Zu langsam?

Schlechtes Internet: Tausende Messungen zeigen Defizite

teltarif.de hatte schon darüber berichtet, heute ist es erneut Tages­gespräch: Was tun bei schlechtem Internet? Gibt es Kulanz der Anbieter? Oder liegt es nur am schlechten heimi­schen WLAN?
Von mit Material von dpa

Schnelles und stabiles Internet zu Hause ist enorm wichtig, beson­ders beim Home­office oder bei Strea­ming-Filme­abenden. Doch was tun, wenn es mit der Verbin­dung hapert? Ein für viele Betei­ligten noch recht neuer Rechts­anspruch stärkt die Stel­lung des Verbrau­chers. Nun liegen frische Zahlen vor.

Das heimi­sche Internet hat in Tausenden Fällen noch immer große Defi­zite. Von Mitte Dezember bis Ende Juni seien rund 22.000 Messungen mit der Breit­band­mes­sung-App der Bundes­netz­agentur abge­schlossen worden, fast ausschließ­lich sei dabei ein Minde­rungs­anspruch fest­gestellt worden, teilte die Bonner Behörde auf Anfrage der Nach­rich­ten­agentur dpa mit.

Der Anspruch auf Preis­min­derung besteht, wenn das Internet schlechter ist als vertrag­lich verein­bart. Es gibt Vorgaben zur maxi­malen, zur mini­malen und zur norma­ler­weise zur Verfü­gung stehenden Band­breite. Mit der Desktop-App können Verbrau­cher über­prüfen, ob ihr Vertrag auch das hält, was er verspricht.

Rechts­ver­bind­liche Mess­mög­lich­keit seit Mitte Dezember

Wie teltarif.de schon mehr­fach betont hat, ist die Prozedur zum Ermit­teln der "lang­samen" Geschwin­digkeit aufwendig, 30 Tests an mehreren Tagen - und so lange darf niemand anders das Internet nutzen. Erst dann ist eine Messung - liebe­voll "Mess­kam­pagne" genannt - beweis­kräftig abge­schlossen.

Fehler­quelle WLAN

Zur rechtsverbindlichen Messung muss der Computer über ein LAN-Kabel direkt an den Router (eine von 4 gelben Buchse) angeschlossen werden. Zur rechtsverbindlichen Messung muss der Computer über ein LAN-Kabel direkt an den Router (eine von 4 gelben Buchse) angeschlossen werden.
Foto: Picture Alliance/dpa
Die Messungen müssen über ein Ethernet/LAN-Kabel zwischen Router und PC statt­finden. Messungen über die WLAN-Verbin­dung gelten nicht, denn jede WLAN-Verbin­dung schluckt Perfor­mance. Je weiter der Nutzer vom Router weg ist und je mehre Geräte sich in der Umge­bung auf den WLAN-Frequenzen tummeln, desto schlimmer kann das werden.

Mancher Nutzer reibt sich die Augen, wenn seine "lang­same" Inter­net­ver­bin­dung auf einmal mit Kabel richtig schnell ist.

Was ist aber, wenn?

Aber es gibt auch Fälle, wo die gelie­ferte Qualität tatsäch­lich weit unter den vertrag­lich zuge­sicherten Werten liegt. Dann gibt es ein Problem. Denn: Wie hoch die Preis­min­derung sein soll, besagen die Mess­pro­tokolle nicht. Das müssen die Verbrau­cher mit ihren Anbie­tern klären. Ein neuer Rechner der Verbrau­cher­zen­trale soll hierbei helfen.

Die Zahl der voll­stän­digen Messungen war zuletzt rück­läufig. In den ersten zwei­ein­halb Monaten waren es laut Bundes­netz­agentur rund 15.000 been­dete Mess­kam­pagnen, nun sind es nach sechs­ein­halb Monaten rund 22.000.

Verbrau­cher­schützer üben Kritik

Der Verbrau­cher­schützer Felix Flos­bach findet die sinkende Nutzung bedau­erlich. Er führt dies auch darauf zurück, dass das Mess-Tool umständ­lich zu hand­haben sei. "Das ist eine Hürde, die für viele Verbrau­che­rinnen und Verbrau­chern zu hoch ist - obwohl ihr Internet daheim mies ist." Zudem sei der Minde­rungs­anspruch noch nicht bekannt genug, viele Bürger wüssten also noch nichts von dieser Möglich­keit, sagt Flos­bach. "Binnen eines halben Jahres wurde amtlich erwiesen fest­gestellt, dass rund 22.000 Inter­net­anschlüsse schlechter sind als vertrag­lich verein­bart - das ist keine kleine Zahl."

Er appel­liert an die Anbieter, nur das zu bewerben, was für sie tech­nisch auch machbar sei. "Leider gibt es noch immer eine große Kluft zwischen Marke­ting und Wirk­lich­keit in der Kommu­nika­tion der Tele­kom­muni­kati­ons­branche."

Voda­fone erfreut

Der Fest­netz-Anbieter Voda­fone reagiert inter­essan­ter­weise erfreut: "Wir sehen in einer sinkenden Zahl der einge­reichten Geschwin­dig­keits-Tests ein posi­tives Zeichen, dass unsere fort­lau­fende Netz­auf­rüs­tung bei unseren Kunden ankommt", sagt ein Firmen­spre­cher. Beson­ders der Bau neuer Glas­faser-Stre­cken im Netz erhöhe die Stabi­lität und sorge für noch mehr Leis­tung. Das wider­spricht aller­dings aktu­ellen Kunden­zahlen bei Voda­fone. Zahl­reiche Kabel-Fest­netz-Kunden haben gekün­digt. Lag das nur an den Preisen, am Kunden­ser­vice oder viel­leicht auch und gerade an der schwa­chen Perfor­mance? Gerade bei TV-Koax­kabel-Netzen können die Geschwin­dig­keiten je nach Tages­zeit und Nutzung stark schwanken.

37 Millionen Anschlüsse - 22.000 Messungen

Die Breitbandmessung der Bundesnetzagentur ist der Maßstab, wie schnell das eigene Internet wirklich ist. Die Breitbandmessung der Bundesnetzagentur ist der Maßstab, wie schnell das eigene Internet wirklich ist.
Foto: Picture Alliance/dpa/dpa-Zentralbild
In Deutsch­land gibt es rund 37 Millionen Inter­net­anschlüsse. Setzt man die 22.000 Messungen hierzu ins Verhältnis, so ist der Anteil der erwie­sener­maßen defi­zitären Anschlüsse sehr klein. Die "sehr geringen Beschwer­dezahlen" verdeut­lichten, dass die ganz über­wie­gende Mehr­heit der Nutze­rinnen und Nutzer mit ihren Inter­net­anschlüssen zufrieden sei, sagt Frederic Ufer vom Bran­chen­ver­band VATM.

Ufer weist darauf hin, dass Schwan­kungen im Netz insbe­son­dere bei Kupfer­lei­tungen normal seien. Bei Glas­faser sei das anders. Und dann erklärt der VATM-Geschäfts­führer, dass Schwan­kungen nicht auto­matisch eine schlech­tere Nutzungs­mög­lich­keit bedeu­teten: Das Mail-Versenden und das Video­streamen könnten dennoch funk­tio­nieren. Das kann stimmen: Entschei­dend ist oft die Reak­tions­zeit im Netz, auch Ping oder Latenz genannt.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

teltarif.de hat schon früh darauf hinge­wiesen, dass der Nach­weis des lang­samen Inter­nets viel zu kompli­ziert ist. Das Problem sind - wieder einmal - die langen Vertrags­lauf­zeiten (oft 24 Monate). Wäre es grund­sätz­lich ein Monat, könnte der Kunde bei "Nicht­gefallen" einfach kündigen und versu­chen, einen anderen "schnel­leren" Anbieter zu finden.

Daher ist zu raten, sich vor einer Unter­schrift erst einmal in der Nach­bar­schaft umzu­hören: Welche Anbieter werden dort verwendet? Wie sind die Daten­raten zu verschie­denen Tages­zeiten? Und gibt es notfalls einen Plan B, wenn der Wunsch­anbieter versagt oder ausfällt?

Und liegt das "lang­same" Internet viel­leicht gar nicht am Anbieter, sondern an einem in die Jahre gekom­menen Router ohne Mesh-WLAN-Repeater, die das Haus besser ausleuchten? Während die 2,4 GHz für WLAN ziem­lich über­laufen sind, ist auf 5 oder 6 GHz mehr Platz (Band­breite) und somit auch ein schnel­leres WLAN möglich.

Der DSL- oder Kabel-Provider hat High­speed verspro­chen, doch der Anschluss liefert bei weitem nicht die verspro­chene Geschwin­digkeit: Dann kann der Kunde kündigen oder den Preis mindern. Wir erläu­tern das offi­zielle Proze­dere.

Mehr zum Thema Breitband-Internet