Knigge

Das Digitale Zeitalter braucht Manieren 2.0

Wie die Informationsflut unser Verhalten beeinflusst
Von dpa / Steffen Herget

Das Multitasking "zermanscht" unsere Gehirne, die Informationsflut vor allem des Internets frisst uns auf - so die These von Frank Schirrmacher (50) in seinem neuen Buch "Payback". Mit seiner Kritik am modernen Medienzeitalter spricht der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vielen aus dem Herzen. Mancher denkt aber auch, dass die neue Technik und deren gleichzeitiger Gebrauch in jüngster Zeit vor allem die Manieren "zermanscht" hat. Was haben Handys, MP3-Spieler und das Web bloß mit uns gemacht? Eine Erkundung mit dem deutschen Autor Adriano Sack ("Manieren 2.0 - Stil im digitalen Zeitalter", Verlag Piper, 16,90 Euro bei Amazon):

Technisch hoch entwickelt, aber ethisch minderbemittelt? Warum zum Beispiel lassen viele ihr Handy laut klingeln? "Dass die Lautlos- Taste beim Mobiltelefon nicht öfter genutzt wird, liegt daran, dass der moderne Mensch abwägen muss, was schlimmer ist: die Belästigung der Mitmenschen in öffentlichen Räumen oder das Risiko, einen Anruf nicht mitzubekommen", sagt Sack. "Da wir in einer darwinistischen Gesellschaftsordnung leben, wiegt Eigennutz schwerer als Fremdschaden", analysiert der 42-Jährige, der in New York lebt.

Am Telefon sind wir alle kleine Kinder

Und warum erzählen so viele Menschen am Handy intime Dinge, selbst wenn andere mithören können? "Das Abstraktionsvermögen der Menschen wird überschätzt. Wir blicken mit gezückter Augenbraue auf Mitreisende, die ihre Eheprobleme oder Geschäfte lautstark am Telefon abwickeln und plärren dann Minuten später selbst ins Handy", sagt der Stil-Experte.

"So wie kleine Kinder sich die Augen zuhalten, um sich zu verstecken, glauben sich Menschen isoliert, sobald sie am Telefon sprechen. Viele Inder übrigens halten sich beim Mobiltelefonieren die Hand vor den Mund, was ich für sehr elegant halte."

Fast noch irritierender als laute Handy-Gespräche im öffentlichen Raum findet es Sack, wenn Menschen im Gespräch SMS-Nachrichten oder E-Mails checken. "Wir haben weniger Zeit, oder glauben das zumindest, und wollen nichts verpassen. Deswegen wollen wir stets erreichbar sein und erwarten das auch von anderen. Unbewusst machen wir uns damit zu Sklaven der Maschinen", sagt Sack und schlägt damit in dieselbe Kerbe wie Schirrmacher. "Das kann man beklagen oder gelegentlich seine Geräte runterfahren und im Garten arbeiten."