Namensverwandt

Das kleine Dorf Berlin und das große Internet-Adressen-Geschäft

500-Seelen-Dorf will Anteil an möglicher Hauptstadt-Domain
Von dpa / Thorsten Neuhetzki

Horst Schramm residiert am Berliner Kurfürstendamm. Doch wenn der Bürgermeister aus dem Fenster blickt, sieht er weder Gedächtniskirche noch dichten Straßenverkehr. Denn der Kurfürstendamm ist eine kleine Dorfstraße und der 58-Jährige befindet sich nicht in der Hauptstadt, sondern in Schleswig-Holstein: im ältesten Berlin der Welt. Normalerweise interessiert sich kaum jemand für die 500-Seelen-Gemeinde, 20 Kilometer nordwestlich von Lübeck. Doch seit kurzem ist das Dorf in ein Riesengeschäft verwickelt. Eine Firma an der Spree will die Internetdomain ".berlin" gründen, und das geht möglicherweise nur, wenn die kleine Namensschwester mitspielt.

"Wir wollen ein Stück vom Kuchen abbekommen"

"Wenn das Internet-Projekt zu Stande kommt, wollen wir natürlich ein Stück vom Kuchen abbekommen", sagt CDU-Kommunalpolitiker Schramm. Und das Projekt der Hauptstädter klingt tatsächlich vielversprechend. Sollte die Bewerbung bei der zuständigen Organistation ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) erfolgreich sein, können Berliner (sowohl in der Hauptstadt als auch in der Provinz) neben Internetseiten die auf ".de", ".com" oder ".net" enden auch Homepages mit der Endung ".berlin" ins World Wide Web stellen.

"Wir haben als erste die Initiative ergriffen, solch eine Top-Level-Domain für eine Stadt zu beantragen", erklärt Dirk Krischenowski, von der 2005 gegründeten Firma dot.Berlin. Inzwischen hätten auch andere Städte wie New York oder Paris den Trend aufgenommen. Bei fast elf Millionen .de-Adressen bleibe für viele Internet-Nutzer nicht mehr viel Spielraum, um eine neue Seite zu benennen. Doch wenn alles nach Plan laufe, könnte die Firma ab Ende 2008 Adressen wie 'www.zoo.berlin' zur Verfügung stellen. In welcher Weise das kleine Berlin an dem Projekt beteiligt werde, sei noch völlig unklar: "Wie sind erst mal froh, wenn wir unsere Kosten wieder reinbekommen", sagt der Internet-Experte, der die gesamten Bewerbungskosten mit rund einer Million Euro beziffert.

40 Berlins weltweit haben Gemeindenstatus

Um ihre Idee den Klein-Berlinern vorzustellen, sind Krischenowski und seine Kollegen im vergangenen Jahr sogar in das beschauliche Dorf im Kreis Segeberg gereist. Insgesamt hatte das Team 72 Berlins weltweit aufgespürt. Etwa 40 davon hätten den Status einer Gemeinde. ICANN habe sich bislang nicht dazu geäußert, ob von diesen eine Zustimmung für .berlin benötigt werde, so der Firmenchef. "Und wer weiß schon, ob es sich bei einem Berlin irgendwo in Argentinien um ein größeres Dorf oder um eine Finca handelt?" Doch zumindest das zweite und ältere bundesdeutsche Berlin solle sein Einverständnis geben. Das dritte hiesige Berlin, ein Weiler mit etwa einem halben Dutzend Einwohnern bei Schleswig, war vermutlich zu klein, um in dem großen Geschäft noch eine Nebenrolle zu spielen.

Das Projekt sei schon originell, sagt Bürgermeister Schramm. Dass seine Kommune ein Mitspracherecht habe, sei "selbstverständlich". 1215 gegründet, sei das holsteinische Berlin schließlich 22 Jahre älter als die knapp 350 Kilometer entfernte Hauptstadt. Hier stand Fürst Berolin Pate und nicht wie an der Spree das slawische Wort für "Sumpf". Seit 80 Jahren gehört der Ort zur Gemeinde Seedorf und kann ebenso wie die Metropole einen Ku'damm, einen Potsdamer Platz, einen Weg namens Unter den Linden sowie ein "KaDeWe" vorweisen. "Das ist aber unser Gemischtwarenhändler und kein Nobelkaufhaus", sagt Schramm. Das Verhältnis zur den Hauptstädtern sei stets gut gewesen: "Fast alle Regierenden Bürgermeister haben uns schon besucht." Willy Brandt schenkte 1963 sogar Original Berliner Straßenschilder.

Über einen Vertrag mit "dot.Berlin" wollen die Seedorfer Kommunalpolitiker Anfang der Woche beraten. Dazu treffen sie sich in einem Gasthof im benachbarten Ortsteil Kembs. Denn im kleinen Berlin - und das ist der große Unterschied zur Hauptstadt - gibt es derzeit weder eine Eckkneipe, noch irgendeine andere Gaststätte.