FTTH auf Rügen: Telekom mit "Kabel + Sat" zusammen
Die Insel Rügen ist nicht nur ein beliebtes Urlaubsparadies, auch beim Glasfaserausbau bietet sie etwas Besonderes: Hier haben die Deutsche Telekom und die Kabel + Sat aus Bergen (auf Rügen) einen Kooperationsvertrag über das mit Fördermitteln errichtete FTTH-Glasfasernetz des Zweckverbands Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen (ZWAR) geschlossen.
Erste Kooperation mit Netzpächter
Dabei handelt es sich, nach Angaben der Beteiligten, um die erste Zusammenarbeit der Telekom mit einem Netzpächter, die auf einem geförderten FTTH-Netz eines Zweckverbandes aufsetzt.
Thilo Höllen, zuständig für Breitbandkooperationen bei der Telekom in Deutschland, betont, dass bei der Digitalisierung auch neue Modelle in Betracht kommen. Bislang hatte die Telekom ihre Kooperationen immer mit dem eigentlichen Netzeigentümer abgeschlossen.
Neuland für die Telekom als Blaupause
v.l.: Thilo Höllen (SVP Telekom Breitband) und Rolf Hofmann (geschäftsführender Gesellschafter Kabel + Sat Bergen)
Foto: Deutsche Telekom
Die Einigung mit dem Unternehmen „Kabel + Sat“ ist für die Telekom Neuland, soll aber kein Einzelfall bleiben. Man sehe die Zusammenarbeit „bundesweit als Blaupause für weitere Kooperationen“ auf gefördert errichteten Netzen. Kooperationen mit regionalen Versorgern seien ein zentraler Baustein der Glasfaserstrategie. Die Telekom sei bereit, neue Wege für mehr Anbietervielfalt und Höchstgeschwindigkeit im Sinne der Kunden zu gehen.
Vertragspartner Rolf Hoffmann, Geschäftsführender Gesellschafter von Kabel + Sat in Bergen, war von der „Offenheit der Telekom positiv überrascht“. Er ist stolz darauf, dass in kurzer Zeit eine Kooperationsvereinbarung erzielbar war, worin sich beide Unternehmen gleichermaßen wiederfinden.
Glasfasernetz separat von Infrastruktur und Dienstleistungen
Dieses Schild könnte auf Rügen jetzt öfters zu sehen sein.
Foto: Deutsche Telekom
Beide Parteien betonen, dass diese Kooperation „einzigartig in der Telekommunikationsbranche“ sei. Für Kabel + Sat kann das geförderte Glasfasernetz mit mehr Anbietern vergrößert und noch wirtschaftlicher betriebe werden. Die Idee ist, Glasfasernetze separat von Infrastruktur und Dienstleistungen zu betrachten. Damit können Kunden eine größer Menge von Angeboten auswählen.
Beifall von der Politik
Das gefällt auch der Politik. Christian Pegel, Minister für Digitalisierung in Mecklenburg-Vorpommern sieht den Kooperationsvertrag als „Wink für die Zukunft“. Klar: hier wird Open Access realisiert und die Kunden sind mehr an nur einen Anbieter gebunden, sondern haben jetzt eine Menge an Wahlmöglichkeiten. Sie können bei Kabel + Sat, bei der Telekom oder weiteren Partnern der Telekom unterschreiben und können damit im Idealfall beim bereits bekannten und vertrauten Anbieter bleiben.
Welche Aufgaben übernehmen die Beteiligten?
V.l. Axel Wenzke & Thilo Höllen (Telekom), Rolf Hoffmann (Kabel + Sat Bergen), Uwe Repenning (ZWAR), Wildar Wendt (Aconium) u. Sebastian Koesling (ZWAR)
Foto: Deutsche Telekom
Im Rahmen der Kooperation betreut, plant und baut Kabel + Sat bereits seit 2011 Glasfasernetze für den ZWAR, dem das Netz formal "gehört". Kabel + Sat hat dieses Netz gepachtet. Im nächsten Schritt werden die Netze verbunden, sodass bis voraussichtlich Ende 2025 alle 11.000 Haushalte und Unternehmensstandorte vom schnelleren Gigabit-Tempo profitieren können. Auf Basis einer „Fiber Plattform“ betreiben die Telekom und die Kabel + Sat das Netz gemeinsam. Die Besonderheit: Neben der Telekom werden auch deren Großhandels-Partner wie Vodafone, 1&1 und Telefonica ihre Festnetz-Produkte auf dem Netz anbieten können.
Aktuelle Zahlen zur Telekom Deutschland
Aktuell meldet die Telekom ein eigenes Glasfasernetz mit mehr als 730.000 Kilometer Länge und versorgt über das Vectoring und Super-Vectoring (letzte Meile zum Kunden auf Kupferleitungsbasis) mehr als 35 Millionen Haushalte und Unternehmen mit Bandbreiten von 50 MBit/s bis zu 250 MBit/s im Download. Rund 8 Millionen Haushalte und Unternehmensstandorte könnten bereits einen Glasfaser-Anschluss mit Bandbreiten von bis zu 1 GBit/s bekommen, sofern sie ihn buchen. Für die Telekom ist das nächste Etappenziel, bis Ende 2024 mehr als zehn Millionen FTTH-Anschlüsse (Glasfaser bis in die Wohnung zum Kunden) zu ermöglichen.
Kabel + Sat
Nicht so bekannt dürfte die „Kabel + Satellit Bergen Kommunikationstechnik GmbH“ (kurz Kabel + Sat) sein. Das ist ein Unternehmen, das in den Bereichen Internet, Fernsehen und Telefonie mit Firmensitz in Bergen auf der Insel Rügen tätig ist und seinen Kunden Breitbandinternet, Internettelefonie sowie Kabelfernsehen sowie Dienste rund um Satellitenempfangs- und Signalaufbereitung anbietet. Derzeit sind 40 Mitarbeiter in den Bereichen Netzbau und Kommunikationstechnik sowie Kundendienst und Verwaltung im Unternehmen beschäftigt.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Das „Rügener Modell“ sollte in ganz Deutschland Schule machen. Das ist, was die Kunden wollen. Sie möchten bei ihrem vertrauten Anbieter bleiben können, das kann nicht nur die Telekom, sondern auch Vodafone, o2 (Telefónica) oder 1&1 sein und bleiben. Sie möchten nicht zu einem neuen, ihnen unbekannten Anbieter wechseln müssen, was evtl. Umstände macht und Ärger bedeutet („klappt der Wechsel?“), wo möglicherweise bisher gewohnte Kombirabatte nicht mehr funktionieren oder bestimmte Funktionen oder Tarife nicht mehr möglich oder deutlich teurer sind, etwa eine Flatrate zum Mobilfunk.
Die Wettbewerber der Telekom im BREKO oder dem VATM sollten sich in Rügen vor Ort informieren, wie so eine Kooperation geht und dann schleunigst in die Verhandlungen einsteigen, anstatt weiter einen sinnlosen Kleinkrieg um tatsächlichen oder vermeintlichen Parallel-Ausbau oder die Höhe von Fördermitteln zu führen. Dafür ist keine Zeit mehr.
Kooperationen sind eine gute Sache, wenn sie funktionieren. In Wasserliesch wurde eine Kooperation wegen Erfolglosigkeit beendet.