Kristallkugel

Die Telekom und die Zukunft

Weniger verdienen und mehr investieren
Von ddp / Marie-Anne Winter

Auch wenn sie tief in den roten Zahlen steckte - ihr Betriebsergebnis hat die Deutsche Telekom in den vergangenen Jahren stets gesteigert. 2006 wird das anders sein: Der Konzern will stärker investieren, und das geht auf Kosten des Gewinns. Mit neuen Produkten und Diensten will sich der Ex-Monopolist im raueren Wettbewerb behaupten und die Basis für anhaltend profitables Wachstum schaffen. 2006 dürfte deshalb ein Jahr des Übergangs werden. In der Folgejahren muss sich die Telekom dann an ihren detaillierten Zwei-Jahres-Zielen messen lassen.

Wer das Bonner Unternehmen auf dem Weg dorthin beurteilen will, sollte in den kommenden Monaten auf neue Angebote achten und diese auf Innovationskraft prüfen. Denn die Telekom setzt große Hoffnungen in Produkte wie das Dual Phone - eine Kombination aus Handy und Festnetzgerät - und Triple Play, also Telefon, Internet und Fernsehen aus einer Hand. Höheres Übertragungstempo soll hier attraktive Anwendungen ermöglichen und den Umsatz ankurbeln. Um rund fünf Prozent beim Umsatz will die Telekom in den nächsten zwei Jahren im Schnitt wachsen, auf bis zu 66 Milliarden Euro.

Eigentlich nichts Neues

Analysten bezweifeln allerdings, dass diese Erwartungen realistisch sind. Chris Alliott und Mark James vom Londoner Researchhaus Nomura etwa merken an, Vorstandschef Kai-Uwe Ricke habe noch nichts wirklich Neues im Gepäck gehabt, als er kürzlich sein Programm bis 2007 bekannt gab. Darüber hinaus führten die großen Wettbewerber ähnliche Produkte ein. "Nur weil das Unternehmen weitere 1,2 Milliarden Euro investieren will, muss das nicht zwingend zu zusätzlichen Umsätzen führen", warnen die Experten.

Entsprechend gehen sie einstweilen von deutlich geringeren Wachstumsraten aus als die Telekom - selbst für 2007 werden nur 1,4 Prozent unterstellt. "Wir müssen erst Anzeichen für starke Umsatzsteigerungen im ersten und vielleicht auch im zweiten Quartal sehen, ehe wir unsere Schätzungen für 2007 und danach deutlich anheben", sagt das Analysten-Duo.

Auch Robert Gallecker von der BayernLB will jetzt wirkliche Innovationen sehen: Die 1,2 Milliarden Euro Ausgaben müssten einen Sinn haben. Die Telekom habe zwar ein großes Potenzial, aber es hapere nach wie vor an der Zusammenarbeit der Sparten. Vor allem sei wichtig, dass die durch Klagen blockierte Eingliederung von T-Online bald vollzogen werde. Erst dann könne der Konzern im stark unter Druck stehenden Festnetz durchstarten.

Lohnt sich das VDSL-Netz wirklich?

In anderer Hinsicht bekam die Telekom hingegen kürzlich grünes Licht - ihr umstrittener Glasfaserausbau für schnelleres Internet soll auf politisches Geheiß vorerst unreguliert bleiben. Die Nomura-Analysten sind gleichwohl skeptisch, ob sich das Drei-Milliarden-Projekt auszahlt. Dafür müsste jeder Haushalt im Mittel 57 Euro pro Monat ausgeben. "Das erscheint uns optimistisch", sagte die Experten.

Der Löwenanteil der zusätzlichen Investitionen soll indes in den Mobilfunk gehen. Von Analystenseite wird aber zu bedenken gegeben, dass die europäischen Märkte schon relativ gesättigt sind. Und T-Mobile USA könne die Rolle als Wachstumslok nicht ewig halten. In 6 bis 18 Monaten müsse die Telekom ihr Zugpferd entweder doch verkaufen oder in ein Joint Venture einbringen, sagt Per-Ola Hellgren von der Landesbank Rheinland-Pfalz. Auch eine Verstärkung des Mobilfunkgeschäfts in Großbritannien und strategische Zukäufe seien unabwendbar. Vorgemacht hat das kürzlich Telefonica mit der Übernahme des britischen Mobilfunkers o2.

Den Konzern "zukunftssicher" zu machen, wie es Ricke formuliert, bedeutet auch Sparen über Stellenabbau - 32 000 Mitarbeiter sollen die Telekom verlassen. Das geht erst einmal kräftig ins Geld. Das operative Ergebnis soll 2006 auf bis zu 20,2 Milliarden Euro zurückgehen, nachdem für dieses Jahr noch ein Plus auf maximal 21 Milliarden geplant ist. Den Aktionären winkt laut Ricke für 2005 eine "attraktive Dividende" - viele Analysten tippen auf rund 0,70 Euro. Immerhin sollen die für das Vorjahr gezahlten 0,62 Euro das Minimum für die Zukunft darstellen.