Frei Sprechen
10.04.2008 17:15

„Ich sitze gerade im Zug.“

Von Handy-Telefonaten und Gesprächs-Typen
teltarif.de Leser piano schreibt:
Folgende Situation: Ich sitze nach einem langen Arbeitstag im Zug und möchte ein bisschen entspannen. Ein Cappuccino steht bereit. Ich packe ein spannendes Buch aus und mache es mir auf meinem Platz gemütlich. Kaum habe ich das Buch aufgeschlagen, ist es mit der Ruhe auch schon vorbei. Von irgendwoher dudelt mir ein Menuett von Beethoven entgegen – allerdings in einem merkwürdig piepsenden und durchdringenden Ton. Die Dame schräg vor mir wühlt wild in ihrer Tasche und kramt schließlich ihr Handy hervor. Nachdem sie das Gespräch angenommen hat, lauscht sie kurz und sagt dann: „Ich sitze gerade im Zug.“ Ich schmunzle ein bisschen, weil ich den Satz schon erahnt habe. Es handelt sich wohl um die am meisten genutzte Aussage jener Menschen, die im Zug angerufen werden. Abwandlungen lauten: „Ich bin SCHON im Zug.“ oder: „Ich sitze NOCH im Zug.“

Leider beschränken sich Handy-Telefonate im Zug selten auf diese Auskunft oder Absprachen, wer wann und wo ankommt bzw. abgeholt werden möchte. Im Gegenteil. Während meiner bisherigen Zeit als Zugfahrerin konnte ich die verschiedensten Handy-Telefonier-Typen ausmachen. Ausgehend von dem erwähnten Satz kann sich das Gespräch nämlich in die verschiedensten Richtungen entwickeln. Im Folgenden eine kleine Kategorisierung der „Im-Zug-Telefonier-Typen“:

Typ A: „Ich arbeite!“

Bei Typ A handelt es sich um solche Zeitgenossen, die scheinbar allen Mitfahrenden deutlich machen müssen, dass sie arbeiten und nicht etwa zum Vergnügen Zug fahren. Sie besprechen lauthals geschäftliche Details, diskutieren Probleme mit ihren Anwälten, regen sich über Kunden auf oder machen unfreundliche Bemerkungen über scheinbar unfähige Geschäftspartner. Dazu haben sie den geöffneten Laptop auf dem Nachbarplatz liegen, an dem sie scheinbar gleichzeitig arbeiten. Am Ende des Gesprächs können sich dann alle Zuhörer ein Bild von der Wichtigkeit der Person machen.

Typ B: „Ich bin lebensfroh!“

Dann gibt es die, die zwar nicht arbeiten, sich aber insgesamt gerne mitteilen – und zwar sowohl dem Gesprächspartner als auch allen Zugfahrern. Damit das gut funktioniert, sprechen sie vorsichtshalber so laut, dass sie zur Not auch ohne Handy die Entfernung zum Gesprächsteilnehmer überbrücken könnten. Die Themen reichen von Partys über Beziehungsprobleme bis hin zu lustigen Geschichten aus dem Freundeskreis. Aufgepeppt werden sie mit lockeren, witzigen Sprüchen und einem erfrischenden, herzhaften Lachen – das nur leider keiner der Fahrgäste hören möchte.

Typ C: „Ich quatsche ewig, obwohl ich den Gesprächspartner sowieso gleich treffe“

Diese Typen sind natürlich nicht sofort zu erkennen, weil sich die Pointe erst am Schluss des Gesprächs ergibt. Jedenfalls geht es im Gespräch – das natürlich fast die ganze Fahrt dauert – darum, wie der Tag so war und was es sonst noch neues gibt. Am Ende heißt es dann: „Naja, den Rest können wir ja dann gleich besprechen.“ Da frage ich mich: Warum nur den Rest und nicht auch die vielen anderen Dinge? Die Lautstärke hält sich zwar in Grenzen, aber wenn ich direkt davor sitze, habe ich trotzdem die Stimme im Ohr.

Typ D: „Ich packe das Handy ganz unten in die Tasche und lasse es ewig klingeln“

Auch dieser Typ ist sicherlich bekannt. Menschen, die zwar erreichbar sein wollen, ihr Handy aber dermaßen gut verstaut haben, dass sie beim Klingeln zunächst den Koffer aus dem Gepäckfach zerren müssen. Dann suchen sie das Handy solange in der Vortasche, bis es schließlich zu spät ist, aber alle Mitfahrenden bereits hinreichend von der Melodie genervt sind. Hier ein kleiner Tipp: Das Handy lieber dicht am Körper tragen, den Ton aus- und dafür den Vibrationsalarm anschalten.

Statt LAUT und LANGE bitte leise und kurz!

Ich könnte noch ein paar mehr Typen aufzählen und es gibt natürlich auch Kombinationen der verschiedenen Arten. Aber die genannten sind wohl die, die am meisten stören. Nun könnte man sagen: ein Handy ist ja schließlich zum mobilen Telefonieren da! Richtig. Auch ich telefoniere ab und zu im Zug, um beispielsweise zu klären, ob mich jemand vom Bahnhof abholt. Aber mich interessieren weder die privaten, noch die geschäftlichen Probleme anderer Leute. Manche Dinge müssen meiner Meinung nach nicht zwingend während der Bahnfahrt besprochen werden. Und wenn, dann vielleicht etwas dezenter.

Vielleicht haben Einige die oben genannten Typen ja selbst schon einmal ausgemacht? Möglicherweise findet sich auch jemand in einem der beschriebenen Telefonier-Typen wieder und möchte dazu Stellung nehmen oder das Verhalten näher erklären? Eventuell könnte ich dann den ein oder anderen Typ besser verstehen :-)

einmal geändert am 10.04.2008 17:23
Kommentare zum Thema (11)
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sehr interessante Privatstudie ^^
user0815 antwortet
10.04.2008 17:23
Ich muss sagen, dass ich diesen Artikel mit Schmunzeln gelesen habe und als Student, der fast jede Woche mit der Bahn fährt, alle Typen wiedererkannt hab.

Ich muss zunächst gestehen, dass ich auch des öfteren im Zug telefoniere, aber das wenn möglich im Fahrradraum oder in den Zwischenabteilen ohne Sitzplätze (sowas gibt es glaub ich nur in den Regionalzügen). Nicht nur, weil ich andere Fahrgäste nicht unnötig stören möchte, sondern auch weil solche Gespräche Privatsache sind und ich es nicht gerne habe, dass andere diese belauschen (und das noch gezwungenermaßen durch den engen Raum).

Kurze Gespräche führe ich auch im Fahrgastraum, aber ich hasse es einfach, wenn Menschen lauthals sich in einem scheinbaren Monolog über ihre Wochenendpläne Gedanken machen oder über den Partner schimpfen.
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handytim antwortet
10.04.2008 17:35
An die lauten "Ego-"Telefonierer hat man sich als Pendler ja schon gewöhnt. Was weitaus nerviger ist, sind Leute die meinen, sie müssten den gesamten Zug über ihr laut gestelltes Handy mit Musik beschallen...
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piano antwortet auf handytim
10.04.2008 17:43
Benutzer handytim schrieb:

[...]

Was weitaus nerviger ist, sind Leute die meinen, sie müssten den gesamten Zug über ihr laut gestelltes Handy mit Musik beschallen...

Stimmt, die gibt es auch noch. Das wäre dann wohl Typ E :-)
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Versteh ich nicht
maurice1332002 antwortet
10.04.2008 23:15
Diese Diskussionen kenne ich, seit es das Handy gibt :)

Ich selbst telefoniere nicht besonders gern und wenn, dann fasse ich mich so kurz wie möglich. Was mich aber überhaupt nicht stört ist, wenn andere lange und ausgiebig telefonieren.

Warum gibt es eigentlich diese Diskussionen, oder besser: Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Gespräch von zwei Menschen die sich gegenüber sitzen und dem Gespräch über ein mobiles Telefon?

Worüber ärgern sich die Menschen, die sich über Telefonierer aufregen? Ist es der Ärger darüber, das sie nur die Hälfte des Gesprächs mitbekommen und würde ggf. das Einschalten eines Lautsprechers helfen, die Situation zu verbessern?

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user0815 antwortet auf maurice1332002
11.04.2008 09:18
das Problem meiner Meinung nach ist, dass die "endlos im Zug telefonierer" fast immer ziemlich laut diskutieren oder plötzlich lauthals loslachen, als gäbe es keine anderen Leute mehr im Abteil. Sicherlich so laut, dass der Gesprächspartner einen gut versteht.

Die Ansicht mit dem halben Gespräch ist gar keine dumme: Ich denke auch, dass ein halbes Gespräch die Mitmenschen mehr nervt, als ein Dialog, den auch jeder hören kann.

Gestehen muss ich für meinen Teil aber auch, dass es auf die Stimme der jeweiligen Person ankommt. Spricht jemand mit ruhiger Stimme gelassen, so stört es nicht, spricht aber (hatte so einen Fall schonmal) eine junge Frau mit quitschender Stimme laut über ihre Beziehungsprobleme und regt sich am Telefon drüber auf, so erscheint dies weit aus mehr nervig.

Das ist sicherlich ein weitreichendes psychologisches Thema...
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Typ E ist wirklich nervig!
fmeier636 antwortet auf piano
11.04.2008 09:37
Benutzer piano schrieb:
Benutzer handytim schrieb:

[...]

Was weitaus nerviger ist, sind Leute die meinen, sie müssten den gesamten Zug über ihr laut gestelltes Handy mit Musik beschallen...

Stimmt, die gibt es auch noch. Das wäre dann wohl Typ E :-)

Wobei ich den "Typ E" wesentlich nerviger finde, zumal meistens die Musik auch noch wirklich schlecht ist ...
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'Ich sitze im Zug' (2)
mueller antwortet
11.04.2008 09:43
Hallo,

hatte heute früh binnen einer Stunde im ICE auch schon zweimal ein ähnliches Vergnügen:

1. Pendler-ICE:
"Wo bist Du?" - "Ich sitze im Wagen 24." - "Schaffst Du es hierher?" - "Hast Du schon gefrühstückt?" - etwas Stille - "Okay, lass' uns im Bistro einen Kaffee trinken." - Auflegen und die gute Dame entschwand nicht in den naheliegenden Speisewagen, sondern in die falsche Richtung zum Zugende.
"Spassig" für den gesamten Wagen war, dass das Telefonat am anderen Wagenende stattfand und alle im Wagen 24 lauschen durften :-(

2. "Ich sitze im Zug."
Trotz Handywagen und Stillstand in Frankfurt Hauptbahnhof war die Verbindung bzw. Sprachqualität bei einer Dame wohl so schlecht, dass sie in meiner Nähe den Satz des Tages fast im 10-Sekunden-Rythmus sprach ;-)

Grüße
Martin
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piano antwortet auf fmeier636
11.04.2008 09:46
Benutzer fmeier636 schrieb:
Benutzer piano schrieb:
Benutzer handytim schrieb:

[...]

Was weitaus nerviger ist, sind Leute die meinen, sie müssten den gesamten Zug über ihr laut gestelltes Handy mit Musik beschallen...

Stimmt, die gibt es auch noch. Das wäre dann wohl Typ E :-)

Wobei ich den "Typ E" wesentlich nerviger finde, zumal meistens die Musik auch noch wirklich schlecht ist ...

Richtig. Und zu der Musik, die sicher jeder Reisende unbedingt hören möchte, kommt dann noch die "hervorragende Klangqualität" hinzu.