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Verschlimmbesserung


25.09.2016 19:34 - Gestartet von wolfbln
2x geändert, zuletzt am 25.09.2016 19:51
Der Neuentwurf ist ein typischer EU-Wischi-Waschi-Entwurf. Es mussten 2 Anforderungen in Einklang gebracht werden:
- das Versprechen an die Verbraucher: Roaming ist ab 2017 kostenlos
- das Versprechen an die Betreiber: ihr werdet weiter mit Roaming verdienen können und geht daran nicht pleite.

Dann wurde ein klarer Entwurf veröffentlicht mit Zeitbegrenzungen. Wie immer regt sich von irgendeiner Seite danach Widerspruch. Also wurde das zurückgezogen und herauskommt ein sehr unscharfer Entwurf.

Zumindest wird die Fallhöhe jetzt definiert. Wenn man "missbraucht", sollen weiter nur etwa die max. Großhandelspreise genommen werden. Diese sind aber immer noch zu hoch. Die 0,85ct pro MB sollen nun auf 5 Jahre festgeschrieben werden.

Was wird jetzt passieren? Schlimmsten Falls - und da hat M.Weidner recht - tauchen unklare FUPs in den AGB oder Tarifbeschreibungen auf. Keiner weiß also dann, wie lange und wie viel man nun maximal ohne Aufpreise roamen darf. Hier muss die EU nochmal nachbessern und analog der dann max. Aufschläge im Missbrauchsfall auch die klare Beschreibung dessen verordnen.

Diese FUP sind ja immer Mindestanforderungen an die Provider, wie lange sie Roaming kostenlos freigeben müssen. Es wird also wohl 3 Reaktionen geben und noch eine Vierte:
1.) manche Provider werden wohl roaming-freie Tarife anbieten. Gibts heute schon, aber diese müssten dann billiger sein und könnte es nur für Neukunden geben.
2.) viele Provider müssen ihre Tarife zeitlich oder mengenmäßig begrenzen mit einer wie immer ausgestalteten FUP.
3.) manche Provider brauchen keine FUP und können die Tarife ohne Limit ausgeben.

In Deutschland fallen viele Tarife unter die 3.Gruppe. Bei Vodafone und bald der Telekom gehts schon im Prepaid und bald sicher für die viele Postpaid-Tarife auch. Die FUP ist eher ein Notanker für die Billigländer und jene wenigen Tarife hierzulande, die nicht endlos im Roaming gegenzufinanzieren sind.

Daneben können aber auch die Provider noch zusätzlich heftig tricksen: im Tarif kein LTE-Roaming, warum auch immer. Die 3G-Geschwindigkeit ist irgendwie langsamer, wenn auch Depriorisierung rechtlich problematisch ist. Nur bestimmte Provider in einem Land gehen. Zusatzleistungen wie Tethering oder ggf. VoIP wird technisch unterbunden. Der Kreativität ist da kein Limit gesetzt, wie Three UK oder Free in Frankreich schon heute zeigen. Die "Schuld" kann notfalls an den Anbieter vor Ort geschoben werden und kein Verbraucher steigt da durch-

Aber der Worst Case ist wirklich, wenn nun alles schwammig und willkürlich kommt. Der eine Kunde "missbraucht" nach 4 Wochen, der andere im gleichen Tarif erst nach 4 Monaten und wird in Roaming abgeschaltet. Zum einen gibts es eine neue Unübersichtlichkeit, weil jeder Provider unterschiedlich verfahren kann, zum anderen aber auch eine neue Unsicherheit, wann denn der Missbrauchsfall nun wirklich eintritt. Wenn Free in Frankreich 50GB für 20€ verkauft, wird der eher bald als später der Fall sein, da sie dafür max. 425€ an den Roamingprovider überweisen müssten.

Es ist ja klar geworden, dass unterbunden werden soll, billige Auslandskarten dauerhaft hierzulande zu betreiben. Wir müssen selbst hier für einen funktionierenden Wettbewerb sorgen und können uns nicht z.B. in Österreich bedienen. Das war zu schön, um wahr zu werden. Denn Roamingpreise von 0,85c/MB können nicht mit Inlandspreisen von 0,2c/MB grenzenlos ohne Aufschlag gegenfinanziert werden.

Nur so ist wieder mal überhaupt nichts klar in Europa. Manchmal sind vielleicht klare Obergrenzen notwendig. Offenbar fallen sie den meisten Ländern leichter, wenn es um fremde Menschen und Grundrechte geht, als um den eigenen Bürger und ums telefonieren. Eigentlich sehr zynisch unser Kontinent 2016.