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Es ist fünf vor China


04.03.2022 07:37 - Gestartet von blumenwiese
Dass Pornographie ein unbestreitbarres Problem darstellt, insbesondere bei jüngeren Menschen, dürfte unbestritten sein. Gerade am Beginn der Pubertät kann harte Pornographie massiven Schaden im Gehirn eines jungen Menschen anrichten. Und es ist sicherlich auch eine Aufgabe des Staates, junge Menschen in diesem Bereich zu schützen.

Ich möchte damit sagen, dass das grundsätzliche Ansinnen dieser Maßnahmen sicherlich verständlich ist. Ich denke es dürfte auch nur bei wenigen Menschen auf Widerspruch treffen. Genau wie bei Alkohol sollte auch harte Pornographie nur für Volljährige zugänglich sein.

Was ich kritisiere ist aber etwas ganz anderes. Auch wenn die Idee hinter diesen Regelungen lobenswert ist, macht dies noch keine gute Sache aus der Angelegenheit.

Zum einen ist da das Problem, dass natürlich weiterhin diese und andere pornographische Seiten frei zugänglich sind. Selbst wenn deutsche Provider die angeordnete Sperre letztinstanzlich umsetzen müssten, dürfte dies durch DNS Sperren passieren. Jeder Grundschüler kann mit wenigen Einstellungen diese Sperre umgehen.

Selbst tiefergehende Sperransätze, zum Beispiel Deep Packet Inspection oder ähnlichen Möglichkeiten, laufen komplett ins Leere. Durch den Einsatz eines simplen VPN, was heute immer mehr Mainstream wird, lassen sich auch diese Sperren ohne jedes Problem aushebeln. Und dafür erfordert es nun wirklich kein tiefergehendes technisches Verständnis.

Um es kurz zu sagen, die Sperren sind Theater. Sie sind vollkommen unwirksam. Sie können niemals wirksam sein. Das ist technisch schlicht nicht möglich. Und spätestens wenn es der Politik nur um Theater geht, sollte man hellhörig werden.

Meines Erachtens sollte der Ansatz anders geschehen. Aufklärung sollte hier das Ziel sein. Und das meine ich im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinne. Es ist die Verantwortung der Eltern, ihre Kinder für diese Dinge zu sensibilisieren und ihnen Instrumente an die Hand zu geben, damit umzugehen. Es ist vollkommen normal, und das weiß jeder von uns, da wir alle mal in diesem Alter waren, dass die Pubertät auch eine riesige Entdeckungsreise um den eigenen Körper ist. Es ist vollkommen natürlich, dass junge Menschen deshalb für pornographische Angebote sehr empfänglich sind. Und das beschränkt sich natürlich nicht nur auf junge Menschen.

Es ist wie gesagt Aufgabe der Eltern und nicht des Staates, durch erzieherische Maßnahmen ihre Kinder mit Werkzeugen auszustatten, wie sie mit solchen Dingen umgehen können. Das ist gewiss nicht leicht und gewiss gelingt dies auch in vielen Fällen nicht. Eltern können nicht zaubern. Dennoch ist es ihre Aufgabe. Die Erziehung von Kindern ist nicht Aufgabe des Staates.

Ein Blick nach Utah könnte helfen. Dort hat es staatlicherseits ein umfangreiches Maßnahme Paket gegeben, um mit der Pornographie insbesondere im Internet umzugehen. Und dort hat man eine hervorragende Ballance gefunden. Der Staat mischt sich nicht in das Erziehungsrecht der Eltern ein. Dennoch ergreift er Maßnahmen, damit Eltern ihren Erziehungsauftrag auch gerecht werden können. Neben breit angelegten Aufklärungskampagnen, gibt es dort auch zahlreiche Maßnahmen, die Eltern Werkzeuge an die Hand geben, um mit dem Problem fertig zu werden. Es gibt auch restriktive Maßnahmen, die sich aber nicht in sinnlosen Theater um Sperrungen beschränken.

Und letztlich: Wenn man dem Staat erlaubt auch nur den kleinsten Zeh in die Tür des Internets zu setzen, endet dies immer in China oder schlimmer. Niemals darf man dem Staat auch nur den kleinsten Vorwand geben. Vorwand, um die freie Meinungsäußerung zu beschränken. Und ja dazu gehört auch Pornographie.

Wenn hier der Staat widerspruchslos Pornoseiten sperren darf, dann kommt als Nächstes eben eine "falsche" politische Meinung, die gesperrt wird. Das ist ja bereits heute üblich. Die Begründung wäre die gleiche. Selbstverständlich geht es nur darum, die Bevölkerung vor schädlichen Einflüssen zu sperren. Und in null Komma nichts finden wir uns in China wieder.

Jeder der die Freiheit liebt sollte alles tun, dem Staat niemals zu erlauben, auch nur den kleinsten Zeh in die Tür des Internets zu bekommen.