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Armutszeugnis für die EU und die Anbieter


08.02.2024 15:53 - Gestartet von wolfbln
9x geändert, zuletzt am 08.02.2024 17:09
Diese Ungleichbehandlung von Roaming- und Auslandsgesprächen versteht keiner.

Beispiel: Ein Handy-Telefonat von Deutschland nach Frankreich an eine französische Nummer kostet mit deutscher SIM-Karte etwa 20 ct/min. Das gleiche Telefonat von Deutschland nach Frankreich mit einer SIM-Karte aus einem anderen EU-Land ist in der Regel kostenlos, da es Roaming und daher im Inlandsvolumen bei einer Voice Flat enthalten ist. Wen soll man das eigentlich vermitteln?

Jetzt sollte diese irrwitzige Regelung 2024 auslaufen und jeder ging eigentlich davon aus, dass die Auslandsgespräche den Inlands- und Roaminggesprächen gleichgesetzt werden. Das EU Parlament hatte das auch so gefordert.

Sollte keine Nachfolge gefunden werden, drohte sogar ein kompletter Wegfall der Obergrenze und völlig freie Preisgestaltung. Jetzt wurde wohl ein Minimalkonsenz erreicht und die bisherige Regelung einfach bis 2029 verlängert.

Nicht einmal eine allmähliche Absenkung der Preisobergrenze bis 2029 wie damals beim Roaming wurde erreicht. Wie man hört, haben die Telkos über den Europäischen Rat also konkret über die Mitgliedstaaten Druck ausgeübt und einige davon sind wohl umgekippt. Die üblichen Argumente der Telkos: sonst würden die Preise steigen oder der Ausbau verlangsamt werden usw.

Dabei sind die Interconnect-Gebühren in der EU schon längst sehr niedrig gekappt. Für ein Gespräch in die Mobilfunknetze dürfen sich 2024 die Anbieter max. 0,2 ct/min in Rechnung stellen, in die Festnetze seit 2022 max. 0,07 ct/min. Dann kommt noch ein Carrier dazu mit geringen Aufpreis und der Rest zu den 20 ct/min, die meist so etwa verlangt werden, ist dann Gewinn, was schon fast Wucher ist.

Dabei gibt es Länder mit hohen Wettbewerbsdruck, wo diese Gespräche schon weitgehend im monatlichen Bündel enthalten sind wie etwa in Spanien oder Italien. Bei uns gibt's das nur in Businesstarifen und bei speziellen Ethno-Anbietern wie Lebara, Lyca oder Ortel.

Diese Lobbypolitik der Telkos ist so kurzsichtig. Sie schießen sich selbst ins Bein wie zuvor bei der SMS. Sie werden den Markt der EU-Auslandsgespräche weitgehend verlieren, ironischerweise zum Teil an die gleichen Messaging Apps und einige andere VoIP-Anbieter. Hat man denn aus dem SMS-Desaster nichts bei Telekom und Co. gelernt?

Der momentane Profit aus der immensen Marge (s.o.) ist wichtiger als das Marktsegment zu behalten und der Nutzer mit Familie, Freunden oder Partner im EU-Ausland ist dabei völlig egal. So wird die europäische Idee von den meist europäisch agierenden Konzernen mit Füßen getreten.

Genau daher kommt der Frust über Europa bei vielen hierzulande. Es scheint, dass zu allererst Konzerne die Vorteile der gemeinsamen EU-Marktes nutzen können, aber die EU-Verbraucher dabei eher sekundär sind. Die EU kriegt zwar den gleichen Stecker am Handy hin, aber Verbraucher können eben keine SIM-Karte aus einem anderen EU-Land dauerhaft bei uns nutzen und sehen wie Waren durchgewinkt werden an der Grenze, während sie im Stau stehen und sich wieder legitimieren müssen. Da braucht man sich nicht wundern, dass immer mehr europafeindliche oder zumindest -kritische Kräfte bei uns Aufwind bekommen, die auf vermeintlich nationale Lösungen der Probleme bauen.