Ausstrahlung

Blauer Engel: Boykotte und Appelle

Wem nützt das Gütesiegel für strahlungsarme Handys?
Von Marie-Anne Winter

Eins ist klar - aufs Handy will der modern-mobile Mensch nicht verzichten, auch wenn kaum jemand einen Mobilfunkmast auf seinem Haus habe möchte. Nicht anders ist es mit den kleinen Handgeräten selbst - so ein Mobiltelefon mag mehr oder weniger strahlen, in die Hand nimmt man es doch, wenns klingelt. Deshalb mutiert das Gezerre um den "Blauen Engel" für Handys allmählich zu einer Farce: Nachdem die Hersteller in der letzten Woche den Boykott des Umwelt-Gütesiegels verkündet haben, werfen sich jetzt Bundesumweltminister Jürgen Trittin und der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, in die Bresche: Sie haben gemeinsam an die Handyhersteller appelliert, für strahlungsarme Handys den blauen Umweltengel zu beantragen und zu verwenden.

Unabhängig davon sollten die Verbraucherinnen und Verbraucher sich beim Kauf eines Gerätes an dem SAR-Wert von 0,6 Watt pro Kilogramm orientieren, betonten Trittin und König gestern bei der Vorstellung des BfS-Jahresberichtes in Berlin. "Die bestmögliche Vorsorge vor potenziellen Gefahren ist unsere oberste Maxime für einen zukunftsorientierten Strahlenschutz," sagte König zum Selbstverständnis des von ihm geleiteten Amtes. Neben dem Strahlenschutz gehörten auch die Genehmigung von Transporten von radioaktiven Abfällen und die Genehmigung von dezentralen Zwischenlagern an den Standorten der Atomkraftwerke zu den Schwerpunktaufgaben des BfS im vergangenen Jahr.

Wolfram König: "Beim Schutz der Bevölkerung vor elektromagnetischen Feldern spielt die Vorsorge eine zentrale Rolle. Unser Ziel ist es, durch vorsorgende Maßnahmen mögliche Risiken zu minimieren. Dazu gehört eine umsichtige Nutzung des Mobilfunks, aber auch, dass Grenzwerte, die den Schutz vor nachgewiesenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen gewährleisten, laufend überprüft werden. Grenzwerte und Vorsorge sind zwei Aspekte des Strahlenschutzes vor nichtionisierender Strahlung, die einander ergänzen." Das BfS hat im vergangenen Jahr Empfehlungen zum umsichtigen Gebrauch von Handys erarbeitet, um die Einwirkung elektromagnetischer Felder des Mobilfunks auf die Nutzerinnen und Nutzer gering zu halten.

Zum vorbeugenden Umwelt- und Gesundheitsschutz gehört auch, dass noch offene wissenschaftliche Fragen geklärt werden. Deshalb weitet das Bundesumweltministerium die Forschung deutlich aus. Bis 2005 stellt das Ministerium für den Bereich Mobilfunk insgesamt 8,5 Millionen Euro zur Verfügung, die Netzbetreiber haben sich verpflichtet, das Programm noch einmal mit der gleichen Summe zu unterstützen. Das BfS hat das Forschungsprogramm im vergangenen Jahr in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, Ländervertretern und Nichtregierungsorganisationen konzipiert. Es umfasst die Bereiche Dosimetrie, biologische Wirkungen auf Menschen, Tiere und Zellen, Epidemiologie sowie Risikokommunikation.

Ob sich die Verbraucher beim Handykauf tatsächlich an dem Gütesiegel für strahlungsarme Handys orientieren werden, bleibt abzuwarten. Es gibt auch andere, höchst einfache Mittel, um die Strahlung zu minimieren: Weniger oft zum Handy zu greifen nämlich. Das soll nebenbei auch positive Auswirkungen auf die Mobilfunkrechnung haben.