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Telekom-Aufsichtsrat will 1A-Kandidaten

Regierung unter Zugzwang
Von dpa / Karin Müller

Der Aufsichtsrat der Deutschen Telekom ist wählerisch. Nicht irgendein guter, sondern ein erstklassiger Manager mit Vision und Erfahrung sollte es schon sein, wenn Telekom-Chef Ron Sommer wirklich seinen Hut nehmen muss. Auf der Suche nach diesem Kandidaten ist nach Informationen in Berlin der Finanzstaatssekretär Manfred Overhaus. Noch sei das 20-köpfige Gremium nicht bereit, einen Unternehmensführer aus der zweiten Reihe als Notlösung zu akzeptieren. Es müsse ein Schwergewicht mit Erfahrung mit Telekom-Geschäft her.

Dieser 1A-Kandidat müsse einen Plan für die Zukunft der hoch verschuldeten Deutschen Telekom AG auf den Tisch legen. Das Personalkarussell drehte sich auch heute auf Hochtouren. Als Favorit für die Nachfolge nannte das "Handelsblatt" den DaimlerChrysler-Manager Klaus Mangold, der postwendend dementieren ließ. Zuvor hatten bereits unter anderem Ex-VW-Vorstandschef Ferdinand Piech und angeblich auch Porsche-Boss Wendelin Wiedeking abgewunken. Für Overhaus, der als Mann für schwierige Fälle im Finanzministerium gilt, ist es offensichtlich schwierig, bei den ersten Adressen der deutschen Wirtschaft einen Top-Manager für den Posten beim Bonner Telekom-Konzern loszueisen.

Wie sich das Kräfteverhältnis im Aufsichtsrat bis zur entscheidenden Sondersitzung am Dienstag entwickeln wird, war völlig offen. Die Arbeitnehmervertreter tendieren nach Informationen aus Unternehmenskreisen eher gegen eine Ablösung. Um Sommer abzuwählen, ist im ersten Wahlgang eine Zwei-Drittel-Mehrheit (14:6 Stimmen) nötig. Scheitert ein erster Abwahlantrag, könnte sofort oder spätestens nach vier Wochen ein zweiter Wahlgang beantragt werden. Dann wäre eine einfache Mehrheit von 11:9 Stimmen ausreichend.

Die Bundesregierung, die 43 Prozent der Telekom-Anteile hält, habe durch die "dilettantische Vorbereitung des Sommer-Theaters" zahlreiche Aufsichtsräte verärgert, verlautete aus dem Umfeld des Unternehmens. Der Zorn der Aufseher richte sich aber nicht nur gegen die politische Einflussnahme aus Berlin. Auch Aufsichtsratschef Hans- Dietrich Winkhaus habe sich von seinen Kollegen deutliche Worte anhören müssen. Sein Versuch, am vergangenen Dienstag das Aufsichtsratspräsidium für einen Rauswurf Sommers zu gewinnen, sei gescheitert, lauteten Einschätzungen aus dem Unternehmen.

Als wenig hilfreich soll auch ein Interview von Winkhaus mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" bewertet worden sein. Darin hatte der Präsident des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zwar den Vorwurf zurückgewiesen, der Aufsichtsrat sei ein Befehlsempfänger des Großaktionärs Bund. Gleichzeitig habe Winkhaus etwas umständlich erklärt, beide Seiten arbeiteten bei "strategischen Fragestellungen" zusammen. Damit habe er Versuche der Telekom-Spitze, ihre Unabhängigkeit zu unterstreichen, torpediert.

Schon jetzt ist nach Einschätzung von Branchenkennern der Imageschaden für die Telekom beträchtlich. Im Unternehmen heißt es, die Zahl besorgter Anrufe ausländischer Investoren wachse täglich. Die Börsenprofis aus Übersee seien irritiert, dass in Deutschland augenscheinlich ein Kanzler versuche, den Vorstandsvorsitzenden eines DAX-Unternehmens absetzen zu lassen.