Benutzer volkeru schrieb:
Benutzer csbb schrieb:
für Dein analytisch klares Posting mein Dank! Zumindest freut es einen ja, wenn man weiß, daß noch andere die Probleme tatsächlich erkannt haben.
Ich glaube, diese Probleme haben mehr Leute erkannt, als man gemeinhin denkt. Ich vermute, daß fast alle Politiker wissen,
Wenn das so ist, leider die falschen.
was Sache ist und wohin wir steuern. Aber niemand traut sich, diese Wahrheit auch zu sagen, weil sie mit einem erdrutschartigen Vertrauensverlust in das Funktionieren unseres politischen und wirtschaftlichen Gesamtsystems verbunden wäre.
Ich habe sehr das Gefühl, daß der massive Vertrauensverlust schon sehr weitgehend eingetreten ist - eine sehr gefährliche Konstellation übrigens; das Klima für einen politischen Verführer ist günstig. (In gewisser Weise war ja auch Schöder ein solcher - er versprach große Reformen, es kam gut gemeintes Stückwerk, das aber alles nur noch schlimmer gemacht hat.)
Ein Beispiel aus dem Telefonbereich ist die mißglückte und nach wie vor nicht wirklich funktionierende Liberalisierung des Telefonmarktes; die RegTP hält letztlich doch immer ihre schützende Hand über die Telekom.
Zumal keiner auch nur ansatzweise eine wirkliche Lösung zur Behebung der Probleme hat. Den Leuten zu sagen 'Wer keine
Es gibt schon seit Jahren jede Menge gute Ansätze in allen Bereichen, in denen es brennt (Steuerrecht, Kranken-"Versicherung", Renten-"Versicherung"); es traut sich nur keiner, sie umzusetzen. Stattdessen wird am bestehenden, offensichtlich schiefen System munter weitergebastelt.
Die Marktwirtschaft zwingt jedes einzelne Unternehmen, sich mindestens so schlecht wie die meisten anderen der gleichen Branche zu verhalten, ansonsten kann es nicht bestehen. Ein Manager _muß_ ein gewissenloser Gewinnoptimierer sein - sonst ist er nicht gut und wird ausgewechselt.
Und genau hier muß die SOZIALE Marktwirtschaft massiv gegensteuern und sich nicht ständig erpressen lassen! Deshalb heißt sie ja sozial. Und deshalb ist der Gesetzgeber aufgerufen, zu steuern und unmoralisches Verhalten zur Not durch entsprechende Gesetze auch zu Unrechtem zu erklären!
Hier hast Du einerseits vollkommen recht; andererseits sprichst Du von der "sozialen Marktwirtschaft" bzw. dem "Gesetzgeber", als wären es greifbare Akteure oder gar Politiker.
Wer ist _die_ soziale Marktwirtschaft, wer ist _der_ "Gesetzgeber"?
Die Antwort ist schwierig; in gewisser Weise niemand, weil sich niemand verantwortlich fühlt; in formaler Hinsicht natürlich das Parlament, die "Regierung", aber wir alle wissen, von wem das Parlament und die Regierung am meisten bestimmt werden: Lobbyisten und Stimmungen in der Gesellschaft. In gewisser Weise also sind wir alle, die gesamte Gesellschaft und die Art und Weise, wie sie organisiert ist, _die_ soz. Martwirtschaft bzw. _der_ Gesetzgeber.
Nur: Es geschieht nichts, weil die gesamtgesellschaftliche Organisation jeden einzelnen, der etwas Positives bewirken möchte, bestraft, und den aalglatten Schmierenpolitiker, der sich bereichert, belohnt. Es ist eine Art Teufelskreis, aus dem ich nicht so recht einen Ausweg sehe.
Nur mal spaßeshalber in diesem Zusammenhang: Beantworte mir mal möglichst ausführlich die folgenden, auf den ersten Blick recht naiv wirkenden Fragen:
(1) Warum gibt es Wahlplakate, auf denen ein lächelndes Gesicht, ein Name und eine Partei aufgedruckt sind?
(2) Warum gibt es Staatsschulden?
Ich bin überzeugt, eine ausführliche Antwort bringt Dich dazu, über die Leute zu verzweifeln.
Um dem Ausweichen der Unternehmen in andere Länder zu entgegnen, sprach ich ja im letzten Posting schon von der notwendigen Schaffung internationaler, sozialer
Sehr richtiger Ansatz; nur wieder meine Frage: "Schaffung" - _wer_ soll diese Mindeststandards schaffen? G.W.Bush???
Mindeststandards und von Einfuhrzöllen für Produkte, die unter Ausbeutung von Mensch oder Natur produziert wurden oder für Länder, die diese Mindest-Standards nicht garantieren können oder wollen. Der Markt regelt eben nicht das soziale Verhalten.
Der Markt, so, wie er ist, ist m.E. Folge der Dummheit der Mehrheit der Leute.
Wenn wir wollen, daß die Werte der Menschenrechts-Charta
"wir" - Du, ich, die meisten anderen Teilnehmer in diesem Forum wollen es sicher; meinst Du, Bush, Rumsfeld, Cheney stehen dahinter? Meinst Du, Fischer und Schröder bedeuten - über gelegentliche Lippenbekenntnisse hinausgehend - die Menschenrechte etwas? Unsere Politiker sind auf Machterhalt trainiert, und wenn es ihnen nützt, von Menschenrechten zu reden, um die Macht zu erhalten, dann tun sie es; wenn es ihnen nichts nützt, dann nicht.
- Ich habe mittlerweile Sorge, daß der Thread in einem Telefonforum gelöscht werden könnte, wenn ich noch detaillierter auf Deine Ausführungen eingehe. Kannst mich aber gerne anmailen. Im folgenden nur kurz:
geachtet werden, können wir diesen Bereich nicht dem freien
Ja! Aber wer ist "wir"?
Spiel der Kräfte überlassen. Sonst werden diese Werte alle zu Grunde gehen! Darüber sollten sich alle zivilisierten Staaten einig sein!
Uneingeschränkte Zustimmung.
angesprochen. So etwas wird nur durch die Schaffung internationaler Mindest-Standards, also z.B. durch eine wesentlich erneuerte und verbesserte UN-Sozialcharta, die mittlwerweile schon fast 40 Jahre alt ist, möglich sein. Und die gleichzeitige Ächtung aller Staaten, die die Einhaltung dieser Charta nicht als einklagbares Grundrecht für ihre Bürger übernehmen. Für diese Staaten müssen dann erhebliche Strafzölle auf importierte Waren gelten.
Die USA unter Bush treten das Völkerrecht und die UN mit Füßen; sie führen Angriffskriege; sie schulden der UNO Mitgliedsbeiträge in Milliardenhöhe; vor der WTO wollen sie derzeit durchsetzen, daß gentechnisch veränderte Lebensmittel - etwas, das das prinzipielle Potential hat, die Menschheit zu vernichten - in die EU importiert werden dürfen, ohne daß eine Deklaration für den Endverbraucher auf der Packung stattfindet.
_Wer_ soll die UN-Sozialcharta ändern?
Nur auf diese Weise kann die massive Schieflage, die durch die Globalisierung entstanden ist, wieder halbwegs gerade gerückt werden. Das setzt aber auch voraus, daß die Menschen weltweit die Errungenschaften unserer Sozialstaaten als wahren Wert erkennen, den es zu schützen gilt. Genau hier habe ich meine Zweifel. Alle jammern zwar, aber ehrlichgesagt findet es jeder geil, andere zu verarsch*n und zu beschei*en (Warum sind diese beiden Worte bei Teltarif verboten? Glaubt Teltarif, daß es sowas nicht gibt?). Alle sonnen sich im Ruhm, wenn sie einen anderen niedergeknüppelt haben - im übertragenen Sinne wohlgemerkt.
Dann können wir nur versuchen, wenigstens fröhlich unterzugehen.
Auf der Basis so einer Volks-Unmoral sehe ich unser gesamtes abendländisches Sozial- und Kultursystem in einer riesigen Krise. Da haben wir nun die Folgen der geistig/moralischen Wende, die uns Helmut Kohl in den frühen 80er Jahren versprochen hat.
So ist es! Die Folge ist, daß gute Leute, die wirklich etwas bewegen wollen, nicht mehr in die Parteien eintreten (sonst wäre ich schon längst eingetreten). Denn welcher gute Mensch
Seufz.
hat schon Lust, 50% oder mehr seiner Energie in Grabenkämpfen und Intrigen zu verbrauchen? Man möchte doch etwas bewegen und schaffen und sich nicht nur mit der Inkompetenz, Arroganz, Borniertheit und Ideologie seiner Kontrahenten rumschlagen müssen. Die Vernunft sollte stets siegen. Aber in welcher Partei tut sie das schon?
In keiner. Die Partei der Unvernunft erhält und schützt sich selbst vor der Unterwanderung durch die Vernunft.
Es ist nur erstaunlich, daß überhaupt so etwas wie ein moderner demokratischer Staat je zustandekam. Naja, in D bedurfte es ja zweier Weltkriege.
Die Parteien sind zu einem mächtigen Staat im Staate geworden. Ich vergleiche unser Parteiensystem in seiner Struktur mittlerweile gerne mit dem Einheits-Parteiensystem der SED in der DDR. Der Bürgerwille ist da nur ein lästiger Nerv-Faktor.
Die Macht der Parteien müßte ganz dringend erheblich beschnitten werden! Aber welche Partei würde schon ihre eigene Macht beschneiden? Das würde ja voraussetzen, daß sie zum Wohle des Volkes handelt. Doch welche Partei handelt zum Wohle des Volkes? Sekundär vielleicht, aber vor dem Wohle des Volkes steht das der Partei und noch davor das eigene.
Vergessen sind solche Sätze wie der des alten Fritz: 'Ich bin der erste Diener meines Staates!'. Über so viel königliche Naivität lacht ein Politiker doch heute allenfalls noch.
Naja, einen König wollen wir uns mal lieber nicht wünschen, und im alten Preußen hätte ich wirklich nicht gerne gelebt.
Vielleicht könnte eine Erfolgskontrolle für Politker ein bißchen helfen. Eine solche ist in absehbarer Zeit aber sicher nicht einführbar.
Grüße
csbb
Schöne Grüße, Volker