Mehr frei verfügbare Daten für bessere Frisierstäbe
Inzwischen gehe ich gezielter vor. Ich rufe zum Beispiel direkt hintereinander im Aktions-Büro der "Freiraum-Kampagne" der Berliner Hausbesetzer-Szene sowie beim hessischen "Netzwerk gegen Gewalt" an und erkundige mich im Anschluss noch schnell telefonisch beim Deutschen Wetterdienst über die Wetterprognose für die kommenden Tage für Tadschikistan.
Beim Einkaufen mit meiner Kundenkarte betrete ich das Kaufhaus nur noch durch den Kassenbereich, verweile regungslos ein paar Minuten vor dem Regal mit dem Katzenfutter, suche erst danach die Dinge auf meiner Einkaufsliste und lege dann immer einen Frisierstab der Marke Severin zu den anderen Waren in den Einkaufswagen. Die paar Euro ist mir der Spaß wert. Beim Einkauf bei Lidl sorge ich zusätzlich stets dafür, dass die wechselnden, auf meinen Handrücken geschriebenen Telefonnummern beim Bezahlen mit meiner Bankkarte von der Kamera mit erfasst werden können.
Marktforschung, Umfragen, Unterschriftenaktionen – immer her damit, ich kann zu jedem Thema irgendetwas erzählen. Werde ich in der Fußgängerzone ignoriert, bleibe ich einfach so lange stehen, bis die Interviewer zu der Überzeugung gelangen, das Durchgehen der Umfragepunkte sei für sie die bequemere Variante.
Um Geld von der Bank abzuheben, nehme ich gerne längere Anfahrtswege zu immer wieder anderen Bankautomaten in fremden Stadtteilen in Kauf und lerne so meine Stadt gleich besser kennen. Für den Weg zur Arbeit suche ich mir jeden Tag eine neue Route, vorzugsweise durch große Tunnel oder über neuralgische Verkehrsknotenpunkte, halte mich aber an die Geschwindigkeitsbegrenzung und unterlasse plötzliche Überholmanöver und Fahrtrichtungswechsel, damit etwaige Beschatter mir leicht folgen können. Komme ich am Hauptbahnhof vorbei, drehe ich zwei Extrarunden - jeweils in eine Richtung - um das Gebäude und halte dabei mein Gesicht möglichst frontal auch in diese Sicherheitskameras. Die automatische Gesichtserkennung gibt es ja bei uns auch noch nicht, oder? Immer auf den Fahrten mit dabei: mein eingeschaltetes Handy.
Für Suchanfragen über Google habe ich meinen eigenen Logarithmus entwickelt und vor dem Ausschalten des PCs klicke ich noch kurz durch meine ganz persönliche Lesezeichen-Liste. Und für den Fall, dass das Bundeskriminalamt tagsüber, wenn ich im Büro hocke, seinen Trojaner auf einem meiner vier persönlichen PCs installieren möchte, habe ich den Haustürschlüssel schon griffbereit unter die Fußmatte gelegt.
Wenn der technisch durchaus machbare Datenschutz schon nicht politisch gewollt und die digitale Datenspur inzwischen unvermeidlich sind, solange man sich nicht vom heutigen Lebensstil verabschieden möchte, sollen die Schäubles, Telekoms und Lidls bei ihrer Arbeit wenigstens ordentlich ins Schwitzen kommen. So leicht bin ich nicht zu haben. Und vielleicht sorge ich ja so auch gleichzeitig für einen Qualitätssprung bei Frisierstäben.