Rechtsprechung

Dialer-Kosten: Gerichte urteilen oft verbraucherfreundlich

Anbieter können häufig nicht nachweisen, dass Kunden einen angemessenen Gegenwert erhalten haben
Von Marie-Anne Winter

Mit dem Streit um Dialer-Kosten sind deutsche Gerichte immer häufiger beschäftigt. Die Rechtsprechung ist in diesem Punkt insgesamt verbraucherfreundlicher geworden: Netzbetreiber, die Geld für 0190-Einwahlen fordern, müssen nachweisen, dass sie dafür auch eine Leistung dafür erbracht haben.

Dialerschutz.de berichtet nun, dass es lange gedauert habe, bis die deutschen Gerichte erkannten, dass 0190-Einwahlen eben nicht immer bewusst von den Betroffenen getätigt würden. Inzwischen habe sich bei vielen Richtern die Erkenntnis durchgesetzt, dass sehr oft unseriöse Dialer Ursache hoher Telefonrechnungen seien. Die logische Konsequenz daraus war eine Umkehr der Beweislast: Nicht mehr die Verbraucher mussten nachweisen, dass sie getäuscht oder betrogen wurden. Vielmehr wurden die Netzbetreiber in die Pflicht genommen. Wenn sie auf Bezahlung von 0190-Gebühren klagten, mussten sie dem Gericht nachweisen, dass der Betroffene dafür auch wirklich eine Leistung – sprich: einen Mehrwert – erhalten hatte.

In vielen Fällen tun sich die Netzbetreiber und ihre Inkassounternehmen damit schwer. Das zeigten auch wieder die Urteile der vergangenen Wochen. Das Amtsgericht in Osterholz-Scharmbeck bei Bremen wies am 15. Januar die Klage gegen einen Internetsurfer auf Bezahlung von 299,81 Euro ab. Hier konnte die Klägerin, ein Inkassounternehmen, nicht einmal nachweisen, dass der Netzbetreiber seine Forderung überhaupt wirksam abgetreten hatte (Az. 4 C 921/03).

Gerichte stellen erheblichen Missbrauch fest

Noch deutlicher ist ein Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 6. Januar. In dem Fall forderte ein Netzbetreiber von einem Internetsurfer die Bezahlung von zwei Einwahlen zu 0190-Nummern. "Angesichts eines in letzter Zeit festzustellenden erheblichen Missbrauchs von so genannten Dialern, die ohne Zutun des Nutzers allein bei Anzeige einer bestimmten Internetseite auf den Computer des Nutzers heruntergeladen und völlig unbemerkt im Hintergrund ausgeführt werden können", so das Gericht, könne nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass der Betroffene willentlich einen Vertrag geschlossen hat. Diesen Beweis hätte der Netzbetreiber antreten müssen, um sein Geld zu bekommen.

Bemerkenswert an dem Fall ist auch, dass das Amtsgericht das Problem eines möglichen Wuchers ansprach – das sei bisher laut Dialerschutz.de sehr selten vorgekommen. "Selbst wenn hier nach einem sogenannten Blocktarif abgerechnet werden sein sollte - was nicht konkret dargelegt wurde - ist ein sofort anfallendes Entgelt in Höhe von 25,85 Euro bzw. 30,16 Euro unter Berücksichtigung des § 138 BGB als überaus bedenklich anzusehen", hieß es in der Urteilsbegründung (Az. 107 C 13053/03).

Auch das Amtsgericht Krefeld wies am 30. November 2003 die Klage auf Bezahlung von 352,71 Euro für sechs Einwahlen zu 01900-Nummern als unbegründet ab. Bei diesen Nummern kann der Preis für die Einwahl frei vom Anbieter festgelegt werden, "die gültigen Tarife können somit ständig wechseln", stellte das Gericht fest. "Für einen Vertragsschluss ist aber zu fordern, dass dem Kunden, der konkludent durch die Anwahl einer Verbindung einen Vertrag schließt, die Konditionen dieses Vertrages bekannt sind; sein Wille muss gerade auf Abschluss dieses Vertrages zu diesen Gebühren gerichtet sein."

Der Netzbetreiber und sein Inkassounternehmen hätten also nachweisen müssen, dass dem Internetsurfer vor der Einwahl der gültige Tarif mitgeteilt wurde. Das sei aber nicht geschehen Netzbetreiber und Inkassounternehmen konnten als Beweis nur einen mit "Einzelverbindungsübersicht" überschriebenen Ausdruck einer Bildschirmanzeige vorlegen. Das Gericht bemängelte, dass eine technische Überprüfung der Verbindung sei nicht vorgenommen worden sei. Der betroffene Surfer musste nicht zahlen. (Az. 79 C 484/03).

Gerichtsbekannte Betrugsmaschen

Mittlerweile kommt es auch vor, dass einem Gericht auch schon mal der Kragen platzt. Am 22. Dezember 2003 wies das Gericht in Ribnitz-Damgarten die Klage eines Netzbetreibers gegen einen Internetsurfer auf Bezahlung von 1 240,77 Euro für 0190-Einwahlen als unbegründet ab. "Es ist gerichtsbekannt, dass eine nahezu unüberschaubare Anzahl von Nutzern des Internet-Zugangs Opfer eines sogenannten Web-Dialers geworden sind", stellte der Richter fest. "Hierbei handelt es sich um betrügerische Computerprogramme, die bei dem Besuch normaler Web-Seiten im Internet - ohne dass der Nutzer dies erkennen kann - eine heimliche, automatische Einwahl über eine teure 0190-Zielrufnummer im DFÜ-Netzwerk des Computers installieren." Dann schmetterte das Gericht die Klage ab: Das klagende Inkassounternehmen habe nur eine pauschale und damit ungenügende Abtretungsvereinbarung des Netzbetreibers vorgelegt. "Die Klage ist somit alleine wegen der nicht nachgewiesenen Aktivlegitimation abzuweisen." Eine technische Prüfung der strittigen Verbindungen nach § 16 TKV sei, obwohl in solchen Fällen vorgeschrieben, "offensichtlich unterblieben". "Die Klägerin trägt nicht einmal vor, wie die Verbindung ausgelöst worden sein soll und welchen Inhalt die 'Leistung' hatte", so das Gericht. Für die Herstellung einer willentlichen 0190-Verbindung und Richtigkeit der Abrechnung spreche auch kein Anscheinsbeweis zugunsten des Netzbetreibers: "Dies ist seit längerem von einer Vielzahl von Gerichten zugunsten des Verbrauchers richtig erkannt und ausgeurteilt worden" hieß es wörtlich in der Urteilsbegründung (Az. 1 C 768/03).

Diese Tendenz ist allgemein erfreulich. Zwar hat das Gesetz gegen den Missbrauch von 0190/0900-Nummern noch viele Schwachstellen - so werden beispielsweise 0137-Nummern nicht berücksichtigt - aber es räumt dem Verbraucher mehr Möglichkeiten ein, sich zu wehren. Es bleibt zu hoffen, dass sich das auch unter den entsprechenden Anbietern herumspricht.