Benutzer klaus1970 schrieb:
Die Branche ist selbst verantwortlich für das Dilemma. Vor allem die großen Sender fuhren zuletzt Schmalspur-Programme ohne Spannung und Innovationen. Gleichzeitig hatte man DAB+, was mehr Vielfalt hätte bieten können, mit allen Mitteln blockiert. Jetzt kommt die Quittung. Streaming und Smart Speaker fressen das Radio auf. Da kann man nur "Viel Spaß beim Verrecken" wünschen!
Ja und nein...
Das Radio als dezidierte Geräteklasse und seine dezidierten Übertragungsstandards (Analog oder eben DAB+) sind auf dem absteigenden Ast und sehr wahrscheinlich bald mausetot. Das muss die Branche einsehen. Gleiches steht auch dem Fernsehen bevor. Auch hier stirbt mittelfristig die Geräteklasse und der dezidierte Übertragungsstandard über DVB (-T2, -S2 oder C).
In wenigen Jahren ist auch aus meiner Ansicht nur noch das Internet übrig. Zu den heutigen Übertragungswegen über EDGE/UMTS/LTE, Telefon-/Antennenkabel und Satellit gesellen sich noch die beiden neuen Übertragungswege 5G und Glasfaser dazu. Und die Geräte, welche das Radio und den Fernseher beerben, heißen Smart-Speaker und Smart-Display.
Aber...
Das klassische Sendeformat des linearen Radios und linearen Fernsehens wird nicht so schnell sterben. Es wird sich nach dem Tod seiner dezidierten Geräte und Übertragungswege genauso exklusiv ins Internet zurückziehen wie die neue Konkurrenz der Musik- und Videostreaming-Dienste. Der Trend hat ja schon begonnen. De facto gibt es heute kaum noch einen Radiosender oder Fernsehsender, der nicht über das Internet zu empfangen ist. Und das die Radio- und Fernsehbranche die Chance für eigene Plattformen und Aggregatoren nicht bzw. nur zögerlich wahrgenommen hat, ist ganz allein ihr Problem.
Mit dem Konzept bzw. App-Angebot Radioplayer hat die Radio-Branche theoretisch noch die Chance eine eigene europäische Plattform bzw. einen Aggregator aufzubauen, wenn mehr Geld bzw. Entwicklungsarbeit und Marketinganstrengungen in das Konzept gesteckt würden. Der Radioplayer müsste eigentlich auf allen Werbekanälen offline und online massiv beworben werden. Und der Radioplayer müsste auf allen technischen Plattformen laufen. Nicht nur auf dem Smartphone oder im Browser. Hier müsste genauso aggressiv vorgegangen werden wie es Spotify, Netflix, Amazon (und teilweise auch Google und Apple) tun. Auch, wenn das viel Aufwand mit sich bringt und es manchmal auch bedeutet, dass manche Mühe mal umsonst sein kann. Jeder klassische Radiohörer sollte ganz selbstverständlich wissen, dass der Deutschlandfunk jetzt über "Hey Alexa, schalte den Deutschlandfunk ein" sendet und nicht mehr über das verstaubte Küchenradio. Dafür bedarf es aber natürlich der Anstrengung der Radiosender. Ohne diese Anstrengung, wird vor allem die Junge Generation sich lieber den neuen Musik-Streaming-Diensten zuwenden.
Auch die TV-Branche hat noch die Chance sich mit einem europäischen Hulu, einer deutschen Super-Mediathek oder deutlich flexibleren linearen TV-Streaming-Diensten in Stellung zu bringen. Mit ZattooTV, WaipuTV, MagineTV, MagentaTV, GigaTV gibt es ja bereits eine Vielzahl an Angeboten. Allerdings ist auch hier noch viel Arbeit nötig. Der Funktionsumfang muss dringend noch erweitert werden: Alle Sender ohne weitere Kosten in HD (also echtes internetbasiertes, werbe- oder beitragsfinanziertes FreeTV) und kostenpflichtige Komfortfunktionen wie Restart, Recording, Recall für alle Sender (ohne Ausnahme oder Senderalleingänge). Zudem fehlt auch hier häufig noch die plattformunabhängige Verfügbarkeit. Nur die wenigstens Angebote sind bisher auf allen Plattformen verfügbar. Außerdem muss häufig noch am Bedienkonzept gearbeitet werden.
Um sich als Radio- und TV-Branche hier in Europa wirklich über Spotify, Netflix, Amazon, Google und Apple erheben zu können, wäre im letzten Schritt vermutlich die Integration der Radio- und TV-Plattform zu einem einzigen Rundfunk-Angebot am sinnvollsten.