Editorial: Vectoring, die Zweite
Die BNetzA-Entscheidung zum VDSL Vectoring im Nahbereich kennt keine Sieger. (Archivbild)
Bild: dpa
Gut zwei Jahre ist es her, dass ich mich über die
seltene Einmütigkeit von
Telekom und
den Wettbewerbern wunderte, die allesamt die damalige
Vectoring-Entscheidung
der Bundesnetzagentur lobten. Im wesentlichen war damals für den
Ausbau von VDSL Vectoring an Kabelverzweigern (Kvz) das
Windhundverfahren beschlossen worden: Wer einen Standort zuerst
in die Vectoring-Liste eintragen lässt, darf diesen dann exklusiv
mit breitbandigem VDSL Vectoring ausbauen.
Inzwischen ist die Einmütigkeit dahin. Zwar herrscht zwischen Telekom und Wettbewerbern insoweit weiterhin Konsens, als sie den jüngsten Entwurf der anstehenden Entscheidung zum VDSL Vectoring im Nahbereich von Vermittlungsstellen kritisieren, doch die Gründe für die Kritik könnten unterschiedlicher kaum sein: Die Telekom ist sauer, dass sie nicht alle Nahbereiche exklusiv für sich sichern konnte. Die Konkurrenz wiederum bemängelt, dass die Zugangshürden zum Vectoring-Ausbau im Nahbereich einer Vermittlungsstelle für sie viel zu hoch seien, und vor allem ungerecht im Vergleich zur Telekom. So soll die Telekom den eigenen VDSL-Vectoring-Ausbau im Nahbereich bis Ende 2018 durchführen. Die Konkurrenz muss sich hingegen zum Ausbau bis Ende 2017 verpflichten, wenn sie sich einen Standort sichern will.
Warum in zwei Stufen? Warum unterschiedlich?
Die BNetzA-Entscheidung zum VDSL Vectoring im Nahbereich kennt keine Sieger. (Archivbild)
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Am aktuellen Vectoring-Entscheidungsentwurf verwundert am meisten,
dass es ihn überhaupt gibt. Warum hat man nicht 2013 den Nahbereich
der Vermittlungsstellen gleich mit entschieden und demselben
Windhundverfahren unterworfen? Ob man nun
Vectoring ab dem Kabelverzweiger oder Vectoring ab der
Vermittlungsstelle ausbaut, macht nämlich technisch keinen großen
Unterschied. Die Investitionskosten sind für den Nahbereich einer
Vermittlungsstelle zwar in der Regel höher, da diese - anders als
viele Kvz - meist in dichter besiedelten Gebieten stehen und
entsprechend viele Anschlüsse im Nahbereich liegen. Ausreichend
potente Wettbewerber, die sich die zugehörigen Investitionen
leisten können, gab es aber auch schon 2013.
Antrag in zwei Runden
Letztendlich ist die Entscheidung in zwei Stufen dem Taktieren der Deutschen Telekom geschuldet. Zum Zeitpunkt ihres ersten Vectoring-Antrags ahnte sie sicher, dass sie mit ihrem Ansinnen, die Kvz nachträglich mit VDSL Vectoring aufzurüsten, auf massive Gegenwehr stoßen würde. Bedeutete ihr Ansinnen doch, dass sie an diesen - oft weit abgelegenen - Kvz bestehende VDSL-Alternativanbieter (ohne Vectoring) jeweils vertreiben würde, wenn sie selber Vectoring ausbaut. Es war absehbar, dass diese Alternativbetreiber das Recht für sich beanspruchen würden, selber Vectoring auszubauen, und es war nicht ganz unwahrscheinlich, dass die Bundesnetzagentur oder später die Gerichte den Wettbewerbern recht geben würden. Entsprechend beschränkte die Telekom ihren ersten Vectoring-Antrag auf die Teile der Infrastruktur, wo ihr eigener VDSL-Ausbau nicht so stark war, und wo sie mit Vectoring vor allem gewinnen könnte: Den mittleren und großen Entfernungsbereich von den Vermittlungsstellen aus.
Am Ende wird die Telekom über ihre Entscheidung, die Vermittlungsstellen vom Vectoring-Antrag auszunehmen, sehr glücklich gewesen sein: Schließlich fiel die Entscheidung der Bundesnetzagentur im Vergleich zum Telekom-Antrag relativ stark zugunsten der Wettbewerber aus. Letztere bekamen das Recht, sich Standorte exklusiv zu sichern: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Faktische Übernahme einer Vermittlungsstelle
Nun muss man sich klar machen, was es bedeutet, wenn ein Wettbewerber VDSL Vectoring nicht nur am Kvz, sondern direkt an der Vermittlungsstelle ausbaut: Faktisch übernimmt dieser Wettbewerber diese Vermittlungsstelle! Denn alle hochbitratigen Anschlüsse werden dann künftig über diesen Anbieter geschaltet. Zwar verbleiben anfangs sicher noch eine erhebliche Zahl an herkömmlichen Analog-, ISDN-, ADSL- und ADSL2-Anschlüssen. Doch deren Technik hat keine Zukunft mehr. Spätestens, wenn sie ausfällt, wird auf aktuelle VDSL2-Line-Cards migriert, selbst dann, wenn der Kundenvertrag unverändert nur die alte Leistung vorsieht.
Künftig darf die Telekom in einer Vermittlungsstelle aber keine VDSL2-Karten stecken, wenn dort die Vectoring-Rechte an einen Konkurrenten vergeben worden sind. Die Telekom hat somit bei Fremd-Vectoring langfristig nur eine von zwei Handlungsalternativen, die ihr beide nicht gefallen: Entweder investiert sie in den Fortbestand der alten Technik, oder sie migriert ihre uralt-Bestandskunden nach und nach auf den Wettbewerber. Im letzteren Fall bleibt sie zwar Eigentümerin der Immobilie und des Kupferkabelnetzes. Die aktive Technologie am Kabel kommt aber nicht mehr von ihr.
Von daher ist verständlich, dass die Telekom alle ihre Lobby-Hebel in Bewegung setzte, um ein Fremd-Vectoring in ihren Vermittlungsstellen zu verhindern. Anfangs sah es auch danach aus, dass sie damit Erfolg haben könnte. Die jetzige Entscheidung der Bundesnetzagentur zeigt, dass ihr der Durchmarsch jedoch nicht geglückt ist: Zumindest dort, wo das Vectoring im Fernbereich einer Vermittlungsstelle bereits überwiegend von einem Alternativ-Anbieter betrieben wird, kann dieser nun auch den Nahbereich übernehmen. Würde die Bundesnetzagentur den Wettbewerbern nicht zumindest dieses Minimal-Recht geben, würde die Vectoring-Nahbereichs-Entscheidung mit Sicherheit von den Gerichten kassiert werden.
Dennoch stellt sich die Frage, ob die Vectoring-Entscheidung den Wettbewerbern nicht mehr Rechte einräumen sollte, um den Wettbewerb zu fördern: Warum sollte man nicht einfach das erprobte Windhundverfahren auch auf den Nahbereich anwenden? Den Kunden kann es schließlich nur nutzen, wenn mehrere Anbieter um den Vectoring-Ausbau einer Vermittlungsstelle wetteifern. So erfolgt der Ausbau am Ende schneller.