Verbraucherschutz

Bundesnetzagentur gegen 0900-Betrug machtlos?

Behörde kann Zuteilung von Mehrwert-Nummern nicht verweigern
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Immer mehr ahnungslose Telefonkunden werden zu allen möglichen und unmöglichen Tageszeiten von Anrufcomputern belästigt. Eine eindringliche Stimme teilt hier mit, dass man einen Sachpreis im Wert von "bis zu 5 000 Euro oder einen Barpreis von bis zu 3 000 Euro gewonnen" und die Sache "keinen Haken" habe. Man müsse nur auf einer 0900-Rufnummer zurückrufen. Wer sich die Ansage bis zum Schluss anhört, erfährt, dass der Anruf dieser Nummer 1,99 Euro pro Minute kosten soll.

Wer sich auf einen Rückruf einlässt, erfährt für teures Geld, dass er als einer der glücklichen Gewinner von insgesamt 1 000 Haushalten in Deutschland vorausgewählt sei. Es folgen ein paar Fragen über die Tastatur des Telefons, zudem soll die eigene Telefonnummer eingeben werden, um zu prüfen, ob man "berechtigt" sei, wobei auch Handynummern möglich sind.

Nach kurzer Musik erfährt der neugierige Anrufer, dass seine eingetippte Rufnummer (die übrigens nie einen Gewinnanruf erhalten hatte) einen tollen Sachpreis im Wert von bis zu 1 500 Euro gewonnen hätte. Dazu bräuchte der Gewinner noch einen 8-stelligen persönlichen Gewinncode, danach würde die weitere Vorgehensweise erläutert. Zwischendurch wolle man noch eine Umfrage machen, die nur kurz dauern würde. Dann war das restliche Prepaid-Guthaben des Testanrufers (nach 3 Minuten und 52 Sekunden) verbraucht.

Beschwerden bei der Bundesnetzagentur per E-Mail laufen regelmäßig nach dem gleichen Muster ab: Zunächst erhält der Beschwerdeführer eine Bestätigung und dann nach rund ein bis zwei Wochen wird in diesen Fällen mitgeteilt, dass die Nummer abgeschaltet und ein Inkassoverbot verhängt worden sei. Die Telefongesellschaft des Anrufers oder der technische Betreiber der 0900er-Rufnummer darf dann für diese Anrufe kein Geld mehr berechnen. Andernfalls soll noch einmal die Bundesnetzagentur verständigt werden.

Ein teltarif-Leser, der diese 0900er-Nummer von seinem Prepaid-Handy angerufen hatte, erhielt sein Geld von seinem Anbieter erst im zweiten Anlauf "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus Kulanz" zurück. Dazu musste er erst seinen Fall der Bundesnetzagentur vorlegen und die Antwort-E-Mail der für Dialer-Betrug und Telefonspam zuständigen Außenstelle an seinen Mobilfunk-Provider weiterleiten.

Die Spuren führen ins Ausland

Waren diese unseriösen Anbieter anfangs noch häufig in der Schweiz zu finden, macht in diesem Zusammenhang immer öfters ein Unternehmen aus der Türkei von sich reden, das zahllose derart beworbene Rufnummern für sich geschaltet hat. Zuteilungsnehmer beziehungsweise Rufnummerninhaber ist nach Auskunft der Bundesnetzagentur die Firma Medkom Limited in Istanbul, Empfangsbevollmächtigter in Deutschland ist die Firma Diamant Communication GmbH mit Sitz in der Luisenstr. 2 in Darmstadt.

Ein teltarif-Leser fragte nun bei der Bundesnetzagentur nach, ob es nicht möglich sei, solch unangenehm aufgefallenen Anbietern prophylaktisch die Zuteilung von Rufnummern zu verweigern. Die Bundesnetzagentur erwiderte, dass die Rufnummerngruppe 09003-152010-19 schon bereits seit längerem Gegenstand vieler Beschwerden sei. Und weiter: "Sie stellen uns die Frage, warum es einer Firma mit Sitz in der Türkei möglich ist, eine deutsche 0900er-Nummer zu mieten. Nach § 43 EGV herrscht innerhalb der Europäischen Union Niederlassungsfreiheit. Daraus folgt auch ein Diskriminierungsverbot für ausländische Unternehmen. Es steht der Bundesnetzagentur daher nicht zu, Unternehmen Rufnummern aus dem deutschen Rufnummernkontingent zu verweigern, bloß weil diese ihren Sitz im Ausland haben. Nichtsdestotrotz kann sich auch ein Unternehmen mit Sitz im Ausland einer gegebenen Haftung nicht entziehen. Lediglich die Rechtsverfolgung mag im Einzelfall erschwert, wenn auch nicht unmöglich sein."

Die Abschaltung einer Rufnummer berechtigte die Bundesnetzagentur nicht, weitere Zuteilungen von Rufnummern zu verweigern. Eine gesetzliche Möglichkeit, die in diese Richtung hätte gehen können, sei in dem aktuellen Entwurf [Link entfernt] des neuen TKG nicht mehr enthalten.

Der betroffene teltarif-Leser macht seinem Ärger enttäuscht in einem Internet-Forum Luft und will sich künftig "spannenderen Dingen" zu wenden. 0900-Nummern werden oft bei bekannten Unternehmen wie dtms oder der zu freenet gehörenden Next-ID (früher Talkline-ID) geschaltet. Pikantes Detail: Im Aufsichtsrat bei freenet sitzt seit 2004 Klaus-Dieter Scheuerle, der Gründungschef der Regulierungsbehörde (Vorgängerin der heutigen Bundesnetzagentur). Ihm sollte die Problematik aus seiner früheren Tätigkeit geläufig sein.