Blauzahn

Editorial: Noch ein Standard?!

Nokias hässlicher Alleingang mit Wibree
Von

Bluetooth ist eine tolle Sache, um "mal eben" zwei Geräte miteinander zu verkoppeln und Daten auszutauschen: Ein Foto von einem Handy zum nächsten, das Adressbuch vom Handy zum Laptop, oder Sprachdaten vom Headset zum PC. Gut ein Dutzend Profile stehen bereit, um Kompatibilität über Betriebssystems-Grenzen hinweg zu gewährleisten, wie HID ("human interface device") für Tastaturen und Mäuse oder DUN ("dial-up networking") für den Internetzugang.

Der Bluetooth-Standard hat aber auch Schwächen. Eine ist die für viele Multimedia-Anwendungen zu geringe Geschwindigkeit; auch Bluetooth 2.0 mit Enhanced Data Rate erreicht nur knapp über zwei Megabit/s. Abhilfe hierfür ist zwar von der Bluetooth Special Interest Group angekündigt, macht die Bluetooth-Module aber auch deutlich komplizierter, da diese künftig in zwei Frequenzbereichen arbeiten werden.

Zudem stört bei Bluetooth das viel zu starre Konzept auf der Funkschnittstelle, das in vielen Anwendungen zu unnötig hohen Latenzen und/oder unnötig hohem Stromverbrauch führt. Als Beispiel seien Bluetooth-Tastaturen und -Mäuse genannt, wo die Verzögerung bei der Übertragung von Tastenklicks und Mausbewegungen zum PC für den Anwender durchaus spürbar negativ auffällt. Bei vielen Handys verringert sich allein durch die Aktivierung der Bluetooth-Funktion die Standby-Zeit deutlich, selbst dann, wenn man den "unsichtbaren" Modus verwendet, bei dem das Handy nicht auf Suchanfragen anderer Geräte antwortet. Schließlich gibt es Sensoren, etwa Funk-Thermometer, deren Signal nicht unbedingt geschützt werden muss, so dass auf die bei Bluetooth derzeit übliche paarweise Verknüpfung mit einem Empfänger grundsätzlich verzichtet werden könnte.

Notwendigerweise inkompatibel?

Alle im vorgenannten Absatz genannten Probleme sprechen für eine Erweiterung des Bluetooth-Standards in Richtung niedrigerer und/oder asymmetrischer Bitraten, sowie verbesserter Schlafmodi. Zumindest Maßnahmen zur weiteren Senkung des Stromverbrauchs sind für den kommenden Bluetooth-Standard 2.1 bereits vorgesehen. Auch die oben bereits erwähnten ultra-schnellen UWB-Bluetooth-Funker mit bis zu 100 MBit/s sollen über bessere Stromsparmodi verfügen als bisherige Blueooth-Chips.

Nokia prescht dennoch vor und setzt auf einen eigenen, neuen, inkompatiblen Funkstandard namens Wibree, der letzte Woche vorgestellt wurde. Wibree soll in "intelligenten" Geräten (wie Handys) parallel zu Bluetooth implementiert werden ("dual-mode"), in einfachen Geräten hingegen direkt ("stand-alone"). Wibree-Geräte können dann mit anderen Wibree-Geräten oder mit Bluetooth-Wibree-Geräten kommunizieren.

Das Vorgehen Nokias verwirrt jedoch gleich in mehrfacher Hinsicht:

  • Beim Namen "Wibree" drohen Markenrechtsprobleme, da es eine bereits etablierte Funktechnologie mit ähnlich klingendem Namen gibt: Wibro. In der Regel reicht ein geänderter Laut (hier "e" statt "o") nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr zwischen zwei Marken auszuschließen.
  • Neue Standards haben um so größere Chancen auf Durchsetzung, je mehr Hersteller diese implementieren. Zwar ist Nokia der mit Abstand führende Handy-Hersteller, aber dennoch stammt weltweit nur gut jedes dritte ausgelieferte Handy von den Finnen. Bei den ebenfalls wichtigen Bluetooth-Adaptern für PCs dominieren sowieso andere Hersteller. Bei einem Alleingang ist zu erwarten, dass künftig nur ein kleiner Teil der Bluetooth-Hosts Wibree-kompatibel sein wird. Warum sollten aber Hersteller von Spielzeug, Pulsmessern oder PC-Funktastaturen vom derzeit üblichen 27-MHz-Band überhaupt wechseln, wenn Wibree nur zu wenigen Hosts kompatibel ist?
  • Geht es Nokia mit Wibree vielleicht nur darum, sich Patente und geistiges Eigentum zu sichern? Dann würde Nokia einer Integration von Wibree in den Bluetooth-Standard wahrscheinlich sehr bald zustimmen. Doch bleibt dann die Frage, wie viel Geld Nokia mit diesen Patenten verdienen will: Schließlich ist der Wibree-Standard vor allem für Billig-Geräte gedacht. Deren Hersteller werden kaum bereit sein, mehr als ein paar Cent pro Wibree-Antenne für Patente zu bezahlen.

Große Zukunft als Standard

Standardkonforme und schnelle Funktechnologien zur häuslichen Vernetzung haben eine große Zukunft. Und Bluetooth ist derzeit auf dem besten Weg, sich universell durchzusetzen. Schon heute werden mehr Bluetooth-Chips hergestellt als W-LAN-Adapter. Für den schnellen Datenaustausch "bei Gelegenheit" ist das Bluetooth-Prinzip der Gerätekopplung auch besser geeignet als das Netzwerkprinzip der W-LANs. Im hochbitratigen Bereich, vor allem bei Datentransfers von und zum PC, droht Bluetooth jedoch empfindliche Konkurrenz durch "cable-free USB", das ebenfalls auf UWB aufsetzt. Wenn nun im niederbitratigen Bereich Wibree und andere von Einzelherstellern dominierte Standards ebenfalls Marktanteile wegnehmen, dann droht am Ende gar das abrupte Ende der Bluetooth-Erfolgsgeschichte. Und das würde dann auch Nokia schaden.