf die Pandemie geschoben werden. Das ist zeitlich aber lediglich ein zufälliges Zusammentreffen.

Dazu kommen die extremen Fortschritte bei Alternativen. Mobilfunk oder das häufig vergessene Kabelinternet haben ihre Kapazitäten im Vergleich zu ftth erheblich gesteigert (Funkwellen breiten sich auch mit Lichtgeschwindigkeit aus). Ohne die Tiefbauarbeiten in jedem Haus. Selbst die Kapazitäten von Supervectoring reichen eigentlich "dauerhaft". Es sind keine Massenanwendungen auch nur im Entwicklungszustand die mehr als 31 Megabyte/Sekunde down bzw. 5 Megabyte/Sekunde up erfordern. Selbst die Killer-App Cloud Computing übersteigt diese Kapazität bei fast allen Privathaushalten nicht. Der Ressourcenhunger wächst einfach nicht mehr so schnell wie in den 00er Jahren (ähnlich bei Prozessoren und Endgeräten, die meisten Smartphones werden inzwischen wegen verschlissenem Akku ersetzt und ein 5 Jahre alter Laptop mit Intel Mehrkern CPU ist heute nicht unbedingt Elektroschrott, das hätte man Anno 2003 nicht über einen 5 Jahre alten Laptop gesagt).

Und dann ist die Nutzung schlicht komplett anders als in den 00er Jahren, in denen ftth als Nonplusultra galt. Damals hatte man brüllende PC Tower mit Ethernetkabel, Handy konnte nur Telefon und SMS, der Fernseher konnte nur Rundfunk.

Heute sitzt in Privathaushalten in der Freizeit zunehmend kaum noch jemand überhaupt an einem stationären PC, die meisten Menschen nutzen nur noch wireless Endgeräte (und Vielzahl davon) und sind auch eher genervt vom schlechten Netzausbau beim Mobilfunk und Beschränkungen beim Datenvolumen unterwegs als von der niedrigen Kapazität des Mobilfunks per se. Das hat schon mit LTE aufgehört. Anders als früher wechselt man heute vor allem aus tariflichen Gründen möglichst in ein heimisches WLAN. Mithin also ein Relikt.

Wohin die Reise langfristig geht sieht man in Märkten in denen Mobilfunktarife günstiger sind. So schrumpft in Finnland die Zahl der aktiven (!) Breitband-Festnetzanschlüsse in Haushalten. Inklusive ftth. Nicht wegen mangelnder Verfügbarkeit, sondern wegen mangelndem Interesse. Wer eh alles am Smartphone macht und Zuhause über den Hotspot Netflix am TV schaut oder Home-Office am Laptop, der braucht auch keine Landline mehr. Der nächste logische Schritt sind dann Endgeräte mit Mobilfunkmodem, statt WLAN Modul. Wenn unlimited Tarife und eSIM, quasi das neue WLAN Passwort, stärker verbreitet sind ist das aus Sicht der Endnutzer nur ein Vorteil. Sie nutzen ja eh alles wireless. Wozu dann noch einen Plasterouter hinstellen und Geräte ortsgebunden nutzen müssen.

Wenn man den Festnetzvertrag kündigt hat man auch mehr Geld monatlich zur Verfügung um einen unlimited Mobilfunkvertrag zu bezahlen. Der auch nicht mehr so heißen muss, "Mobilfunk" klingt nach preußischer Dampfmaschine. Die meisten Leute wollen gar nicht wissen welche Technologie dahinter steckt, sie wollen immer und überall online sein. Und das geht eigentlich besser ohne Festnetz und WLAN an/aus usw. Nahtlos.

Klar braucht es dazu Glasfaserausbau. Aber nicht in jede Wohnung, sondern zu möglichst vielen Basisstationen. Bis hin zum Konzept von Femtozellen, die in Frequenzen mit hoher Bandbreite und geringer Reichweite zB eine Straße oder einen Wohnblock bedienen. Sozusagen als riesiges WLAN. Aber als Teil eines großen Mobilfunknetzes, in dem das eigene Endgerät überall nahtlos genutzt werden kann.

DAS empfinden die meisten Menschen heutzutage als Utopie und erstrebenswert. Nicht die Nutzungswelt der 00er Jahre, nur mit ftth statt DSL. Ohne das Nutzungsverhalten mit PC Tower und Ethernetkabel ergibt das für die meisten Haushalte einfach keinen Sinn. Für 1% Poweruser baut niemand Infrastruktur auf. Entsprechend gering sind die uptake Raten, obwohl soviel Druck aufgebaut wird vor Ort (Bürgermeister-Briefe, Verkäufer, Nachbarn überreden einander, sogar Bürgerinitiativen lassen sich vor den Karren spannen, auffällig viele ältere ü50 die an die gute Sache dabei zu glauben scheinen).

Man merkt ja auch, dass die größte Beschwerde der Privatnutzer bezüglich connectivity heutzutage die ätzenden Mobilfunktarife sind, nicht die Festnetztarife, sowie die Verfügbarkeit von Mobilfunk in der Fläche in Deutschland. Das ist die Nummer 1 Klage für die meisten Menschen bezüglich eigener Bedürfnisse. Breitbandausbau gilt eher als abstraktes, gesellschaftliches Thema.

Anders ist das natürlich bei Gewerbe, aber diese anzubinden steht ja nicht im Widerspruch zu meinen Ausführungen. Das selbe Glasfasernetz, das nötig ist um ein nahtloses Mobilfunknetz aufzubauen, bis hin zu Femtozellen in jeder Straße, kann natürlich auch Gewerbe anbinden. Das dafür auch eine Gebühr zahlen kann die die Kosten deckt.

Sprich, Steuergeld in einen Infrastrukturausbau zu versenken den wir so nicht mehr brauchen, ftth in jede Bude, ist ein großer Fehler, denn wir können jeden Euro nur einmal ausgeben und bei Klimaschutz müsste viel mehr investiert werden. Ein smart meter in jedes Haus oder gratis Photovoltaik, Hauseigentümer müssen nur irgendwo anrufen oder ein Onlineformular ausfüllen und die Gemeinde installiert und bewirtschaftet Photovoltaik auf dem Dach, wofür der Eigentümer eine kleine monatliche Mietzahlung erhält, für sowas bräuchten wir das Geld, was im ftth Ausbau versenkt wird, viel dringender. Privatinvestoren ziehen ihre Gelder ja bereits zunehmend zurück, der Markt hat da einen besseren Riecher als die Politik.

Bezüglich Digitalisierung sollte der Staat auch erstmal die eigenen Hausaufgaben erledigen und die öffentliche Verwaltung digitalisieren. Das scheitert nicht an Breitband, sondern an allem anderen.
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[1] Tom6 antwortet auf mihim
27.02.2023 10:32
Sehr interessanter Beitrag. Der Verfasser wäre in der heutigen Politik völlig verloren. Er verzichtet auf Gendern und auf Phrasen wie "Wumms".
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[2] Pitt_g antwortet auf mihim
27.02.2023 11:57

einmal geändert am 27.02.2023 12:03
dass die Telekom was am Kochen hat ist mir die Tage in den Sinn gekommen als ich im Router Portfolio G.Fast als Anschlussart gefunden hatte

und prompt fand sich dies

https://www.golem.de/news/g-fast-telekom-will-trotz-ftth-ausbau-weiter-gigabit-ueber-kupfer-2210-169171.html

Im Endeffekt brauchen Sie real nur soviel FTTH bis der Glasbackbone für 5G quersubventioniert wurde...
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[2.1] Wechseler antwortet auf Pitt_g
27.02.2023 12:22
Benutzer Pitt_g schrieb:
Im Endeffekt brauchen Sie real nur soviel FTTH bis der Glasbackbone für 5G quersubventioniert wurde...

Darum geht's letztlich.
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[3] FTTH Ausbau ist fast tot. - Vollkommen korrekt!
Wechseler antwortet auf mihim
27.02.2023 12:21
Benutzer mihim schrieb:
Gerade wirtschaftswissenschaftlich betrachtet erstaunt die komplette Ausklammerung der Makrotrends. Die Niedrigzinsphase ist vorbei und kommt auch nicht zurück. Bei realen Negativzinsen "lohnt" sich finanzmathematisch fast alles, insbesondere die Anlagevorschriften z. B. für Pensionsfonds bedingten einen Drall zu Immobilien oder auch Investitionen in Infrastruktur. Da diese in Deutschland vergleichsweise wenig privatisiert ist, anders als in anderen Ländern, blieb da nicht soviel anderes übrig als ftth.

Dementsprechend stehen hinter eigenwirtschaftlichen Ausbauern stets große Investmentfonds. Das ist kein komischer Zufall, sondern folgerichtig.

Zugleich hatten wir in den 20 Jahren nach der Jahrtausendwende einen Arbeitskräfteüberhang in Europa, die erheblichen Lohnkosten für Tiefbauarbeiten konnten so niedrig gehalten werden. Die Demografie dreht sich gerade um, das haben nur noch nicht alle realisiert weil die Verwerfungen am Arbeitsmarkt derzeit noch gerne auf die Pandemie geschoben werden. Das ist zeitlich aber lediglich ein zufälliges Zusammentreffen.

Das habe ich bereits in meinem Thread "Das Zeitfenster ist zu" erörtert. Diejenigen, die sich unter günstigen Bedingungen bereits Infrastruktur hingelegt haben, können damit die Infrastruktur-Rendite einfahren.

Für Deutschland ist der Zug aber abgefahren, der Michel ist wie immer mal wieder zu spät.

Dazu kommen die extremen Fortschritte bei Alternativen. Mobilfunk oder das häufig vergessene Kabelinternet haben ihre Kapazitäten im Vergleich zu ftth erheblich gesteigert (Funkwellen breiten sich auch mit Lichtgeschwindigkeit aus).

Wobei die Störanfälligkeit von DOCSIS deutlich über der von 4G/5G liegt. Man merkt, daß man in der Vergangenheit unterwegs ist. Diese Technik ist also mittelfristig also auch auf dem Abstellgleis.

Heute sitzt in Privathaushalten in der Freizeit zunehmend kaum noch jemand überhaupt an einem stationären PC, die meisten Menschen nutzen nur noch wireless Endgeräte (und Vielzahl davon) und sind auch eher genervt vom schlechten Netzausbau beim Mobilfunk und Beschränkungen beim Datenvolumen unterwegs als von der niedrigen Kapazität des Mobilfunks per se. Das hat schon mit LTE aufgehört. Anders als früher wechselt man heute vor allem aus tariflichen Gründen möglichst in ein heimisches WLAN. Mithin also ein Relikt.

Exakt. Ich habe mich nach Ende des Lockdowns vom Festnetz komplett getrennt, als meine Nutzung nicht mehr zum festen Anschlußort paßte. Alle Geräte sind mobil, aber ein FTTH-Zugang ist nur im "H" nutzbar, wenn ich unterwegs bin, habe ich nichts davon, zahle aber trotzdem. Also weg damit.

Wohin die Reise langfristig geht sieht man in Märkten in denen Mobilfunktarife günstiger sind. So schrumpft in Finnland die Zahl der aktiven (!) Breitband-Festnetzanschlüsse in Haushalten. Inklusive ftth. Nicht wegen mangelnder Verfügbarkeit, sondern wegen mangelndem Interesse. Wer eh alles am Smartphone macht und Zuhause über den Hotspot Netflix am TV schaut oder Home-Office am Laptop, der braucht auch keine Landline mehr.

Exakt. Mein aktueller "Plasterouter" ist ein Mobile Wi-Fi in Kreditkartengröße mit Akku. Im Gegensatz dazu wirken "Raumschiffe" aus dem Hause AVM wie eine aus der Zeit gefallene preußische Dampfmaschine.

Der nächste logische Schritt sind dann Endgeräte mit Mobilfunkmodem, statt WLAN Modul. Wenn unlimited Tarife und eSIM, quasi das neue WLAN Passwort, stärker verbreitet sind ist das aus Sicht der Endnutzer nur ein Vorteil. Sie nutzen ja eh alles wireless. Wozu dann noch einen Plasterouter hinstellen und Geräte ortsgebunden nutzen müssen.

Korrekt erkannt. Langfristig holen sich Smart-TV und Konsole ihre Daten eh selbst per 5G.

Wenn man den Festnetzvertrag kündigt hat man auch mehr Geld monatlich zur Verfügung um einen unlimited Mobilfunkvertrag zu bezahlen. Der auch nicht mehr so heißen muss, "Mobilfunk" klingt nach preußischer Dampfmaschine. Die meisten Leute wollen gar nicht wissen welche Technologie dahinter steckt, sie wollen immer und überall online sein. Und das geht eigentlich besser ohne Festnetz und WLAN an/aus usw. Nahtlos.

Wieder richtig. Insgesamt ist mein Internetzugang günstiger geworden, trotz der prohibitiven Preise für Mobilfunk in Deutschland und ohne (!) Unlimited. Festnetz ist einfach zu teuer geworden.

Selbst die 2006er-Retro-Tarife (10/1) im Festnetz sind verglichen mit Mobilfunklösungen viel zu teuer. Über einen festen 10-Mbit-Zugang ins Internet zu gehen ist wie mit Wählscheibe telefonieren. Hat auch noch seine Fans, ist aber technisch gesehen einfach albern.

Klar braucht es dazu Glasfaserausbau. Aber nicht in jede Wohnung, sondern zu möglichst vielen Basisstationen. Bis hin zum Konzept von Femtozellen, die in Frequenzen mit hoher Bandbreite und geringer Reichweite zB eine Straße oder einen Wohnblock bedienen. Sozusagen als riesiges WLAN. Aber als Teil eines großen Mobilfunknetzes, in dem das eigene Endgerät überall nahtlos genutzt werden kann.

Dafür braucht der Mobilfunknetzbeteiber ein Glasfasernetz. Aber genau das hat er bereits, der braucht dafür nicht irgendwelche staatlich geförderten FTTH-Investmentfirmen, die 75 % 1-2-Personen-Haushalte anschließen.

DAS empfinden die meisten Menschen heutzutage als Utopie und erstrebenswert. Nicht die Nutzungswelt der 00er Jahre, nur mit ftth statt DSL. Ohne das Nutzungsverhalten mit PC Tower und Ethernetkabel ergibt das für die meisten Haushalte einfach keinen Sinn. Für 1% Poweruser baut niemand Infrastruktur auf. Entsprechend gering sind die uptake Raten, obwohl soviel Druck aufgebaut wird vor Ort (Bürgermeister-Briefe, Verkäufer, Nachbarn überreden einander, sogar Bürgerinitiativen lassen sich vor den Karren spannen, auffällig viele ältere ü50 die an die gute Sache dabei zu glauben scheinen).

Der Zug ist abgefahren. Jetzt noch Glasfasern in irgendwelche 100-Seelen-Dörfer zu ziehen ist reine Steuergeldverschwendung. Die realen Betriebskosten eines solchen Netzes werden die Dorfbewohner niemals tragen (> 100 € pro Anschluß pro Monat).