Nokia

Kritik und Rekordgewinne für Nokia

Positives Ergebnis ändert nichts an Schließung des Nokia-Werkes in Bochum
Von dpa / Anja Zimmermann

Nokia steht vor der Bekanntgabe neuer Rekordgewinne, aber aus Deutschland kommt immer härtere Kritik. Auch die Konjunkturwolken verdüstern sich: Konzernchef Olli-Pekka Kallasvuo steht nach Erwartung von Beobachtern vor einer heftigen Berg- und Talfahrt, wenn er morgen in Espoo bei Helsinki die Jahresbilanz des größten und erfolgreichsten Handy-Herstellers der Welt verkündet.

Analysten sagen Nokia nach einem überaus starken vierten Quartal einen Gewinnsprung von über 30 Prozent auf die Nettomarke von 1,7 Milliarden Euro voraus. Dieses satte Ergebnis dürfte gleichzeitig die ohnehin massive Kritik an der geplanten Schließung des Bochumer Nokia-Werkes mit 2 300 Beschäftigten nicht leiser werden lassen.

40 Prozent Weltmarktanteil in greifbarer Nähe

"Vielleicht schaffen sie ja 50 Cent Gewinn je Aktie. Das wäre die höchste Marke aller Zeiten nach einem extrem starken vierten Quartal", meint der Analyst Karri Rinta von Handelsbanken in Helsinki. Er hebt die "extrem erfolgreiche Strategie" von Kallasvuo im letzten Jahr heraus, mit der Nokia nun vielleicht sogar die lange angepeilte Marke von 40 Prozent Weltmarktanteil bei Handys erreicht hat.

"Was Nokia 2007 in Sachen Rendite erreicht hat, liegt weit über den Erwartungen der Märkte", schwärmt der finnische Analyst. Bei knapp unter 16 Prozent erwarten die Beobachter die operative Gewinnmarge, was gegenüber dem dritten Quartal eine Steigerung um etwa anderthalb Prozentpunkte bedeuten würde.

Während Kallasvuo von den Beobachtern für Nokias Marktstrategie vor allem in Ländern wie Indien und China und gegenüber dem weit abgehängten Konkurrenten Motorola Bestnoten bekommt, gilt sein Bochum-Management bisher als Desaster. "Niemand versteht, dass so ein großes Unternehmen wie Nokia von den den negativen Reaktionen in Deutschland derart überrascht werden konnte," sagte Rinta. Auch der Konzernchef selbst gab sich in einem Interview mit dem Handelsblatt alles andere als gute Zensuren: "Ich muss sagen, wir hätten das viel besser machen müssen."

Die Stadt Bonn gibt Nokia-Handys ab

Dabei dürfte Kallasvuo als Folge von allseitiger Empörung über die "eiskalten" finnischen Handy-Könige, Politikerschelte über "Karawanenkapitalismus" und Gewerkschafts-Anklagen gegen Nokias "Politik der verbrannten Erde" auch ganz simpel an das künftige Geschäft gedacht haben. 56 Prozent der Deutschen wollen sich nach einer Umfrage des Stern an einem Nokia-Boykott beteiligen. Damit ist ein gerade jetzt zentraler Markt bedroht.

Bonns Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) will ebenfalls ein Beispiel setzen: Sie wird aus Solidarität mit den Beschäftigten ihr finnisches Handy gegen ein Mobiltelefon einer anderen Marke eintauschen. Sobald es die Vertragssituation zulässt, sollen ihrem Beispiel auch die übrigen Mitarbeiter der Stadtverwaltung folgen, habe der Verwaltungsrat der Stadt beschlossen. Die Bonner Stadtwerke schließen sich an und wollen gleich 400 Nokia- Mobiltelefone auf einen Schlag eintauschen. Der Wechsel zu einer anderen Telefonmarke werde natürlich kostenneutral vollzogen, sagte eine Sprecherin der Stadt.

Bonn und die Bonner Stadtwerke nehmen mit dem Beschluss unter den Städten eine Vorreiterrolle ein. Zumindest gehörten sie zu den ersten im Lande, sagte ein Sprecher des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU) in Köln.

Auch in der Bochumer Stadtverwaltung sind die Mobiltelefone der Marke Nokia noch in Gebrauch. Ein Sprecher der Stadt wollte aber nicht ausschließen, dass über Anträge auf Markenwechsel entweder in der Hauptausschuss-Sitzung oder der Ratssitzung gesprochen werden könnte.

Nokia ist auf den deutschen Markt angewiesen

Nokia ist auch wegen der zunehmenden Rezessions-Warnungen aus den USA stark auf den westeuropäischen Markt angewiesen, der mit Deutschland im Zentrum 30 Prozent des Umsatzes bringt. Generell herrschte vor der Bilanzveröffentlichung erhebliche Unsicherheit über die Prognosen von Nokia für 2008. Der Aktienkurs ist seit Jahresbeginn um 20 Prozent gesunken.

Dass die Auseinandersetzung um die Schließung in Bochum Kallasvuos Posten oder Nokias Gewinnmargen ernsthaft in Gefahr bringen kann, glaubt der Beobachter in Helsinki nicht. "Der Nokia-Chef sitzt mit den derzeitigen Zahlen absolut sicher im Sattel", sagt Karri Rinta und hat als Analyst in Helsinki auch schon ausgerechnet, wie viel die Streichung von 2 300 Nokia-Arbeitsplätzen im fernen Bochum seiner Meinung nach kosten wird: "Wir rechnen erst mal mit 60 000 Euro je Arbeitnehmer. Am Ende werden die Kosten irgendwo zwischen 100 und 200 Millionen Euro landen."

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