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Eine leider sehr einseitige Wahrheit


30.11.2017 17:28 - Gestartet von DL7FOS
Lieber Herr Petzke, ich halte viel von Teltarif, aber leider sehe ich in Ihrer Bewertung einige Mängel.

Grundsätzlich stimme ich Ihnen zu, dass es mit diesem Urteil unseriöse Anbieter mehr geben könnte, man darf und sollte aber nie die Mündigkeit und Intelligenz der Käufer Unterschätzen. Als Händler und Konsument in verschiedenen Rollen habe ich daher in bald 30 Jahren Online-Erfahrung auch ohne Käuferschutz unterschiedliche Geschichten zu erzählen und sehe das Ganze daher etwas weniger undifferenziert.

Schon vor Jahren kam immer wieder die Frage im Freundeskreis auf, warum es eigentlich kein Verkäuferschutz gibt. Ein Beispiel ist ein Kopfhörerverstärker eines Freundes, den er von mir erhalten hat und der sich in einem sehr guten Zustand befand. Er konnte nichts mit ihm anfangen und verkaufte das Gerät über eBay im selben, perfekten Zustand weiter. Der Käufer monierte sämtliche Funktions- und Verarbeitungsmängel, forderte das Geld zurück und legte es auch auf eine eBay-Streitigkeit an. Fotos von angeblichen Schäden fügte er bei, dennoch wurde er im Verlauf von eBay wohl aus gutem Grund gesperrt. Es war nämlich nicht das einzige Produkt, bei dem gravierende Mängel vorliegen sollten.

Ein weiterer Sachverhalt wurde mir kürzlich zugetragen, ein PayPal-Zahler kaufte bei ihm ein Handy über eBay-Kleinanzeigen und bezahlte per Lastschrift via PayPal. Nachdem diese das Geld dem Verkäufer gutschrieben, ließ der Käufer es von der Bank zurückholen und PayPal entzog dem vertrauenswürdigen Verkäufer das Geld. Handy weg und Käufer ebenso. Das Spiel könnte man auch mit gefälschten Mails von Käufern und ähnlich gelagerten Fällen, wie nicht rechtzeitig geltend gemachte Versandschäden, ergänzen.

Natürlich heißt es nicht, dass es unseriöse Händler gibt. So versuchte ich einst, einen USB-Stick mit 128 GB Speicher zu ersteigern, deren Marktpreise damals bei nicht unter 200 Euro lagen. Ein Schnäppchen zu 69 Euro ließ mich neugierig werden und ich kaufte das gute Stück und überwies den Geldbetrag. Zwei tage später erhielt ich von eBay eine Mitteilung, dass ich nach Möglichkeit nicht den Artikel bezahlen solle, man habe den Käufer entfernt. Und nicht nur das, denn durch das Entfernen der mit diesem Konto korrelierenden Auktion und Korrespondenz hat man zugleich Beweismittel vernichtet, so dass ich nicht einmal hätte klagen können. Mir lag allerdings die deutsche Bankverbindung und Anschrift der Verkäuferin vor. Dank Lastschriftfunktion meines Unternehmens konnte ich das Geld zurückbuchen - Glück gehabt.

In einem anderen Fall hatte ich als Käufer Glück. Eine Kommode zum Preis von 444 Euro über Amazon gekauft wies Materialfehler auf. Der Hersteller wollte sich um den Schaden kümmern, nach mehrfacher Nachfrage allerdings wurden die Ersatzteile nach gut drei Monaten immer noch nicht geliefert. Nachdem die Kommunikation schließlich endete, nutzte auch ich die A-Z-Garantie und erhielt den vollen Kaufpreis zurück erstattet. Eine aus meiner Sicht unverhältnismäßige Entscheidung, zumal der Artikel nur optisch, aber nicht funktionell beeinträchtigt war. Ich sehe mich in diesem Fall aber weder als unseriösen Käufer, noch das Unternehmen als unseriösen Händler an. Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände, ein Telefonat hätte das Problem sicher in den ersten Tagen nach Erhalt der Ware klären können. Das Problem war in diesem Fall der Vermittler, der direkte Kommunikationen zwischen Käufern und Verkäufer nicht erwünscht. Dabei ist mir auch nicht bekannt, ob Amazon das Geld vom Lieferanten eingezogen hat, das hat mich ehrlich auch nicht mehr interessiert.

Das Problem der Medien, so auch Ihrer Berichterstattung: Sie gehen grundsätzlich davon aus, dass Händler unseriös sein können. Das können sie in der Tat, aber der Vergleich mit windigen Mehrwertdiensten hinkt doch gewaltig. Wer gewerblich tätig ist, hat in der Regel einen Unternehmenssitz und wäre somit juristisch greifbar. Ein Verkäufer hingegen muss nicht namentlich prüfbar gemeldet sein, auch muss eine Postanschrift nicht stimmen. Wer per Lastschrift oder Kreditkarte zahlt, kann sein Geld zurückfordern. FÜr den Händler bedeutet dies nicht zu unterschätzende Kosten, eine Betrugsanzeige oder Privatklage sind für den Käufer ebenfalls unbequeme, aber denkbare Instrumente, um sich zu wehren. Während ein Kleinunternehmer nicht einmal einen kostenfreien Rechtsbeistand erhält, es sei denn, er ist teuer rechtsschutzversichert, kann der nicht finanzkräftige Privatkunde Prozesskostenhilfe beantragen. Und wer sagt denn, dass das Exemplar, das dem Gericht vorliegt, tatsächlich das vom Händler gelieferte ist? Bei der Laufzeit heutiger Gerichtsprozesse könnte selbst ein zum Klagezeitpunkt nachträglich angerichteter Schaden von einem Sachverständigen nicht mehr eindeutig identifiziert werden.

Es ist daher sehr wichtig, stets an den Verstand der Käufer zu apellieren. Wer glaubt, er müsse unbedingt das iPhone-Ladekabel im Original für 2,99 Euro erstehen, obwohl bekannt ist, dass Apple diese selbst nicht unter 25 Euro und auch für Händler nicht weit drunter verkauft, muss dann vermutlich mit Repliken leben. Gleiches gilt für den Hänlder, dessen Ort und Bewertung man grundsätzlich vor dem Kauf prüfen soll. Gerade bei Amazon herrschen hier unzumutbare, babylonische Verhältnisse, so ist überhaupt nicht mehr klar, ob ein Produkt nur durch Amazon versand oder auch verkauft wird. Das habe ich beim Kundenservice immer wieder moniert, interessiert dort aber niemanden. Offenbar ist die Anzahl der A-Z-Garantieansprüche so gering, dass Amazon offenbar nichts dagegen unternehmen wird.

Von daher vernachlässigen Sie absolut die Frage, wie viele unseriöse Angebote zu einem seriös offerierten Preis im Netz auftauchen. Es würde daher wohl nicht helfen, das iPhone X mit 256 GB für 1.250 Euro anzubieten, jeder würde es dann im Apple Store kaufen. Wenn es aber 999 Euro kostet und man den ´Verbraucher vor seiner Gier schützen will, auch wenn nicht selten auch der Fall hinzu kommt, dass manche es auch geradezu auf derartige Streitigkeiten auslegen, dann verstehe ich die Welt nicht mehr.

Als Händler habe ich auch stets Versuche gemacht, Käufern entgegen zu kommen. Das Ergebnis ist ein Schaden von rund 3.000 Euro, da eine Kundin bei der Beschaffungsware eines bestimmten Notebooks das Versprechen nicht einhielt, es zu übernehmen und es nach exakt 13 Tagen aufgrund fadenscheiniger Argumente zurück schickte, sowie zwei Rechnungskunden, die geringwertige Artikel von 10 Euro nicht bezahlten. Des Weiteren kann ich zwei Bestandskunden anführen, die trotz guter Zahlungsmoral bei der dritten Rechnung diese aufgegeben haben. Daher fragen Sie doch bitte mal, wer die Händler vor unseriösen Kunden schützt. Das passiert nämlich nur eingeschränkt und kann Einzelkämpfern ganz schnell das Genick brechen.

Mich ärgert es daher immer, diese vermeintlich verbraucherfreundliche Einseitigkeit zu lesen. Das wird insbesondere sehr ambivalent, wenn man zugleich auch noch auf Billigschnäppchen aufmerksam macht und mit Random-Werbung von zweifelhaften Netzbetreibern wirkt. Aber vielleicht hört ja hier die Verantwortung des Journalismus auf, denn jeder Klick zählt bares Geld.

Als Fazit kann ich nur davor warnen, den Verstand im Internet auszuschalten. Nicht jedes Angebot ist günstig, selbst wenn utopische Verkaufspreise als UVP angegeben werden, Pearl verdient mit dieser Masche Millionen. Aber davor warnt man als Medienunternehmer natürlich nicht, bewirtbt stattdessen manch Offerte, die ebenso wenig beim dritten Blick keine ist.
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[1] Fritze Flink antwortet auf DL7FOS
30.11.2017 21:41
Wenn ein Käufer eine PayPal-Lastschrift zurückbuchen lässt, ohne dass es einen Käuferschutzfall gegeben hätte, treibt PayPal das Geld vom Käufer ein.

In diesem Fall wird es so gewesen sein, dass der Käufer den Artikel persönlich abgeholt und hinterher einen nicht erhaltenen Artikel gemeldet hat. Ohne Versandnachweis (= Verkäuferschutz) verliert der Verkäufer so einen Käuferschutzfall natürlich und ist Geld und Ware los.

Benutzer DL7FOS schrieb:

Ein weiterer Sachverhalt wurde mir kürzlich zugetragen, ein PayPal-Zahler kaufte bei ihm ein Handy über eBay-Kleinanzeigen und bezahlte per Lastschrift via PayPal. Nachdem diese das Geld dem Verkäufer gutschrieben, ließ der Käufer es von der Bank zurückholen und PayPal entzog dem vertrauenswürdigen Verkäufer
das Geld. Handy weg und Käufer ebenso.
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[1.1] DL7FOS antwortet auf Fritze Flink
30.11.2017 22:41
Benutzer Fritze Flink schrieb:
In diesem Fall wird es so gewesen sein, dass der Käufer den Artikel persönlich abgeholt und hinterher einen nicht erhaltenen Artikel gemeldet hat. Ohne Versandnachweis (= Verkäuferschutz) verliert der Verkäufer so einen Käuferschutzfall natürlich und ist Geld und Ware los.

Danke für diese Anmerkung, genauso ist es auch gewesen und wurde mir so erzählt, es wurde auch Strafanzeige erstattet. Ich bin aber nicht informiert, ob diese zum Erfolg geführt hat. Was aber in jedem Falle blöd ist, wenn Aussage gegen Aussage steht. Angenommen ein Käufer eines fiktiv defekten Artikels führt hierzu fiktiv erstellte Fotos an, wobei es sich vielleicht um einen Artikel handeln kann, bei dem es keinen eindeutigen Herstellungsnachweis gibt. Wie auch immer wäre im Streitfall der Richter für die Rechtsfindung verantwortlich.