aufwändig!?

Editorial: Was machen mit Tauschbörsen-Sündern?

Staatsanwaltschaft will nicht mehr Handlangerin der Medien-Industrie sein
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Der Up- und Download von Dokumenten via Tauschbörsen kann legal oder illegal sein. Auf den Inhalt kommt es an. Nicht schon die Tauschbörsensoftware ist unzulässig, sondern erst deren Nutzung zur massenhaften Verteilung von urheberrechtlich geschütztem Material gegen den Willen des jeweiligen Autors oder Verwerters.

Ähnliches gilt auch für andere Dinge des täglichen Lebens. Tempo 100 mit dem Auto ist auf der Landstraße in Ordnung, auf einer Ortsstraße hingegen viel zu schnell. Da Raser sich und andere gefährden, hat der Staat eine umfangreiche Infrastruktur zur Ermittlung und Bestrafung von Temposündern aufgebaut: Radarfallen, Kfz-Register, Bußgeldstellen und schließlich die berüchtigte Verkehrssünderkartei in Flensburg.

Beim Copyright-Missbrauch ist das Schutzbedürfnis der Bürger jedoch kleiner als beim Autoverkehr. Während die Polizei selbständig Tempokontrollen durchführt, prüft sie nicht regelmäßig, ob Dateien illegal verbreitet werden. Die nicht-gewerbliche Copyright-Verletzung ist nämlich nur ein Antragsdelikt: Erst dann, wenn eine konkrete Anzeige eines Geschädigten vorliegt, werden Polizei und Staatsanwaltschaft aktiv.

Massenanzeigen und Gegenwehr

An Anzeigen mangelt es freilich nicht, denn die Medienindustrie betreibt in Eigenregie die Copyright-Kontrolle: Spezielle Software meldet sich in den Tauschbörsen an und versucht zu ermitteln, von welchen IP-Adressen aus bestimmte geschützte Werke der Medienindustrie angeboten werden. Aus IP-Adresse und Tatzeit lässt sich der Internet-Anschluss des Täters ermitteln, wenn der Provider die Daten, wem wann welche IP-Adresse zugeordnet wurde, ausreichend lange speichert.

Kein Wunder, dass die Frage, ob die IP-Speicherung zulässig ist, Gegenstand diverser gerichtlicher Auseinandersetzungen war. Hierbei gewannen letztendlich die Datenschützer: IP-Adressen müssen sofort nach dem Ende einer Online-Sitzung gelöscht werden. Nach einem Kompromiss zwischen dem Bundesdatenschutzbeauftragtem und den Providern dürfen letztere die Zuordnung zwischen IP und Nutzer aber zumindest sieben Tage lang speichern, um damit Missbrauchsfälle aufklären zu können. Die umstrittene Vorratsdatenspeicherung verlangt künftig sogar die Speicherung für ein halbes Jahr. Die Weitergabe dieser "Vorratsdaten" ist nach einer aktuellen Eilentscheidung jedoch nur zur Aufklärung gravierender Straftaten zulässig.

Die vielen Tauschbörsen-Anzeigen sind den Staatsanwaltschaften ein Dorn im Auge. Wurden nur ein paar Titel eingestellt, die zudem hundertfach auch von anderen Anbietern in den Tauschbörsen zu finden sind, ist die Schwere der Schuld gering und bei Ersttätern eine Einstellung des Verfahrens, evtl. gegen eine kleine Geldbuße, der übliche Weg. Die Staatsanwaltschaft hat jedoch den ganzen Papierkrieg und wird damit von anderen, wichtigeren Verfahren abgelenkt.

Folglich kommt es zum Bummelstreik: Wird die Anzeige nur langsam genug bearbeitet, sind die Daten beim Provider gelöscht und die Ermittlungsbemühungen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Offiziell werden jedoch die wenigsten Staatsanwälte eine solche Verzögerungstaktik zugeben, sind sie doch ausdrücklich zur Aufklärung verpflichtet. Ausreden, warum die Anfrage nicht rechtzeitig an den Provider ging, gibt es aber genug: Vielleicht war der zuständige Mitarbeiter krank oder überlastet, eine Akte auf dem internen Dienstweg vorübergehend verschollen oder ein EDV-Programm zur Bearbeitung der Antragsflut unerklärlich abgestürzt.

Und so verwundert nicht, dass auch die Staatsanwaltschaft Wuppertal die Copyright-Sachen wegen Tauschbörsen-Downloads liegen lässt. Doch es verwundert, dass sie dieses auch öffentlich zugibt, was ihr bereits ein Verfahren bei der Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft eingebracht hat. Doch nur eine ehrliche und öffentliche Diskussion kann eine Lösung des Problems bringen. Von daher ist der Mut Wuppertals zu begrüßen.

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