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Internet-Sperrsystem in NRW funktioniert vorläufig nicht / Mögliche Folgen bei Sperrung von Internetangeboten (aktualisiert)

Filtersystem für Propaganda-Seiten scheitert an technischen Schwierigkeiten
Von dpa / Marie-Anne Winter

Der Auftrag der Düsseldorfer Bezirksregierung, ein Filtersystem für Nazi-Propaganda im Internet zu entwickeln, bleibt vorerst unerfüllt. "Es ist nicht gelungen, im vorgesehenen Zeitrahmen ein funktionierendes Filtersystem zu erstellen", sagte der Direktor des Hochschulrechenzentrums (HRZ) der Universität Dortmund, Günter Schwichtenberg, heute der dpa.

Er bestätigte damit teilweise eine Meldung des Chaos Computer Clubs (CCC), wonach die "Sperrung von Internet-Inhalten durch eine filterbasierte Zensur-Infrastruktur" auf der technischen Ebene gescheitert sei.

Der Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow (SPD) hatte im Februar 80 Internet-Provider in Nordrhein-Westfalen angewiesen, den Zugang zu zwei rechtsextremen Seiten aus den USA zu blockieren. Die Bezirksregierung beruft sich als Aufsichtsbehörde für Nordrhein-Westfalen auf den Mediendienste-Staatsvertrag.

Das Vorhaben war auf massive Kritik gestoßen. Kritiker lehnen die Sperranweisung als verfassungswidrige Zensur ab, die nur durch eine totalitäre Überwachung des Telekommunikationsverkehrs der Bürger umgesetzt werden könne.

Die Bezirksregierung hatte die Firmen bocatel, intranet GmbH und Siemens Webwasher mit der Ausarbeitung eines Internet-Filtersystems beauftragt. Die Universität Dortmund hatte dabei die Federführung des Expertenkreises übernommen.

"Es gibt derzeit keine funktionierende Lösung", sagte Schwichtenberg. "Es handelt sich um ein Software-Problem. Es ist aber absehbar, dass es gelingen kann." Dies hänge jedoch von dem Aufwand ab, den man in dieses Projekt stecke. "Und es geht auch um die Frage, wer diesen Aufwand übernimmt", meinte der HRZ-Direktor. Die Experten überlegen inzwischen, der Bezirksregierung Alternativen zum bislang geplanten Vorgehen vorzulegen. "Die Bezirksregierung ist vielleicht gut beraten, das Vorhaben nicht in dieser Weise umzusetzen, wie das bislang angedacht wurde", sagte Schwichtenberg.

Jürgen Schütte, Dezernent für Medienaufsicht der Bezirksregierung Düsseldorf, sagte der dpa, der Expertenkreis werde an diesem Donnerstag über den Stand der Dinge berichten. Vorher könne die Bezirksregierung keine Stellung nehmen.

Gleichzeitig hat heute die deutsche Internet-Branche ausdrücklich vor den wirtschaftlichen Folgen des Vorgehens gegen Nazi-Angebote im Internet gewarnt. Die Sperrungsverfügungen gegen 80 nordrhein-westfälische Zugangsanbieter gefährdeten gleichzeitig den Standort Deutschland für Internet-Unternehmen, warnte der Branchenverband ECO in Düsseldorf.

Sollte die Sperrung gegen zwei rechtsextremistische Angebote gelingen, könnte ein Strudeleffekt auftreten, welcher wirtschaftliche Konsequenzen für die Rund 3 000 regionalen Betreiber mit sich bringt. Denn nach Experteneinschätzungen gibt es in Deutschland rund 1 500 Webseiten, weltweit sind es vermutlich Millionen Seiten, welche rechtlich bedenklich sind. Die Sperr-Maßnahmen seien unzumutbar und sowohl von den Nutzern, wie auch von den Anbietern leicht zu umgehen. Entsprechende Anleitungen für Nutzer seien bereits mehrere 10 000 Mal im Netz abgerufen worden.