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IMS - keine Nachfrage für die Wunderwaffe der TK-Industrie

Ernüchternde Bilanz für IP Multimedia Subsystem
Von Marie-Anne Winter

Lange wurde IP Multimedia Subsystem, kurz mit IMS bezeichnet, als neue Wunderwaffe in der Telekommunikations-Industrie gehandelt. IMS sollte als einheitliche und offene Plattform die Integration und Implementierung neuer Services in bestehende Angebote in kürzester Zeit ermöglichen und dabei verschiedenste Datenformate wie Sprache, Videos, Bilder oder Text verarbeiten können. Bisherige technologischen Grenzen sollten per IMS verschwimmen und durch diese Konvergenz würden - so die Hoffnung der Anbieter - lukrative neue Dienste möglich, die unabhängig vom genutzten Endgerät, Netz oder Datenformat von begeisterten Kunden massenhaft nachgefragt würden. Doch so schön dieser Traum auch war, bislang ist im wahren Leben nicht allzu viel davon zu sehen. Konkurrierende Technologieansätze, eine Branche im Umbruch und noch immer keine klare Marschrichtung - das ist der Status quo, den auch die Experten des internationalen VoIP- und IMS-Spezialisten Empirix konstatieren.

"Die Telekom-Branche hat in den letzten Jahren zwar Milliarden in Forschung und Entwicklung von IMS investiert, verdient hat sie damit aber bisher kaum", bilanziert Reinhard Reinhard Schmied, Account Manager Empirix Voice Deutschland. "Zwar gibt es schon seit einigen Jahren VoIP-Angebote von DSL-Providern, sehr viel Umsatz generieren diese aber nicht. Erst seit kurzem werden den Verbrauchern Produkte wie IPTV oder Video-on-Demand schmackhaft gemacht, eine breite Akzeptanz fehlt dafür aber genauso wie für VoIP-Telefonie." Als Experte auf dem Gebiet Qualitätssicherung von VoIP- und IMS-Anwendungen kenne Empirix die Kinderkrankheiten der IMS-Technologie nur zu gut.

ISDN ist gut genug

Deutschland verfüge im Gegensatz zu anderen Industriestaaten wie Großbritannien oder den USA über ein Telefonnetz mit sehr guter Sprachqualität und Datensicherheit - eine Folge der politischen Wende, infolge derer Milliarden in ein leistungsfähiges ISDN-Netz investiert wurden. Da das deutsche Netz relativ neu sei und deshalb zusätzliche Services technisch ermögliche, würden viele deutsche Provider kaum Veranlassung sehen, die Aufrüstung ihrer Infrastruktur auf neue Technologien wie IMS voranzutreiben. Zudem biete ISDN eine sehr hohe Sprachqualität, mit der VoIP-Dienste nur schwer konkurrieren können, was die Investitionsbereitschaft der Anbieter in VoIP- und IMS-Technologien ebenfalls dämpfe.

Als weiteren Grund für die derzeitig schleppende Entwicklung sieht Empirix die großen Übernahmen und Fusionen der vergangenen Zeit an und denn etwa Nokia Siemens Networks oder Alcatel Lucent. Die neu entstandenen Großunternehmen müssten sich erst einmal selbst finden. Dabei würden viele Projekte eingestampft und neue ins Leben gerufen, was ebenfalls viel Zeit beanspruche.

Um die für die neue Telekommunikationslandschaft nötige Konvergenz zwischen Fest- und Mobilfunknetzen zu erreichen, sieht Empirix drei konkurrierende Ansätze:

  1. UMA (Unlicensed Mobile Access): Erlaubt den Zugriff auf GSM- und GPRS-Dienste via Bluetooth oder WLAN
  2. SIP/IMS (Session Initiation Protocol): Ein Netzprotokoll zur Steuerung einer Kommunikationssitzung mit zwei oder mehreren Teilnehmern, das IP-basierte Kommunikation ermöglicht.
  3. Femtozellen: Das sind kleine UMTS-Basisstationen für den Hausgebrauch, die angeschlossen an das DSL-Netz eine preiswerte Nutzung von Internet und Telefonie mit Mobilfunkgeräten ermöglichen.
Welche dieser Technologien am Ende das Rennen macht, ist derzeit noch nicht abzusehen.

Netzneutralität oder Zwei-Klassen Internet

Mittlerweile zeichnet sich allerdings ein Trend ab, der in den USA zum Teil schon umgesetzt und in Europa zumindest diskutiert wird: Das Zwei-Klassen Internet. Künftig könnten sich die Provider für eine komfortable Anbindung extra bezahlen lassen. Und zwar einerseits nach der Schnelligkeit der Verbindung und andererseits nach den zu übertragenden Inhalten. Das bedeutet in der Konsequenz, dass die großen Web-Verkäufer möglicherweise besser und schneller zu erreichen sind, als der kleine mittelständische Shop. Noch ist es so, dass alle Nutzer rein netztechnisch gesehen gleich sind, denn bisher hängt die Anbindung ans Internet fast ausschließlich von der eigenen Bandbreite ab.

Auch im Endkundengeschäft zeichnet sich ab, dass es für die breite Masse relativ günstige Angebote geben wird, die eine Grundversorgung darstellen, wer mehr Service und eine höhere Zuverlässigkeit verlangt, muss dafür extra zahlen.

Was IMS betrifft, ist die Bilanz der Empirix-Spezialisten bisher pessimistisch: Derzeit sehen sie in Deutschland keine ausreichende Nachfrage nach IMS-Diensten, die einen schnellen Durchbruch der Technologie erwarten lassen würde. Jetzt seien Netzbetreiber und Serviceanbieter gefordert, Dienste zu entwickeln, die für den Verbraucher so attraktiv sind, dass er monatlich dafür Geld ausgeben will. Und genau davon ist derzeit noch nichts zu sehen.