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Jenseits von Windows und Ubuntu: Sugar on a Stick "Blueberry" – Linux für die Kurzen

Von Falko Benthin

Sugar 1 Screenshots: teltarif.de Medienkompetenz und Computerbeherrschung sind in unserer heutigen Zeit wichtiger als je zuvor und sicher wird so mancher Nachwuchs ein Netbook unter dem Weihnachtsbaum finden. Das ursprünglich für das OLPC-Projekt (One Laptop per Child) entwickelte Sugar dürfte zu den lehrreicheren Systemen zählen. Wir haben es uns dieses Wochenende, stellvertretend für Christkind, Väterchen Frost, den Weihnachtsmann und wie sie alle heißen, die Live-Version "Sugar on a Stick" (SoaS) zur Brust genommen und geschaut, wie es sich auf dem Netbook macht.

Sugar 1 Screenshots: teltarif.de Sugar 2 Screenshots: teltarif.de Nachdem das Live-Image [Link entfernt] heruntergeladen wurde, muss es auf einen Stick oder entsprechendes anderes Medium übertragen werden. Die Sugar-Macher haben neben dem Image Anleitungen und Hilfsprogramme auf die Webseite gelegt, welche auch Nutzer ohne tiefgehende PC-Kenntnisse problemlos handhaben können. In unserem Fall setzten wir unter Linux das auf der Webseite liegende Python-Script Image Writer [Link entfernt] ein, welches zuvor mit chmod 755 image-writer ausführbar gemacht wurde.

Sugar 3 Screenshots: teltarif.de Bis zum Anmeldebildschirm dauerte es beim Booten von einem USB-Stick ca. eine Minute, bis das System nach unserem Namen fragte und wir die Farbe des Sugar-Männleins ändern konnten. Danach begann es kompliziert zu werden. Eigentlich ist alles ganz einfach, aber wer herkömmliche PCs und deren Bedienung der grafischen Oberflächen gewohnt ist, muss sich gewaltig umstellen. Wir suchten vergebens nach einer Funktion, die Screenshots erstellt. Sicher wird es sie geben, wir installierten am Ende imagemagick und organisierten das Bildschirmschießen von der Konsole aus. Die Wlankarte mit Ralink-Chipsatz wurde ebenfalls ignoriert, weswegen wir das Netbook an ein Kabel hängten. Hier lässt sich garantiert der entsprechende Treiber nachinstallieren und einrichten, aber wir verzichteten darauf (eingeschüchtert durch die Screenshot-Erfahrung), agierten wir doch in der Rolle der Oma, die ihrem Enkelkind ein pädagogisch wertvolles Spielzeug schenken möchte.

Sugar 4 Screenshots: teltarif.de Nach den anfänglichen Stolpersteinen begann Sugar on a Stick recht witzig zu werden. Mit der Taste "F1" springt man in die "Neighborhood", hier werden gewöhnlich verfügbare Netze und andere Netzteilnehmer angezeigt. In die Netze, von Haus aus unterstützt und nutzt SoaS neben Accesspoints auch Mesh-Netze, sprich kuschelt schnell mit anderen Rechnern, soll sich der Sugar-User per Klick einwählen können. Ebenso leicht ist es, gefundene Teilnehmer zu Freunden zu machen (die Freundesgruppe lässt sich mittels "F2" erreichen) und zu gemeinsamen Aktivitäten (Anwendungen) einzuladen. Da unsere Karte nicht erkannt wurde, bekamen wir kein einziges Netz und, viel trauriger, keine Freunde zu sehen.

Sugar 5 Screenshots: teltarif.de Nachdem wir das Netbook an ein Kabel gehangen und die Verbindung hergestellt hatten, tauchte eine Vielzahl potentieller, aber leider uninteressierter, "Freunde und Freundinnen" auf. Woher sie kamen, war nicht feststellbar und unsere Einladungen zur fröhlichen Zusammenarbeit verhallten ungehört.

Sugar 6 Screenshots: teltarif.de Aktivitäten sind jegliche auf dem Sugar-System verfügbare Anwendungen. Die Kleinen können surfen, chatten, rechnen, musizieren und so spielerisch einige digitale Teile der Welt begreifen. Mit Sugar on a Stick bekommen Kind und Eltern viele Lern- und Bildungsprogramme in die Hände, die eine Menge Bereiche abdecken, angefangen bei ersten Schritten der Programmierung über E-Book-Reader, Physiksoftware, Schreibprogramme, etc. Daneben sind auch viele Spiele an Bord, die die Lütten nicht etwa anregen, ihre Mitmenschen umzunieten, sondern die grauen Zellen zu trainieren. Typische Vertreter wären hier unter anderem Memory und verschiedenste Puzzle. Alle bearbeiteten Dokumente und Aktivitäten landen im Journal, was eine Art Ordner darstellt, über den sich niemand den Kopf zerbrechen muss. Das Journal lässt sich nach Aktivitäten und Dateitypen durchsuchen, welche auch zeitlich selektiert werden können. In unserem Test agierte das Journal alles andere als performant und zeigte zudem auch noch viele Systemprozesse an, was der Übersichtlichkeit nur begrenzt dienlich war.

Sugar 7 Screenshots: teltarif.de Fazit: Die Benutzung von Sugar auf dem kindlichen Netbook macht die Kurzen nicht dümmer, aber die Eltern sollten sich vorher auf jeden Fall mit dem System vertraut gemacht und dessen Anleitung gelesen haben. Anderenfalls ist das große Stirnrunzeln vorprogrammiert, sobald die Benutzung Fragen aufwirft. Wer Sugar einsetzt, sollte bedenken, dass das auf Fedora und Python basierende System keine Pfuiseiten-Filter mitbringt. Das kleine Display erschien für etliche Anwendungen zu klein, so dass hier bei exzessiver Nutzung, vielen Freunden und hohem Lerneifer ein externer Monitor angeschlossen werden sollte. Die in heutigen, verbreiteten Netbooks laufende Hardware sollte, aufgrund der Fedora-Basis, auf jeden Fall unterstützt werden, auch wenn das mit Bastelarbeiten verbunden sein kann. Hier ist dann unter anderem zu bedenken, ob das Kind Wlan braucht oder nicht einfach an ein Kabel gehängt werden kann. Fällt die Entscheidung zugunsten des Wlans aus, wird Sugar on a Stick auch für Papis und Mamis, die sich vorher wenig mit Linux beschäftigt hatten, sehr schnell sehr lehrreich und der Computer zu einem "thing to think with".