der Tag danach

Telekom-Übergangschef Sihler: Radikale Einschnitte nötig

Nach dem Sommer-Abgang: Erste Reaktionen
Von dpa / Marie-Anne Winter

Bei der Deutschen Telekom stehen nach dem Führungswechsel harte Einschnitte bevor. Übergangschef Helmut Sihler kündigte unmittelbar nach seiner Berufung einen radikalen Konsolidierungskurs mit Kostensenkungen und Schuldenabbau an. Der 72-Jährige Ex-Aufsichtsratsvorsitzende Sihler war gestern für eine Übergangszeit von bis zu sechs Monaten zum Nachfolger des zurückgetretenen Konzernchefs Ron Sommer ernannt worden. Sommer hatte nach dem tagelangen Hickhack um seinen Posten den Kampf aufgegeben.

Eine Abfindung für den zurückgetretenen Telekom-Chef Sommer wird es nach Aussage von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) nicht geben. Allerdings werde er entsprechend seinem Vertrag Gehalt bis zum Jahr 2005 beziehen, sagte der Bundesfinanzminister am Dienstagabend vor der Presse in Berlin. Sommers Jahresgehalt umfasst 2,5 Millionen Euro. Er dankte Sommer für die Marktausrichtung der Telekom in den vergangenen Jahren.

Technik-Vorstand Gerd Tenzer, der zuvor selbst als möglicher Konzernchef gehandelt worden war, wird Sihlers Stellvertreter. Es habe keinen politischen Druck auf die Entscheidungen gegeben, betonte der Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Dietrich Winkhaus. In den vergangenen Tagen hatten sich hartnäckig Spekulationen gehalten, wonach Bundeskanzler Gerhard Schröder den Abgang Sommers angestrebt habe. Berlin hatte stets eine Einmischung zurückgewiesen. In einer ersten Reaktion der Regierungsseite begrüßte das Finanzministerium Sommers Rücktritt.

Nach Informationen aus Unternehmenskreisen soll Sommer bis zuletzt um seinen Job gekämpft haben. Er habe die Aufsichtsräte aufgefordert, sich einstimmig hinter ihn zu stellen, hieß es. Als die Unterstützung ausblieb, sei er zurückgetreten. Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt beanspruchte für sich und den DGB-Vorsitzenden Michael Sommer - beide Mitglieder des Aufsichtsrat - die Idee für Sihlers Kandidatur. Sie sei ihnen in einer Sitzungspause gekommen, sagte Hundt am Abend in Stuttgart.

Nähere Einzelheiten zu den Konsolidierungsplänen wurden nicht bekannt. Bereits zu Sommers Zeiten hatte die Telekom auf dem Weg vom Staats-Monopolisten zum Weltkonzern 100 000 Stellen abgebaut. Eines der schwersten Probleme der Telekom ist der gewaltige Schuldenberg von rund 67 Milliarden Euro. Sommer wurde vorgeworfen, ihn durch zu teure Firmenzukäufe weiter aufgebläht zu haben.

Die T-Aktie reagierte auf Sommers Abgang in den ersten Minuten mit einem kurzfristigen rapiden Kursanstieg, fiel jedoch anschließend auf ein Plus von 6,12 Prozent bei 10,93 Euro zurück - sogar etwas weniger als vor dem Rücktritt.

Sihler bedauerte in einer ersten Reaktion den Abgang Sommers. Ihm gehe es auch darum, das Vertrauen der Telekom-Mitarbeiter in das Unternehmen zu erhalten. "Mein Alter sagt schon, dass dies nur eine Interimszeit sein kann", meinte er zu seinem neuen Posten.

Sommer sagte, er wolle mit seinem Rücktritt weiteren Schaden von der Telekom abwenden. "Das Ansehen der Deutschen Telekom hat durch die öffentlichen Diskussionen, insbesondere der vergangenen Woche, bereits erheblich gelitten", sagte er. Sommer hatte mehr als sieben Jahre an der Spitze des größten europäischen Telekom-Konzerns gestanden. Zuletzt konnten Millionen Privatanleger ihrem einstigen Hoffnungsträger den tiefen Absturz der Telekom-Aktie nicht verzeihen.

Nach Meinung des früheren Post- und Telekommunikationsministers Christian Schwarz-Schilling (CDU) war der Rücktritt Sommers schon lange überfällig. Insbesondere das Engagement bei der US-Firma VoiceStream für 33 Milliarden Euro sei ein Desaster. Der Aufsichtsrat und damit auch die Bundesregierung trügen für die verspätete Ablösung Sommers große Verantwortung.

"Die Verträge zum VoiceStream-Deal müssen endlich auf den Tisch", sagte Schwarz-Schilling. Geprüft werden müssten unter anderem angebliche Investitionsverpflichtungen der Telekom bei dem US-Unternehmen. Möglicherweise müsse sich die Telekom auf eine Minderheitsbeteiligung zurückziehen.

FDP-Chef Guido Westerwelle hat die öffentliche Diskussion um die Führungsspitze der Deutschen Telekom scharf kritisiert. "Es ist ein Skandal, wie die Telekom zum Spielball der Wahlkampfzentralen von SPD und Union wurde", sagte Westerwelle der "Bild"-Zeitung. Die öffentliche Diskussion um die Ablösung von Konzernchef Ron Sommer habe der gesamten Wirtschaft schwer geschadet.

Ähnlich äußerte sich auch CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz, der heftige Kritik an der Bundesregierung geübt hat. Vor allem Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) stünde jetzt "auf einem rauchendem Trümmerfeld", sagte Merz heute im Deutschlandfunk.

Merz warf dem Finanzministerium vor, massiven Einfluss auf den Aufsichtsrat genommen zu haben. Weiterhin habe "die ganze Bundesregierung tagelang hektisch telefoniert, um das Problem zu lösen, damit sie wieder als handlungsfähig erscheinen kann. Die Bundesregierung hinterlässt ein riesiges Chaos. Es ist ein Desaster, was da mit der Telekom angerichtet worden ist."