überfordert

Frust statt Lust beim Handy-Kauf

Studie: Mobilfunk-Kunden werden häufig überfordert
Von Marie-Anne Winter

Im Durchschnitt wechselt jeder Bürger in Europa sein Handy nach acht Monaten. Doch viele Kunden fühlen sich bei der Wahl eines neuen Handys bzw. eines neuen Mobilfunktarifs dazu überfordert. Zum einen entwickelt sich die Technik immer weiter und es fällt gerade älteren Kunden zunehmen schwerer, mit der rasanten Entwicklung Schritt zu halten. Zum anderen haben viele auch Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit den Verkäufern. Diese können sich häufig nicht ausreichend auf den jeweiligen Kunden, seinen jeweiligen Kenntnisstand und seine Wünsche einstellen. Das fand der Absolvent im Telematik-Management, Tomislav Logara, heraus.

Logara ist als externer Mobilfunk-Experte und als Produkt- und Verkaufstrainer bei einem großen Telekommunikations-Konzern tätig. Sein Fazit: Wenn es für den Kunden zu schwierig wird, fühlt er sich überfordert und entscheidet sich gegen den Kauf - auch wenn er prinzipiell an dem jeweiligen Gerät oder Service Interesse haben könnte. Wie Logara in einem Gespräch mit dem Stern erklärte, hat er 400 Experten und Konsumenten über ihre Erfahrungen beim Telefon-Kauf befragt. Dabei stieß er auf interessante Fakten. Zum Beispiel stellte er fest, dass 71 Prozent der befragten Konsumenten mit dem Begriff Voice over IP nichts anfangen konnten. Wenn man aber gar nicht weiß, was damit gemeint ist, hilft einem die Information, dass mit einem bestimmten Gerät VoIP möglich ist, herzlich wenig. Und sogar über 90 Prozent der Befragten konnten sich nichts unter den Begriffen HSDPA oder EDGE vorstellen. Es nützt dann überhaupt nichts, wenn der Verkäufer mit derartigen Fachbegriffen um sich schmeißt. Vor allem für ältere Menschen, die sich mit der neuen Technik schwer tun, brauche man ganz andere Verkaufsgespräche als für technikversierte Interessenten, die mit derartigen Begriffen schon vertraut sind, bevor sie in den Laden kommen.

Kunden wollen keine zusätzlichen Probleme

Logara stellte fest, dass es zwei typische Reaktionen gebe, die auftreten, wenn der Kunde mit Dingen, die er nicht einordnen kann, konfrontiert wird: Entweder der Kunde versteckt sein Unwissen und gibt nicht zu, dass die Informationen ihn überfordern - das tun vor allem Jüngere. Ältere Kunden hingegen reagieren zynisch, wenn zu viele Technik-Fakten auf sie einprasseln. Sie würden dann Kommentare wie "Kann es auch Kaffee kochen?" abgeben. Aber die Älteren fragen eher nach, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Kann der Verkäufer damit nicht umgehen, ziehen sich die Kunden zurück.

Logara stellt fest, dass der Kunde keine zusätzlichen Probleme will. Er möchte einfach ein gutes Gefühl beim Kaufen und kein "Information Overloading", wie es im Fachjargon heißt. Wenn ständig Fachbegriffe auf einen einprasseln, die man nicht versteht, kann aber kein gutes Gefühl zustande kommen. Also müssten sich Verkäufer mehr darauf einstellen, was dem Kunden ein gutes Gefühl beschert. Der eine wolle einfach nur ein Handy zum Telefonieren, Jüngere wünschten eher Innovatives und setzten auf Prestige. Wenn die Branche das nicht beherzige, würde am Ende weniger verkauft, als möglich wäre. Auch werde es in Zukunft nicht einfacher, die Technik entwickle sich weiter, sie werde komplizierter. Daher werde es auch immer wichtiger, dass neue Produkte richtig verpackt werden. Nur so könnten Unternehmen erreichen, dass sie kein Geld für sinnlose Werbung verbrennen.

Den Kunden empfiehlt Logara, nachzuhaken, sobald sie etwas nicht verstehen. Sie sollten auch immer wieder auf den Punkt kommen, was sie sich vorstellen oder wünschen. Es sei auch nicht hilfreich, sich etwas aufschwatzen zu lassen. Hier müssten die Verkäufer sensibler werden, denn der schlimmste Fall sei, wenn Kunden frustriert das Geschäft verlassen.

Entwickler wissen nicht, was Kunden wünschen

Logara stellt fest, dass es vor allem an der Ignoranz und Arroganz der Unternehmen läge, wenn genau dieser Fall eintrete. Ein Produktmanager, der sich ständig mit seinem Produkt auseinandersetze, habe ein anderes Verständnis und somit auch eine andere, teilweise sogar illusorische Erwartung an den Privatkundenmarkt. Hier seien die Verkäufer deutlich näher an der Realität. Hier sei auch wichtig, die Entwickler wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen und einen realitätsnahen Bezug zum Markt aufzubauen.

Einem Verkäufer falle es meistens sehr schwer, seine Art der Kommunikation zu ändern, weil das Beratungsgespräch ein automatisierter Prozess sei, der einfach abgespult werde. Dieser wird auch regelmäßig und somit gefestigt, wenn er damit nicht erfolgreich sei. Hier müssten die Unternehmen gezielt schulen und gegensteuern.

Ein guter Verkäufer müsse den Kunden vor allem auf der Bauchebene erreichen. Wie kompetent er selbst sei und wie viele Daten, Fakten und Zahlen er aufzählen könne, interessieren den Kunden nicht. Er will nur das finden, was er sucht und dabei ein gutes Gefühl haben. Als Trainer merke Logara, wie schwer es sei, die Verkäufer darauf vorzubereiten. Da säßen häufig Experten, die sich bestens mit der Technik auskennen. Das möchten sie auch den Kunden weitergeben - egal, ob dieser das will oder nicht. Hier müsse man Überzeugungsarbeit leisten.

Den Kunden gibt Logara mit auf den Weg, dass sie herausfinden müssten, was sie wirklich wollten und dann dabei bleiben. Dazu sei es hilfreich, sich ein wenig mit der gewünschten Produktgruppe zu beschäftigen. Wenn man etwa ein Kamerahandy haben möchte, sollte man schon wissen, was es ungefähr bedeute, wenn eine Kamera 1,3 oder 5 Megapixel habe.