Mindestanforderung

Abstimmung im Bundesrat: Wie lahm darf Internet sein?

Ein "Recht auf schnelles Internet" klingt doch gut. Wie langsam darf ein Anschluss sein? Die Bundes­länder, die heute im Bundesrat darüber abstimmen, fordern ein höheres Tempo.
Von / dpa

Wie schnell muss ein Inter­net­anschluss sein, um Nutzer nicht auszu­grenzen und zu benach­tei­ligen? Diese Frage beschäf­tigt seit Monaten die Politik in Deutsch­land. Während in gut ausge­bauten Stra­ßen­zügen von den Inter­net­zugangs­anbie­tern Top-Geschwin­dig­keiten von 1000 Megabit pro Sekunde (MBit/s) verspro­chen werden, kommt bei hundert­tau­senden Haus­halten nur ein winziger Bruch­teil davon an.

Haute steht deshalb das "Recht auf schnelles Internet", das eigent­lich besser "Recht auf ein nicht so extrem lahmes Internet" heißen sollte, auf der Tages­ord­nung des Bundes­rates. Die Länder­kammer berät, welche tech­nischen Anfor­derungen ein Inter­net­anschluss in Deutsch­land mindes­tens erfüllen sollte, auch in jedem letzten Dorf und an jeder Milch­kanne.

Vorgabe der Bundes­netz­agentur

Wie "lahm" darf Internet sein, bevor ausgebaut werden muss? Wie "lahm" darf Internet sein, bevor ausgebaut werden muss?
Foto: Picture Alliance/dpa
Die Vorgabe kommt von der Bundes­netz­agentur. Sie hatte im Auftrag des Bundes­ver­kehrs­minis­teriums in einer Verord­nung fest­gelegt, was dieses Grund­recht konkret bedeuten soll: 10 MBit/s beim Herun­ter­laden von Daten und 1,7 MBit/s beim Hoch­laden. Die Latenz - also die Reak­tions­zeit - soll nicht größer als 150 Milli­sekunden sein. Damit wurden Verbin­dungen mit geosta­tio­nären Satel­liten (in 36.000 km Höhe, typisch 600-1000ms Latenz) quasi ausge­schlossen, obwohl sie sonst die gefor­derten Band­breiten bieten würden.

Im Bundestag stießen die Vorgaben im Fach­aus­schuss Digi­tales auf Zustim­mung. Doch auch der Bundesrat muss grünes Licht geben. Und Bundes­länder wie Bayern und Nieder­sachsen sehen sie als viel zu niedrig an. Bayerns Finanz- und Heimat­minister Albert Füra­cker (CSU) verwies am Donnerstag darauf, dass die EU-Kommis­sion bereits seit zehn Jahren das "schnelle Internet" mit 30 MBit/s - also dem drei­fachen Wert - defi­niere. "Und auch das ist nicht mehr zeit­gemäß. Es ist schwer zu begreifen, dass der Bund im Jahre 2022 nun zu dem Schluss kommt, 10 MBit/s wären schnell genug."

Auch Verkehrs­aus­schuss möchte mehr

Auch bei den Bera­tungen der beiden zustän­digen Bundes­rats­aus­schüsse wurden deut­lich höhere Ziele ange­peilt. Der Verkehrs­aus­schuss forderte mehr­heit­lich ein Tempo von 30,8 MBit/s im Down­load - also mehr als dreimal so viel wie die Bundes­regie­rung beab­sich­tigt. Das Upload-Minimum soll von 1,7 auf 5,2 MBit/s steigen. Der Verbrau­cher­schutz-Ausschuss verlangte ähnlich hohe Werte.

"Regel­mäßig" strei­chen

Die Bundes­rats­aus­schüsse wollen außerdem das Wort "regel­mäßig" aus der Verord­nung strei­chen, was weit reichende Konse­quenzen hätte. Damit müssten die fest­gelegten Mindest­geschwin­dig­keiten viel strenger einge­halten werden als im Entwurf der Bundes­netz­agentur.

Unter­stützt werden die Bundes­länder von den Verbrau­cher­schüt­zern: Der Verbrau­cher­zen­trale Bundes­ver­band (vzbv) forderte eben­falls Nach­bes­serungen, unter anderem höhere anfäng­liche Band­breiten. Auch müssen die Mindest­anfor­derungen stets einge­halten werden. Alle Menschen in Deutsch­land müssen endlich flächen­deckend Zugang zum Internet haben, erklärte Jutta Gurk­mann, Vorständin des vzbv. "Der Kabi­netts­ent­wurf eröffnet jedoch die Möglich­keit, die fest­gelegten Mindest­vor­gaben (...) durch eine Öffnungs­klausel noch weiter zu unter­schreiten."

Abstim­mung offen

Bleiben Brieftauben schneller als das Internet? Welches Mindesttempo muss gegeben sein? Bleiben Brieftauben schneller als das Internet? Welches Mindesttempo muss gegeben sein?
Foto: Picture-Alliance/ dpa
Wie die Abstim­mung im Bundesrat heute ausgehen wird, ist offen. Bis vor kurzem gingen viele Beob­achter davon aus, dass die Pläne der Bundes­regie­rung für das Recht auf schnelles Internet im Bundesrat zu schei­tern drohen. Für einen Meinungs­umschwung in letzter Minute könnte aller­dings ein Brand­brief aus dem Bundes­minis­terium für Digi­tales und Verkehr an die Landes­regie­rungen sorgen.

In dem Schreiben, das der Deut­schen Presse-Agentur (dpa) vorliegt, weist Staats­sekretär Stefan Schnorr die Länder sehr undi­plo­matisch darauf hin, dass die gefor­derten höheren Anfor­derungen nicht möglich seien. "Dies erlaubt weder der natio­nale, noch der euro­päi­sche gesetz­liche Rahmen." Die gefor­derten Verbes­serungen gingen über den gesetz­lichen Anspruch einer Mindest­ver­sor­gung weit hinaus und würden zu unver­hält­nis­mäßigen Verpflich­tungen der Unter­nehmen führen. "Zudem hätte eine Anhe­bung der Werte eine nach­hal­tige Beein­träch­tigung des Giga­bit­aus­baus in der Fläche zur Folge."

Zuvor hatten bereits die Bran­chen­ver­bände (u.a. der VATM) deut­lich gemacht, dass die Erhö­hung der Mindest­anfor­derungen den Glas­faser­ausbau ausbremsen werde, weil dann finan­zielle Mittel und die Bauka­pazi­täten anders einge­setzt werden müssten als geplant.

Schnorr warnte die Länder davor, die Anzahl der bedürf­tigen Haus­halte so hoch fest­zulegen, dass nicht vorrangig denje­nigen geholfen werde, die sehr schlecht oder über­haupt nicht mit den Mindest­werten an das Internet ange­schlossen sind. Ob diese Argu­mente die Bundes­länder mehr­heit­lich dazu bewegen werden, den nied­rigeren Werten zuzu­stimmen, wird man heute im Bundesrat sehen.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Die flächen­mäßig großen Bundes­länder Bayern und Nieder­sachsen möchten, dass sich in Sachen Inter­net­ausbau endlich mehr bewegt. "Eigen­wirt­schaft­licher" Ausbau, den die Verbände bevor­zugen, funk­tio­niert in der Fläche mehr schlecht als recht. Und die Verbände haben Angst, dass die Telekom wieder mehr als sie vom großen Vertei­lungs­kuchen abbe­kommen könnte.

Mehr Mindest­geschwin­dig­keit würde aber auch den Ausbau­druck erhöhen, und für die Nutzer draußen wäre das etwas mehr Hoff­nung. Jetzt muss die Politik nur noch der Büro­kratie auf die Sprünge helfen, damit der Ausbau schneller vonstatten gehen kann.

In einer weiteren Meldung geht es um o2-Netz­ausbau: Doch nicht so gut wie gedacht?

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