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VIA vs. Intel: PR-GAU für Taiwaner

Von Johannes Haupt

Viel hat sich der vergleichsweise kleine taiwanesische Chiphersteller VIA mit seinem für kleine und mobile Technik entwickelten Nano-Prozessor vorgenommen: Der vielfach größere Platzhirsch Intel soll heraus gefordert, seine Intel Atom CPU aus möglichst vielen UMPCs, MIDs und Netbooks verdrängt werden.

Allerdings ist VIA mit dem Nachfolger des leicht angegrauten C7-M Prozessors (u.a. im HP 2133 und Netbooks von One) spät dran: Die Kalifornier vertreiben schon seit Juni Atom CPUs, während es für den Nano noch nicht einmal ein Releasedatum gibt.

Entsprechend aggressiv geht das fernöstliche Marketing zu Werke, um Anwender von der Überlegenheit des eigenen Chips zu überzeugen. In einem Video werden zunächst Zitate von Intel-Chef Otellini (wie berichtet wertet er den Atom CPU massiv zur hauseigenen Konkurrenz ab) und dem VIA-CEO gegenüber gestellt, bevor man die Prozessoren selbst gegeneinander antreten lässt.

Auf zwei Netbooks wird ein hochauflösendes 1080p Video (Robotica [Link entfernt] ) abgespielt: Das VIA Openbook mit Nano CPU (1,3 GHz) gibt die Bilder flüssig wieder, während ein Eee PC 1000H (Intel Atom 1,6 GHz) sichtbar überfordert ist. Im Laufe der letzten Tage kristallisierte sich aber immer mehr heraus, dass die Taiwaner hier massiv getrickst hatten.

IT-Blogger JKK spielte die im Clip gezeigte Demo auf seinem eigenen Eee PC 901 ab - und konnte von einer einwandfreien Wiedergabe berichten. Tatsächlich ist der Intel Atom im PR-Clip von VIA auf 1,2 GHz untertaktet (macht der 1000er automatisch im Akkubetrieb), worauf jedoch mit keinem Wort eingegangen wird. Kommentar JKK: "Thanks for Bullshit VIA!"

Auch den Redakteuren der Computerzeitschrift c't ist das Video aufgefallen. Sie haben den Spieß umgedreht und den Test mit ihrem bereitgestellten VIA Nano Prozessor wiederholt - jedoch mit anderen Clips. Im Ergebnis stellt sich heraus, dass VIA bei der Wahl des Videos höchst selektiv vorgegangen ist - auch davon ist im Video keine Rede.

Die Kollegen schreiben (c't 17/2008, S. 26)

In einer Präsentation rühmt sich VIA mit ruckelfreier Wiedergabe von HD-Filmen. Allerdings klappt das nur bei Codecs wie VC1, bei denen der MPEG-Beschleuniger des Chipsatzes der CPU unter die Arme greift. Selbst dann ruckelt das Bild gelegentlich. Der Film Casino Royal (MPEG4 AVC) erinnert indes eher an eine DIA-Show.
Inzwischen hat sich bei JKK auch VIA-Manager Tim Brown - der Moderator im Video - zu Wort gemeldet, zeigt sich überrascht über die vielen Reaktionen zum Test. Anders als dort geht er in seiner E-Mail auch auf die tatsächlichen Rahmenbedingungen des Tests ein.

Dramatisierendes Marketing ist nicht per se zu verurteilen, gerade in Anbetracht von VIAs im Vergleich zu Intel winzigem PR-Budget (spricht auch Brown an) ein absolut nachvollziehbarer Weg. Trotzdem sollte man auch bei PR-Videos immer fair vorgehen, die Anwender nicht über die tatsächlich durchgeführten Vergleiche im Dunkeln lassen.

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