o2 stellt Tarif-Mechanik auf den Kopf
Wolfang Metze, Privatkundenvorstand der Telefónica Deutschland
Foto: Telefónica Deutschland
In einer Telefonkonferenz stellten Wolfgang Metze, Privatkundenvorstand und Jörg Wrede, Director Strategy, Pricing & Business Excellence bei Telefónica (o2) Deutschland das neue Tarifkonzept für 2020 vor und läuten damit einen "Paradigmenwechsel" ein.
Wolfgang Metze erläuterte die Philosophie: "Ein Tarif ist kein Produkt". Es gehe um das "gesamte Erlebnis aus Marke, Tarif, Preis/Leistung, Vertrieb, Service und natürlich auch dem Netz", Worte, die jeder Leser sofort unterschreiben möchte. "Wir haben unsere Themen konsequent abgearbeitet, an großen und kleinen Stellschrauben gedreht."
Der Kern: "Freiheit und die digitalen Möglichkeiten"
Wolfang Metze, Privatkundenvorstand der Telefónica Deutschland
Foto: Telefónica Deutschland
Der Freiheitsgedanken zieht sich seit etwa 2017 wie ein roter Faden durch die o2-Tarif-Philosophie, womit sich o2 als Vordenker im (deutschen) Markt sieht. So wurden "extra großen Datenpakete mit o2-Free" realisiert, nach Ablauf des gebuchten Datenvolumens wird die Geschwindigkeit gedrosselt, aber nicht so drastisch, dass man nicht die meisten Dienste noch weiter nutzen könnte.
2018 stellte o2 sein "neues Portfolio" vor, gefolgt von "o2-TV" und "o2-You" ein Jahr später.
Metze erklärte, man habe das Netz "massiv ausgebaut" und die "Qualität spürbar verbessert". Dabei gebe es einen klaren Plan, es sei Schritt für Schritt "geliefert" worden.
Als Indikatoren sieht o2 die "unabhängige Auszeichnungen für Tarife, Service, Vertrieb aber auch Netz." o2 - so sieht man es bei Telefónica - stehe heute deutlich positiver als vor zwei bis drei Jahren da. Die Finanzkennzahlen (Key Perfomance Indices = KPI) zeigten, das o2 "auf dem richtigen Weg" sei, die "Marke o2 ist Motor" des Unternehmens.
Nicht ausruhen
Gleichwohl wolle sich o2 "nicht ausruhen", die Branche stehe 2020, dem Start ins Jahrzehnt des Mobilfunks, vor einem Paradigmenwechsel (= Wechsel der Grundlagen und der Regeln). "Die Technologie wird Leben der Menschen prägen, wie nie zuvor", der "Kunde möchte sich keine Gedanken machen. Er möchte kein Produkt von der Stange, er möchte eine individuelle Lösung für sein persönliches Bedürfnis. Der Kunde möchte keine Bevormundung, er möchte frei sein und flexibel bleiben. Der Kunde möchte keinen Anbieter, der seine Kunde von oben herab behandelt, sondern auf Augenhöhe und fair bleibt."
Die neuen Tarife, die eine unlimitierte Datenmenge liefern, unterscheiden sich in der maximalen Höchstgeschwindigkeit. Dieses Prinzip kennen wir bislang nur aus dem Festnetz, wo man beispielsweise DSL 16 000 oder DSL 25 000 oder mehr haben kann (wenn das Netz vor Ort es kann). In der Schweiz bietet der Netzbetreiber Swisscom diese Stufenregelung auch schon länger für Mobilfunk an. In Deutschland gab es das bislang nicht.
Der Tarifarchitekt: Jörg Wrede
Jörg Wrede, der Preisarchitekt (Director Strategy,Pricing & Business Excellence) bei Telefónica Deutschland.
Foto: Telefónica Deutschland
Die neuen Tarife gelten ab dem 4. Februar. Sie wurden von einem bereichsübergreifenden Team unter der Leitung von Jörg Wrede entwickelt, der bei o2 für die Strategie und die Preise im Privatkundengeschäft zuständig ist.
Dabei wurden die Leitprinzipien "Individualisierung, Flexibilität und Fairness" anhand von Marktforschungsergebnissen und aus Gesprächen der o2-Service-Mitarbeiter in Endkunden-Kontakten ausgewertet. "Angebote von der Stange haben keine Zukunft".
Neue (alte) Falltüre in den neuen o2-Free-Tarifen
Schon wollten wir die neuen Tarife über alles loben, da tut sich eine neue (alte) Falltür auf: Wer bei den "neuen" o2-Free-Tarifen (ab dem 4. Februar) das inkludierte Datenvolumen überschreitet, wird radikal auf 32 kBit/s (also 4 kB/s!) gebremst. Wie war das mit der Bevormundung und der Flexibilität?
Eine Einschätzung
Die neuen Geschwindigkeits-Tarife stellen die deutsche Tariflandschaft kräftig auf den Kopf. o2 traut sich, das zu tun, was bei Vodafone z.B. in Italien oder Swisscom in der Schweiz schon üblich ist. Eine Geschwindigkeit von 2 MBit/s, wenn sie denn zuverlässig anliegt, ist für die meisten Anwendungen durchaus ausreichend. Wenn man aber in 2G-only-Regionen lebt (wovon es noch viel zu viele gibt), lohnt sich selbst dieser Tarif (noch) nicht.
Da hätten die mit mehr Inklusivvolumen aufgewerteten o2-Free-Tarife die richtige Alternative sein können. Warum man dort aber in den Fußnoten wieder die Vollbremsungs-Drosselungskeule reinhaut, wird man nur bei o2 verstehen. Das "Ende der Bevormundung" erreicht man damit nicht. Wer also noch in einem "alten" o2-Free-Tarif mit Weitersurf-Garantie sein sollte, wird diese neuen Tarife eher "links liegen" lassen.
Und im Übrigen: o2 muss (und wird) sein Netz weiter massiv ausbauen. Nun darf man gespannt sein, ob und inwieweit Vodafone und Telekom dieses Geschwindigkeits-Stufen-Modell übernehmen und wenn ja, zu welchen Preisen.
o2 hat inzwischen auch die USSD-Code-Steuerung für MultiCards abgeschaltet. Wir haben uns angesehen, was sich genau geändert hat.