Daten

vzbv: Luft nach oben bei Internet-Grundversorgung

Die ersten Zahlen der Bundes­netz­agentur zur Mindest­band­breite für die Breit­band-Grund­ver­sor­gung sind laut dem Verbrau­cher­zen­trale Bundes­ver­band (vzbv) viel zu gering. Da wäre noch Luft nach oben.
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Derzeit arbeitet die Bundes­netz­agentur an einer Rechts­ver­ord­nung, welche die Anfor­derungen an einen "Univer­sal­dienst" konkreter d.h. in genaue Zahlen fassen soll. Dazu wurde ein "Konsul­tati­ons­bericht" veröf­fent­licht, worin eine konkrete Mindest­band­breite für die Verbrau­cher im Zuge der Breit­band-Grund­ver­sor­gung künftig zustehen soll. Sobald der Verord­nung vom Bundes­minis­terium für Digi­tales und Verkehr, dem Bundes­tags­aus­schuss Digi­tales und dem Bundesrat zuge­stimmt wurde, wird sie am 1. Juni 2022 in Kraft treten.

vzbv kriti­siert Vorschläge

Diese Vorschläge sind nach Einschät­zung des Verbrau­cher­zen­trale Bundes­ver­bands (vzbv) zu niedrig und beruhten nicht auf objek­tiven Daten. „Die Bundes­netz­agentur hat mit ihren Vorschlägen einen trans­parenten Prozess zur Konkre­tisie­rung der Mindest­anfor­derungen an die Breit­band-Grund­ver­sor­gung gestartet“, lobt Susanne Blohm, Refe­rentin im Team Digi­tales und Medien des vzbv, den Entwurf. Bei der Fest­legung der Geschwin­dig­keiten sei aller­dings "noch Luft nach oben". Und weiter: „Dass übli­cher­weise mehrere Personen in einem Haus­halt leben und häufig gleich­zeitig das Internet nutzen, wurde nicht einkal­kuliert. Es müssen objek­tive Daten für die Bemes­sung der genutzten Mindest­band­breite erhoben werden“, forderte Blohm.

Während die Bundes­netz­agentur einen Wert von 10 MBit/s (Down­load) und 1,3 MBit/s (Upload) als Mindest­ver­sor­gung anpeilt, schlägt der vzbv aufgrund der zur Verfü­gung gestellten Daten­lage vor, die Mindest­band­breite im Down­load zunächst auf 30 MBit/s fest­zulegen. Dieser Wert entspreche auch der Beschluss­emp­feh­lung zur aktu­ellen TKG-Novelle, den der feder­füh­rende Wirt­schafts­aus­schuss im Deut­schen Bundestag einge­bracht hatte.

Daten­lage zur genutzten Mindest­band­breite nicht ausrei­chend

Wenn die Mindestbandbreite gesetzlich geregelt wird, müsste dort bevorzugt ausgebaut werden, wer wenig darüber liegt, hätte Pech. Wenn die Mindestbandbreite gesetzlich geregelt wird, müsste dort bevorzugt ausgebaut werden, wer wenig darüber liegt, hätte Pech.
Foto: Picture Alliance/dpa
Laut Bundes­netz­agentur lägen keine belast­baren objek­tiven Daten vor, welche Band­breiten aktuell durch­schnitt­lich von den Verbrau­chern tatsäch­lich genutzt werden. Als Grund­lage der Einschät­zung wurden daher die Anbieter nach vertrag­lich fest­gelegten mini­malen Band­breiten befragt. Nur: „Anbieter können die mini­malen Band­breiten selbst fest­legen. Es wundert daher nicht, dass die genutzte Mindest­band­breite entspre­chend gering ausfällt. Hier müssen drin­gend objek­tive Daten­sätze erhoben werden. Solange dies nicht der Fall ist, sollten die jetzigen Zahlen nicht als Abwä­gungs­kri­terium für die Ausge­stal­tung der Grund­ver­sor­gung mit Breit­band heran­gezogen werden“, betont Blohm.

Die voll­stän­dige Stel­lung­nahme steht auf den Seiten des vzbv zum Down­load bereit.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

So wie ein oder zweimal im Jahr der Schorn­stein­feger vorbei­schaut, müssten amtliche Mess­teams von Haus zu Haus gehen, einen Blick in den abge­schlos­senen Kunden-Vertrag werfen und dann nach­messen, was wirk­lich aus der Dose ankommt (sinn­vol­ler­weise noch zu unter­schied­lichen Tages­zeiten).

Nur würden wohl viele Haus­bewohner diesen Teams ihre Türen gar nicht mehr öffnen, weil sie befürchten, von diesen unbe­kannten Besu­chern zum Abschluss von Optionen oder Verträgen, die sie nicht wollen oder brau­chen, über­rum­pelt zu werden. Verzwei­felte Stra­ßen­ver­käufer, die nur von Provi­sionen leben und "im Auftrag" von Voda­fone, Telekom oder anderen unter­wegs sind (oft handelt es sich um "freie Mitar­beiter" des Marke­ting-Unter­neh­mens Ranger-Commu­nica­tions), haben - wie zahl­reiche Klagen in Tages­zei­tungen, Leser­briefen, Inter­net­foren etc. beweisen - verbrannte Erde hinter­lassen. Die Hotlines der Unter­nehmen sind teil­weise eher damit beschäf­tigt, unge­wollte Verträge wieder glatt­zuziehen und erboste Verbrau­cher zu beru­higen. Was das kostet, weiß niemand.

Und selbst wenn in einem Ort ein klares Bild der tatsäch­lichen Daten­lage bestünde, dann werden bei einem Mindest­wert von 10 oder 30 MBit/s die Bagger nur zu entle­genen Grund­stü­cken am Ende von Neubau­gebieten, in Sack­gassen oder unglück­lich umständ­lich verka­belten Neben­straßen anrü­cken, um dort schnel­lere Technik aufzu­bauen, während der Kunde, der nur 1-2 MBit/s "mehr" hat, aber beruf­lich, schu­lisch oder fami­liär drin­gend mehr braucht, weiter in die Röhre schaut.

Es rächt sich bitter, dass nicht schon vor Jahren der flächen­deckende Voll­ausbau des Landes beschlossen und sogleich in Angriff genommen wurde. Parzelle für Parzelle, ohne Rück­sicht auf Altbe­stände. Bestehende Anbieter hätten da mitma­chen können und müssen. Wo sie das nicht wollten, hätten sie mit neuer Konkur­renz rechnen müssen oder man hätte ihnen mit ohnehin notwen­digen Subven­tionen helfen können.

So wird weder die Empfeh­lung der BNetzA noch die Forde­rung des vzbv das Problem lösen, da im Augen­blick am liebsten nur da gebaut wird, wo möglichst niemand dazwi­schen funkt und sich ein Holter­dipolter-Ausbau gerade so noch rechnet.

Inter­essierten Kunden bleibt die Wahl zwischen Anschluss bei einem vorher völlig unbe­kannten Anbieter mit viel­leicht grau­enhaften falls über­haupt exis­tie­rendem Kunden­ser­vice oder dem Warten auf den St. Nimmer­leinstag, dass der Lieb­lings­anbieter endlich in Bewe­gung kommt.

Wer nicht auf den terres­tri­schen Ausbau warten will, könnte sich per Satellit versorgen, wir geben einen Über­blick.

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