Wettbewerbsbehinderung

EU-Kommission eröffnet Kartellverfahren gegen Deutsche Telekom (aktualisiert)

Weitere Verfahren gegen große TK-Konzerne in der EU nicht ausgeschlossen
Von dpa / Marie-Anne Winter

Die Deutsche Telekom muss sich wegen angeblich überhöhter Gebühren erstmals einem Kartellverfahren der EU-Kommission stellen. Der Bonner Konzern steht im Verdacht, Konkurrenten mit überhöhten Preisen den Zugang zum Telefonortsnetz versperrt und damit seine Marktmacht missbraucht zu haben, wie die Kommission heute in Brüssel mitteilte. Konkurrenten müssten höhere Gebühren für den Netzzugang zahlen als Telekom-Endkunden. Die Telekom nannte die Vorwürfe nicht nachvollziehbar.

In einem Kartellverfahren, das gegen ein Unternehmen wegen der vermuteten Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung möglich ist, kann die Kommission empfindliche Bußgelder von bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes verhängen. Die Deutsche Telekom erwirtschaftete 2001 einen Umsatz von 48,3 Milliarden Euro.

Die Telekom kann nun innerhalb von zwei Monaten zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Die Behörde in Brüssel schloss weitere Verfahren gegen große Telekomkonzerne in der EU ausdrücklich nicht aus. "Die anderen sind nicht aus dem Schneider", sagte ein EU-Mitarbeiter.

Telekom-Sprecher Stephan Broszio sagte, es sei unverständlich, warum ausgerechnet Deutschland ins Blickfeld geraten sei. Schließlich seien die gesamten Produkte in dem Bereich reguliert. Die Telekom habe 700 000 Leitungen (TAL) auf der so genannten letzten Meile vom Hauptverteiler zum Anschluss des Kunden vermietet, während es im übrigen der Teil der EU weniger als 100 000 seien. "Unsere Preise liegen um unteren Ende", sagte der Sprecher.

Dass die Telekom im Ortsnetz mit einem Marktanteil von mehr als 90 Prozent weiterhin über eine Quasi-Monopol verfügt, gefällt auch der deutschen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post nicht. Aber sie hatte dem Unternehmen erst vor wenigen Wochen einen TAL-Mietpreis von 12,48 Euro genehmigt. Macht die Konkurrenz in diesem Bereich Boden gut, könnte die Telekom im Festnetzgeschäft weitere Erträge verlieren. Die deutsche Behörde äußerte sich heute nicht.

Die EU-Kommission wies Vermutungen zurück, das Verfahren gegen einen der größten deutschen Konzerne sei eine "Antwort" auf die erst in der vergangenen Woche in Brüssel vorgebrachte Kritik von Bundeskanzler Gerhard Schröder an der Industriepolitik der Behörde. "Wir machen unsere normale Arbeit", sagte eine Sprecherin von Wettbewerbskommissar Mario Monti.

Monti selbst kritisierte, viele neue Anbieter im Ortsnetz hätten ihr Geschäft aufgeben müssen. "Ich glaube aber, das noch viel getan werden kann, um den Wettbewerb in diesem Bereich zu fördern." Monti stützt sich beim seinem Vorgehen auf Beschwerden von Mannesmann Arcor und etwa 15 kleineren regionalen Anbietern.

Es sei nicht Sache der EU-Kommission zu entscheiden, ob beim Ortsnetz-Zugang die Preise für Privatkunden erhöht oder jene für die Konkurrenten gesenkt werden müssen, sagte die Sprecherin. Innerhalb der von der deutschen Regulierungsbehörde zugelassenen Preise habe die Telekom genug Spielraum, um ihren Konkurrenten den Wettbewerb zu ermöglichen. Nach Ansicht Brüssels liegt das im Interesse der Kunden. Gerade im Telekom-Markt habe sich gezeigt, dass der Wettbewerb im Sinne der Verbraucher die Preise drückt.

Die Kommission hatte bereits im März wegen unzureichender Öffnung der Telefon-Ortsnetze weitere rechtliche Schritte gegen Deutschland eingeleitet. Es droht weiterhin eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Dieses Verfahren würde sich gegen die Bundesrepublik richten, nicht gegen die Telekom.

Die Öffnung der "letzten Meile" zum Telekom-Endkunden war im Jahr 2000 von der EU-Kommission durchgesetzt worden. Damit soll vor allem das Surfen im Internet billiger werden, da sich die meisten Benutzer über örtliche Nummern ins Netz einwählen. Vier Jahre nach der in Deutschland angeordneten Öffnung seien gerade zwei Prozent aller Ortsnetz-Anschlüsse "entbündelt" worden, schrieb die Kommission. Die Deutsche Telekom habe hingegen noch einen Marktanteil von 98 Prozent.