Zensurvorwürfe

Totale Offen­legung der NSA-Telefon­über­wach­ung könnte Gewalt auslösen

Dass die NSA in mindestens einem Land alle Handy-Gespräche aufzeichnet, war bereits bekannt. Jetzt kommt mit neuen Snowden-Enthüllungen heraus, dass dies auf den Bahamas der Fall sein soll.
Von dpa / Jennifer Buchholz

Die NSA überwacht 250 Millionen Menschen im Kampf gegen den Drogenhandel Die NSA überwacht 250 Millionen Menschen im Kampf gegen den Drogenhandel
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Die NSA zeichnet laut neuen Snowden-Ent­hüllungen sämtliche Handy-Gespräche auf den Bahamas auf. Die Aufnahmen würden dann bis zu einen Monat lang aufbewahrt, berichtete die Website The Intercept. Das System mit dem Codenamen SOMALGET sei ohne Wissen der Regierung der Bahamas installiert worden, hieß es unter Berufung auf Unter­lagen des Informanten Edward Snowden. Demnach sei die Über­wachung im Kampf gegen den Drogen­handel eingerichtet worden.

Mit SOMALGET würden auch die gesamten Handy-Telefonate eines weiteren Landes aufgenommen, hieß es. The Intercept nannte den Namen der betroffenen Nation allerdings nicht, weil dies Gewalt­aus­brüche auslösen könne. Diese Entscheidung brachte der Website scharfe Kritik der Enthüllungs-Website Wikileaks ein. The Intercept habe sich damit der Zensur schuldig gemacht, hieß es im Twitter-Profil von Wikileaks, hinter dem der Wikileaks-Begründer Julian Assange persönlich vermutet wird. "Wenn eine Nation einen Aufstand starten will, weil die US-Regierung alle ihre Telefonanrufe aufzeichnet, ist es ihr gutes Recht."

250 Millionen Menschen werden täglich mit SOMALGET abgehört

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Das Abhör-Projekt SOMALGET gehöre zum Programm MYSTIC, bei dem Informationen über Telefonanrufe in Mexiko, den Philippinen und Kenia gesammelt werden, hieß es weiter. Betroffen sei ein Raum mit insgesamt 250 Millionen Einwohnern. Dabei geht es nicht um die Inhalte der Gespräche, sondern um sogenannte Metadaten - etwa, wer an welchem Ort wie lange mit wem telefonierte.

Die Washington Post hatte bereits im März berichtet, dass der US-Geheimdienst alle Telefonate in einem Land mitschneiden könne, es aber nicht genannt. Jetzt hieß es bei The Intercept, SOMALGET schlage über 100 Millionen "Anruf-Ereignisse" pro Tag um. Die NSA hat eine eigene Abteilung zum Kampf gegen Kriminalität und Drogenhandel. Den Unterlagen zufolge äußerte sich ein Vertreter des Bereichs sehr zufrieden über die Möglichkeit, Anrufe nachträglich auszuwerten.

Den Zugriff auf die Telekom-Netze habe die NSA möglicherweise heimlich über amerikanische Drogenfahnder bekommen, denen solche Zugänge im Rahmen der internationalen Kooperation von Ermittlungsbehörden offenstünden, hieß es bei The Intercept. Die NSA-Papiere enthielten auch Hinweise darauf, dass der Rüstungskonzern General Dynamics an der Verarbeitung der SOMALGET-Daten beteiligt sei.

Wie die Enthüllungsplattform vor wenigen Monaten begonnen hat, lesen Sie in einer eigenen Meldung.

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