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Druck auf Händler: Vodafone-Insider legt weitere Infos vor

Ein ehema­liger Voda­fone-Partner-Händler wirft Voda­fone weiter Daten­schutz­pro­bleme vor und legt dafür weitere Belege vor.
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Ein Vodafone-Shop in London. Deutsche Shop-Betreiber stehen massiv unter Druck um ihre "Ziele" zu erreichen. Ein Vodafone-Shop in London. Deutsche Shop-Betreiber stehen massiv unter Druck um ihre "Ziele" zu erreichen.
Foto: Picture Alliance / dpa
Wir hatten über einen ehema­ligen Voda­fone-Partner-Agentur-Händler berichtet, der nicht nur schwere Vorwürfe zur Daten­sicher­heit bei Voda­fone erhebt, sondern dafür auch Beweise vorge­legt hat.

Der Händler hat teltarif.de einen ausführ­lichen E-Mail-Schrift­wechsel zwischen ihm und Voda­fone zur Verfü­gung gestellt. Das Mate­rial ist buch­stäb­lich "erdrü­ckend".

Voda­fone unter­sucht Vorfälle

Ein Vodafone-Shop in London. Deutsche Shop-Betreiber stehen massiv unter Druck um ihre "Ziele" zu erreichen. Ein Vodafone-Shop in London. Deutsche Shop-Betreiber stehen massiv unter Druck um ihre "Ziele" zu erreichen.
Foto: Picture Alliance / dpa
In einer Pres­seer­klä­rung von letzter Woche teilt Voda­fone mit, dass man "weiterhin eine Reihe von Vorfällen bei externen Vertriebs­part­nern des Unter­neh­mens" unter­suche.

"Diese wurden dem Unter­nehmen zu Teilen durch einen externen Hinweis­geber (Whist­leblower) zuge­tragen und beziehen sich größ­ten­teils auf eine bestimmte Vertriebs­region", schreibt Voda­fone.

Händler: Bin kein Whist­leblower

Dem wider­spricht der Händler ener­gisch, ein "externer Hinweis­geber (Whist­leblower)" zu sein, denn er sei mehr­fach "bei Voda­fone am Campus" in den Büro­räumen auf Einla­dung des Unter­neh­mens gewesen und habe an diversen Unter­suchungen mitge­wirkt. Nach mehr­fachen Auffor­derungen von Voda­fone-Mitar­bei­tern (die von ihm auch nament­lich genannt werden) und der Bera­tungs­gesell­schaft KPMG habe der Händler "Beweis­mittel zur Über­füh­rung von Betrü­gern und krimi­nellen Netz­werken" der Voda­fone GmbH über­geben und zuge­stellt. Während Voda­fone nur über "Indi­zien über Verlet­zungen der daten­schutz­recht­lichen Bestim­mungen" spreche, habe er, so formu­liert es der Händler, "knall­harte Fakten über­geben".

Voda­fone hat 10 Partner gekün­digt und 53 Läden geschlossen

Voda­fone betont in seiner Erklä­rung, "hart und umge­hend reagiert" und seine Sicher­heits­maß­nahmen erhöht zu haben. Es seien 15 Straf­anzeigen gestellt, man habe sich von 10 Part­nern getrennt und 53 Laden­lokale geschlossen. Mit den "iden­tifi­zierten, betrof­fenen Kunden" habe das Unter­nehmen "etwaige Unstim­mig­keiten im direkten Dialog geklärt".

So seien "betrü­geri­sche Hand­lungen gegen das Unter­nehmen genau wie gegen seine Kunden" nach­gewiesen worden, wobei Vertrags­abschlüsse "teils mit hoher krimi­neller Energie ohne Zustim­mung der Kunden vorge­nommen" worden seien. Provi­sionen, Rabat­tie­rungen oder Incen­tives (Beloh­nungen für beson­ders aktive Händler, z.B. Reisen, Events etc.) seien "zu Lasten des Unter­neh­mens" miss­braucht worden.

Voda­fone habe "Indi­zien dafür, dass durch Vertriebs­partner daten­schutz­recht­liche Bestim­mungen verletzt wurden" und stehe mit dem Bundes­beauf­tragten für Daten­schutz und Infor­mati­ons­frei­heit (BfDI) im regel­mäßigen Austausch, ja man habe "im Rahmen eines erwie­senen Daten­schutz­ver­stoßes frist­gerecht eine Meldung" an diese Behörde gemacht.

Mehr­zahl der Hinweise habe sich nicht bestä­tigt?

Voda­fone ist der Ansicht, die Mehr­heit der durch den "Whist­leblower" über­mit­telten Hinweise habe sich am Ende nicht bestä­tigt. Dem wider­spricht der Händler ener­gisch und nennt nament­lich die Betreiber, denen fristlos gekün­digt worden sei.

Das Soft­ware-System "Tausch­rausch" (= Inzah­lung­nahme alter Handys bei Kauf eines neuen Gerätes) sei einge­stellt und die Zugänge zu einem Soft­ware­system namens "SSS" gesperrt worden. Dort hätte man "ohne Kenn­wort und ohne alter­native Daten" alles und zu jedem Kunden einsehen können.

Händler: Keine Erpres­sung, sondern zuge­sagte Entloh­nung

Voda­fone unter­stellt dem Hinweis­geber eine "über­raschende Forde­rung nach einer hohen Geld­summe" und wirft indi­rekt "Erpres­sung" vor. Auch diesem Vorwurf wider­spricht der Händler ener­gisch. Er habe seit März 2020 für die Unter­neh­mens­sicher­heit gear­beitet und im September 2020 mit seinem Ansprech­partner die finan­ziellen Rahmen­bedin­gungen bespro­chen. In zwei Vertrags­ent­würfen, die teltarif.de vorliegen, wurde regel­mäßige monat­liche Zahlungen, die in Summe bis zu einer nied­rigen sechs­stel­ligen Summe reichen könnten, zuge­sagt. Gezahlt wurde, so der Händler, jedoch bislang nichts.

Voda­fone beteuert sorg­fäl­tigen Umgang

Voda­fone beteuert, dass "der sorg­fäl­tige Umgang mit perso­nen­bezo­genen Infor­mationen von höchster Bedeu­tung" sei. Provi­sions­maß­nahmen seien über­arbeitet und Kontroll­sys­teme verschärft worden.

Was können betrof­fene Kunden tun?

Für mögli­cher­weise betrof­fene Kunden hat Voda­fone eine FAQ erar­beitet. Nach­weis­lich geschä­digte Kunden würden von Voda­fone von selbst ("proaktiv") tele­fonisch und/oder schrift­lich benach­rich­tigt und für den entstan­denen Schaden "selbst­ver­ständ­lich voll entschä­digt."

Kunden, die Auffäl­lig­keiten in ihren Verträgen/Abrech­nungen bemerken, sollen sich bei der Service-Hotline unter der kosten­losen Rufnummer 0800-172-1212 wenden, schlägt Voda­fone vor.

Bei Vertrags­abschlüssen in einem Voda­fone-Shop sollten Kunden die erhal­tenen Vertrags­unter­lagen sowie die "Vertrags­bestä­tigung aufmerksam auf Rich­tig­keit prüfen". Fragen oder Unre­gel­mäßig­keiten könnten über die Service-Hotline (0800-172-1212) "im direkten Dialog" geklärt werden.

Weiterhin offene Systeme?

Der Händler stellt dazu fest, dass die Voda­fone-Soft­ware­sys­teme mit den Namen wie "EPOS" (für den Fach­handel), "KIAS" (mäch­tige Kunden­ver­wal­tungs­soft­ware), "KBA", "KD Tool", "VORAS", "SIGNO SIGN" oder "SFO" immer noch "offen wie ein Scheu­nentor" seien.

Falls gewünscht, könne er das demons­trieren, "gerne in Anwe­sen­heit von BFDI, TÜV Rhein­land, Notaren oder Gutach­tern". Man müsse ihm nur einen Stra­ßen­namen aus Nord­rhein-West­falen nennen. Anhand der Haus­nummer könne er sagen, wer alles in dem Haus einen Voda­fone Anschluss hat oder hatte und persön­liche Daten wie Geburts­datum, Handy­ruf­nummer oder die Höhe der letzten Rech­nungen seien einsehbar, nach weiteren zwei Minuten könne er sogar die Bank­ver­bin­dung (IBAN) angeben.

Hoher Vertriebs­druck

Der Händler zeigte uns Auszüge aus Voda­fone-internen Rund­mails an Vertriebs­beauf­tragte (VB) oder Partner-Shops, die eine auffal­lende hohe Anzahl von Vertrags­stor­nie­rungen aufwiesen. Für ihn ist das ein sicherer Hinweis, dass sehr viele Verträge nicht im Sinne oder mit genauem Verständnis der Betrof­fenen zustande kamen.

Anhand einer Rund­mail des Voda­fone-Vertriebs kann der Händler belegen: Der Druck aus der Voda­fone-Zentrale auf die Händler, trotz aller Widrig­keiten (z.B. Corona) "bessere Zahlen" abzu­lie­fern, sei enorm.

Zitate aus einer internen Mail: "Das Zusatz­geschäft entwi­ckelt sich aber noch immer nicht wie gewünscht. Positiv ist ... konnten uns um 1 Prozent stei­gern. Nach wie vor streben wir die 20 Prozent Zusatz­quote an. Beson­ders Luft haben wir bei TV. Hier liegen wir mit 11,4 Prozent schon deut­lich im Vergleich zurück." Und an anderer Stelle heißt es: "Partner, die während des Lock­down weiterhin Wege finden, Geschäfte zu machen, haben damit die Chance auf eine höhere K-Stufe für das Q1 21/22."

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Vorneweg: Der Autor hat vor etwa neun Jahren für ein Jahr bei einem Mobil­funk-Fach­händler gear­beitet, der Verträge von Telekom, Voda­fone und o2 schalten konnte, besuchte eine Verkaufs­schu­lung mit Zerti­fikat und kennt daher viele Abläufe aus eigener Erfah­rung. Er war damals im Laden mehr damit beschäf­tigt, teil­weise ziem­lich kompli­zierte Kunden­pro­bleme zu lösen, als Neukun­den­geschäft oder Vertrags­ver­län­gerungen zu gene­rieren. Einige Kunden Kunden betraten nur mit großer Nervo­sität und Aver­sion gegen jede Art von Neuver­trag das Geschäft. Geld gabs vom Netz­betreiber aber nur für Neuver­träge oder Vertrags­ver­län­gerungen. Der Shop-Betreiber tat das einzig vernünf­tige: Er schloss den neuen Laden wieder und ist inzwi­schen im Bereich Soft­ware- und PC-Wartung tätig.

Die von dem Händler aktuell vorge­legten Unter­lagen bestä­tigen das schon damals gewon­nene Bild. Ein Handel, der nur von Provi­sionen lebt (je mehr verkauft wird, desto besser), der perma­nent zu neuen Höchst­leis­tungen und Erfolgs­prä­mien "gedrängt" wird, kann diesem Druck nur auswei­chen, wenn er jeden Kunde, der sich nicht massiv dagegen wehrt, mit Produkten und Optionen bombar­diert, damit die Zahlen stimmen.

Gute Zahlen mögen Voda­fone-Konzern­chef Nick Read, der kürz­lich in Düssel­dorf gesichtet wurde, bestimmt gefallen, weil er damit seine Inves­toren und Share­holder "beru­higen" kann. Auf die Dauer ist dieser Druck aber ziem­lich unge­sund. Und wie viele Kunden mehr könnte ein Unter­nehmen haben, wenn die alle zufrieden wären?

Noch immer berichten teltarif.de-Leser über aggressiv formu­lierte Post­karten von Voda­fone-Kabel-Vertriebs­part­nern. Nach der Inter­ven­tion von teltarif.de wurde im Sommer erneut ein Partner abge­mahnt und einer gekün­digt.

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