Auto-Hersteller gegen Google: Chancenlos in Germany?
Selbstfahrendes Auto der Google-Schwester Waymo.
(c) dpa
Den meisten Menschen in Deutschland ist die Stadt Wolfsburg ganz sicher ein Begriff. Schließlich ist dort Volkswagen, einer der weltweit wichtigsten Automobilhersteller beheimatet. Weniger bekannt ist wahrscheinlich Mountain View, eine idyllische Stadt im Herzen Kaliforniens und des Silicon Valley. Doch ausgerechnet die Manager der deutschen Automobilkonzerne dürften diesen Ort jedoch ganz genau im Auge behalten.
Deren Interesse gilt allerdings vermutlich weniger lokalen Sehenswürdigkeiten als vielmehr den weißen Chrysler Pacificas, welche in regelmäßigen Abständen durch die Stadt fahren. Das Besondere: Es sitzt kein Mensch am Steuer. Die Fahrzeuge gehören nämlich zu Waymo, dem weltweiten Pionier für autonomes Fahren. Waymo ist auch nicht irgendeine Firma, sondern Teil von Googles Muttergesellschaft Alphabet. Und spätestens hier wird klar: Wenn ein solches Unternehmen in den Bereich autonomes Fahren einsteigt, müssen sich andere Autohersteller warm anziehen.
Zehnjähriger Testlauf
Selbstfahrendes Auto der Google-Schwester Waymo.
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Bereits 2009 ging das Google Driverless Car Projekt an den Start. Seinerzeit unter Führung von Sebastian Thrun, einem deutschen Informatiker und ehemaligen Professor für künstliche Intelligenz der Stanford Universität. In den Fahrzeugen findet eine Systemsoftware namens Google Chauffeur Anwendung. Es gibt genau zwei Gründe, warum die deutschen Automanager mit Sorge auf die Software aus dem Silicon Valley schauen.
Einerseits ist sie im Gegensatz zu Produkten vieler europäischer und anderen amerikanischen Wettbewerbern bereits extrem ausgereift. Die Google-Fahrzeuge sind zwar ähnlich wie der (nicht vollautomatische) Tesla-Autopilot vom Elon Musk noch gelegentlich in Unfälle verwickelt, wenn man jedoch etwas genauer hinschaut, ergibt sich ein anderes Bild. So ereignete sich beispielsweise im Oktober vergangenen Jahres ein Unfall in Mountain View, welcher mutmaßlich durch einen autonomen Chrysler Pacifica verursacht wurde. Tatsächlich war aber nicht die Google-Software der Unfallverursacher, sondern ein Fahrer, der zur Sicherheit am Steuer saß. Dem Polizeibericht nach übernahm der Mann im Google-Fahrzeug die Kontrolle, als ein anderer Verkehrsteilnehmer auf dessen Spur einscherte. Er lenkte das Fahrzeug nach rechts und touchierte wiederum einen Motorradfahrer, der das autonome Fahrzeug rechts überholte. Demnach handelte es sich um menschliches Versagen und keinen Softwarefehler.
Der zweite Punkt, warum die Google-Software deutschen Herstellern Angst macht, ist ihre Unabhängigkeit. Das Ziel von Google ist, letztendlich in jedes Fahrzeug zu kommen. Eigene Softwareentwicklungen wären unglaublich teuer und im Wettbewerb mit dem Internet-Giganten ohnehin chancenlos. Eine ähnliche Strategie ließ sich bereits bei anderen Google-Produkten, wie der Suchmaschine oder dem Smartphone-Betriebssystem Android beobachten. Im Endeffekt bringen sich die deutschen Autokonzerne in eine Abhängigkeit, bei denen Google über die Preise und Entwicklung entscheidet.
Situation in Deutschland
Während Google also schon seit Jahren Praxiserfahrungen auf den Straßen sammelt, gibt es hierfür in Deutschland noch nicht einmal präzise rechtliche Bestimmungen. Erst 2017 wurde mit dem geänderten Straßenverkehrsgesetz das Thema autonomes Fahren überhaupt auf die Agenda gesetzt. Rechtliche Fragen zur Haftung bei Unfällen sind bis heute weitestgehend ungeklärt. Auch in den Entwicklungsabteilungen der deutschen Automobilkonzerne scheint man den Fokus aktuell eher auf die Auswirkungen der Dieselkrise zu legen. Das ist ein besonders harter Schlag, denn während Tesla und chinesische Hersteller beim Thema Elektromobilität und Batterien den Ton angeben, sind es Google, Apple und andere amerikanische IT-Konzerne bei der Software. Die klassische deutsche Ingenieurskunst wirkt im globalen Automobilkonzert der Zukunft schon fast wie ein antiquiertes Auslaufmodell aus dem vorherigen Jahrhundert.
Zwang zur Kooperation
Realistisch betrachtet haben weder VW, BMW noch Mercedes das Potenzial, Google beim Zukunftsthema autonomes Fahren die Butter vom Brot zu nehmen. Letztendlich läuft es darauf hinaus, dass in Deutschland nur noch das Fahrzeugdesign entwickelt wird, während die Software aus dem Silicon Valley und der Antrieb bzw. Komponenten für die Elektromobilität aus China kommt. Eine Entwicklung, die leider auch schon in vielen anderen Technologiebranchen bekannt ist. Egal ob Apple, Huawei oder Amazon: Innovationen in den Bereichen Software und Netzwerke kommen aus den USA und China, während die Europäer mehr oder weniger teilnahmslos am Rande stehen und sich immer weiter ökonomisch abhängig machen. Um in der Technologiezukunft den Anschluss zu behalten, braucht es weit mehr als nur den Slogan Made in Germany.